Nach ein paar weiteren Songs standen sie alle oben auf der flying platform (so nannte Jana sie zumindest immer), gurteten sich an ihre Mikroständer und die Plattform löste sich von der Bühne, sodass sie anfingen, über das Publikum zu fliegen.
Der Song, den sie währenddessen sangen, war Change My Mind.
Über uns flogen sie natürlich schon ganz am Anfang, da wir ja in der dritten Reihe waren, sodass wir uns für den restlichen Song umdrehten und ihnen hinterhersahen.
In der zweiten Strophe sang Liam die erste Hälfte, und als Harry die zweite sang, bekam ich so eine Gänsehaut, wie ich noch nie in meinem Leben gespürt hatte. Sie wollte gar nicht mehr weggehen.
"Never felt like this before.."
Plötzlich löste er sein Mirko aus dem Mikrofonständer und drehte sie um 180 Grad – und sah mich direkt an.
"..are we friends or are we more?
As I'm walking through the door, I'm not sure..."
Mein Hirn schaltete seine Denkfähigkeit aus und ich starrte ihn nur an, wie er dort oben über mir in der Luft war, eigentlich räumlich gesehen total weit weg von mir, aber irgendwie fühlte ich mich ihm genau in diesem Moment einfach nur total nahe.
Mein Herz klopfte wie verrückt und Jana neben mir war ebenfalls verstummt, was ungefähr noch nie in ihrem Leben passiert war. Sie schrie nicht, sie hüpfte nicht und ich wette, wenn ich mich zu ihr hindrehen würde, würde ich Tränenspuren auf ihren Wangen sehen.
Es war unglaublich.
Wie war ich hierher gekommen, von am Boden zerstört zu diesem Hochgefühl der Liebe?
Ich konnte es mir nicht erklären, und es war mir ehrlich gesagt auch egal. Ich war hier. Bei Harry in der Nähe. Er sah mich an und sang nur für mich.
Für mich.
Er lächelte mich ein letztes Mal an und drehte sie dann wieder nach vorne, da sie jetzt auf der hinteren Bühne angekommen waren und ihre Gurte von den Ständern lösen mussten.
Der Rest des Konzertes flog in atemberaubendem Tempo an uns vorbei und ich genoss jede einzelne Sekunde.
Am Ende bei Harrys Solo von What Makes You Beautiful fing Zayn an, Harry mit dem Finger immer wieder in die Seite zu piksen, sodass dieser nicht in der Lage war, sein Solo zu singen, sondern lauthals lachen musste. Sein Lachen wurde über die Lautsprecher übertragen und es fuhr mir direkt unter die Haut und nistete sich in meinem Herzen ein. Es war das schönste Geräusch, das ich je gehört hatte. Automatisch musste ich noch breiter lächeln.
... nur jetzt war das Konzert leider vorbei. Ich seufzte leise, als sie alle hinter der Bühne beziehungsweise springend im Bühnenboden verschwunden waren, und wäre ihnen am liebsten gefolgt.
Jetzt war es vorbei...
...
„Looooos, ab in den Backstage-Bereeeiiich!!", jauchzte Jana und zog mich an der Hand aus der Reihe heraus.
Im Gehen schlug ich mir selber mit der Hand gegen die Stirn.
Mein Gott, manchmal war ich wirklich blöd. Ich hatte allen Ernstes vergessen, dass wir ja die VIP-Tickets hatten.
Langsam sollte ich mal wieder zu mir selber finden und mich wieder ordnen. So durcheinander war ich noch nie in meinem Leben gewesen.
Naja, kann ja mal passieren, dachte ich fröhlich. Heute Abend konnte nichts meine Laune trüben, und ich ließ mich lächelnd von Jana durch die enge Menschenmenge zerren. Jeder stieg mir auf den Fuß, rempelte mich an oder stieß mir schmerzhaft den Ellbogen in die Seite, aber wisst ihr was? – Das machte mir heute herzlich wenig aus, es war Samstagabend, ich war auf dem One-Direction-Konzert und in ein paar Minuten werde ich ihm endlich, endlich wieder gegenüberstehen!
Du weißt trotzdem nicht, ob das nicht alles nur Show ist.
Und da war sie wieder, die kleine, aber überaus präsente Stimme in meinem Kopf.
Ebenfalls bekannt als mein Unterbewusstsein, würde ich mal sagen.
Das ist nicht wahr!
Jep, und da war Stimme Nummer zwei.
Natürlich begann jetzt schon wieder ein erbitterter Kampf zwischen den beiden, aber ich schaltete ab, denn es würde eh wieder das wiederholt werden, was ich heute schon ein paar Mal zu hören gekriegt hatte.
Ändern konnte ich trotzdem nichts an meiner Situation. Es war eben nun einmal so, wie es war. Punkt.
Ich landete wieder in der Gegenwart und nahm wahr, dass Jana und ich in einer Schlange standen. – Hää, in einer so langen Schlange? Was wollten die denn alle?!
Die Antwort bekam ich, als wir endlich nach vorne gerutscht waren. Wir wurden nochmals durchsucht (ey Leute, wo sollte ich denn jetzt eine Waffe hergezaubert haben?!), mussten ungefähr 100mal unsere Tickets vorzeigen und durften dann die Glastür passieren.
„Himmel, da wird man ja mehr durchsucht als bei einem Besuch bei Obama", murmelte ich augenverdrehend und Jana kicherte.
Super, kaum waren wir durch die Tür, standen wir wieder in der Schlange. Also irgendwie gefiel mir das hier nicht so wirklich. Ich dachte eigentlich, das wäre ein Treffen, bei dem sich die Jungs mit den Fans unterhielten und bei dem nicht so viele Fans überhaupt insgesamt anwesend waren?!
Naja, warten wir erst einmal ab.
Die Schlange bewegte sich komischerweise wirklich schnell nach vorne und ich stellte mich auf Zehenspitzen und reckte den Hals, um einen Blick auf die Jungs zu erhaschen.
Endlich sah ich sie – naja, zumindest sah ich einen halben Niall, einen dreiviertelten Zayn und eine Louis-Locke.
Nach ein paar Augenblicken, in denen wir wieder weiter nach vorne gerutscht waren, hatte ich nun den Blick auf alle fünf.
Also mich interessierte ja eh nur einer... das wusstet ihr noch gar nicht, oder? – Kleiner Scherz am Rande.
Mein Blick hatte sich so fest an Harry gesaugt und ich war zu sehr damit beschäftigt, weiter zu atmen, dass ich kaum wahrnahm, was um mich herum passierte.
Bis ich von einem jungen Kerl mit schwarzer Nerdbrille unsanft aus meiner Traumwelt gerissen wurde, der gelangweilt sagte: „Okay, du stellst dich jetzt zwischen Niall und Liam, einmal lächeln, dann wird das Foto gemacht und dann gehst du nach da drüben weiter. Dankeschön."
Er leierte diesen Satz runter und wiederholte ihn noch einmal an Jana gerichtet, nur dass sie sich zwischen Louis und Zayn stellen sollte.
Wie bitte?! Wir sollten uns hinstellen, ein Foto machen und dann wieder verschwinden?! Waaa...?!
Perplex wurde ich nach vorne geschubst und wäre beinahe Louis in die Arme gefallen, wenn ich mich nicht im letzten Moment noch gefangen hätte.
„Hoppla, Sam, nicht so eilig", sagte er zwinkernd und grinste mich an.
Ich stellte mich benommen zwischen Niall und Liam und spürte Harrys Blick auf mir. Ich verzog mein Gesicht schnell zu einem Lächeln, ehe der grelle Blitz erschien.
Ich wollte schon nach links weitergehen, dorthin, wo dieser Nerdie-Brillen-Mitarbeiter hingezeigt hatte, aber eine Hand hielt meinen Ellbogen fest.
„Sam! Ich würde dich niemals ausnutzen! Ehrlich! Das mit Taylor war n-..."
„Entschuldigung, Kleine, du musst jetzt bitte gehen, hier drüben bekommst du noch das Fanpaket und..."
Die Stimme verschwand aus meiner Wahrnehmung, aber trotzdem wurde ich urplötzlich und unbarmherzig weg von Harry gezerrt.
Einfach so.
Ohne dass er oder ich was dagegen machen konnte.
Ich wurde in einen anderen Raum gezogen. Hinter eine neue Glaswand. Ich hasse nicht nur automatische Schiebeglastüren, sondern einfach Glastüren im Allgemeinen.
Ich hatte meinen Kopf immer noch nach hinten gedreht und sah, wie Harrys Arm immer noch nach mir ausgestreckt war, und ich konnte in seinen Augen lesen, dass er mir hinterherlaufen wollte, aber ihm wurde ein neues Mädchen in den Arm gedrückt, mit der die fünf jetzt abgelichtet wurden.
Ich lenkte meinen Blick trotzdem nicht von ihm ab. (Vielen Dank, Glasscheibe, dass du durchsichtig bist.)
In dem Raum, in dem wir uns jetzt befanden, ging es drunter und drüber. Alle kreischten und weinten, weil sie gerade ein Foto mit One Direction gemacht hatten und nun auf den Ausdruck um den riesigen Drucker herum, der auf Hochtouren lief und neben dem ein weiterer, gestresster Mitarbeiter stand, warteten.
Das kümmerte mich aber alles herzlich wenig.
Ich stand an der Glasscheibe und starrte hindurch zu Harry.
Ich konnte mein Herz schon förmlich sehen, wie es mir entflog und in seiner Hand landete.
Es gehörte ihm. Es würde immer ihm gehören, es würde nie für einen anderen als für ihn schlagen.
Als das Mädchen, mit der sie eben ein Foto gemacht hatten, ebenfalls in diesen Raum rübergeschickt wurde, sprach Liam kurz mit dem Kerl, der mich angepflaumt hatte, und die Jungs lösten sich auf, damit jeder etwas trinken konnte, wie ich im nächsten Moment wahrnahm.
Ich hatte immer noch meine Hand an die Scheibe gelegt und sah Harry an, dessen Blick auch sofort in meine Richtung sprang. Allerdings nahm er mich in dem Getümmel, das hinter mir herrschte, nicht wahr, weil ich das einzige Wesen in diesem Raum war, das sich nicht bewegte. Sein Blick wanderte unruhig hin und her und er suchte die Menge der Mädchen mit den Augen nach mir ab.
„Harry...", flüsterte ich und es fuhr mir eiskalt den Rücken hinunter.
Bitte sieh mich, bitte bitte bitte, bitte schau zu mir her...
Und als hätte er meine Gedanken gehört, landete der Blick seiner grünen Augen endlich auf mir. Im nächsten Moment setzte er sich in Bewegung und kam auf mich zu. Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich hatte ihm vorhin nicht sagen können, dass ich wusste, dass das mit Taylor nicht echt war! Verdammt!
Ich war gerade total verzweifelt, ich wusste nicht, wie ich das gerade biegen sollte, damit er wusste, was ich dachte!
Komm schon, Sam, lass dir etwas einfallen!...