Sam
Ich stürmte in Percy's Zimmer, ihm hinterher, bevor er die Tür ganz schließen konnte. Sie knallte im selben Moment ins Schloss, in dem ich seinen Kragen zu fassen bekam. Fassungslos presste ich den Geschäftsführer von Moreau Enterprise gegen die Wand seines Zimmers. Ein Arm gegen seine Brust hielt ihn in Schach, während ich schwer Atmend meine fassungslosen Worte hervor brachte: »Was zum Teufel, sollte das?« Als würde er nicht ganz realisieren, was hier passierte - Ich, mein Arm, die ganze Situation - blinzelte er mich an, »Was?« Ein kehliger Laut entkam mir, als er dumm spielte. »Du kannst dich nicht einfach-?!«
»Die Wahrheit sagen?«, höhnte er und lehnte seinen Kopf ein Stück zu mir - eine stumme Herausforderung. »Ehrlich sein? Weißt du, für manche Menschen ist das ziemlich schwer.«
Ich knirschte mit den Zähnen, ignorierte seinen bissigen Kommentar. Ich war hier der, der wütend war. So viel Scheiße musste ich über mich ergehen lassen, nur um Sinclairs Anerkennung zu gewinnen, damit ich ihn ins Rennen bringen konnte. Und er? Er trampelte darauf herum wie ein gelangweiltes Kleinkind! »Du-« ich schnappte nach Luft. »Ich habe nicht so viel getan, damit sie dich überhaupt nur in Betracht ziehen, nur damit du da drinnen deine Ego-Show abziehen kannst!« Von meiner Wut unbeeindruckt, legte er den Kopf schief, »Ego-Show? So nennst du das also?«
Ich verstärkte meinen Griff, die Nähe unserer Körper ignorierend. Die Wärme in meinem Blut stammte einzig und allein von dem Zorn in meinen Adern. Nichts weiter. »Du hast dich dort drinnen gerade geoutet! Weißt du, was das für Folg-« Percy lehnte seinen Kopf auflachend gegen die Wand hinter ihn. »Ich weiß, dass sie Homophob sind, Sam. Und ich weiß, dass es noch mehr Menschen sein werden, die mir begegnen werden!« Ich verkrampfte, biss die Zähne zusammen.»Du hättest das nicht tun müssen!«, zischte ich, doch es klang mehr wie ein Flehen. Er lächelte schwach, als sein Gesicht einen fast schon mitleidigen Ausdruck annahm. »Du bist immer noch dafür, dass ich so tue als wäre ich wer anders.« Vehement schüttelte ich den Kopf. Es ging nie darum, wer er war. Sondern was die Welt daraus machte. Was sie ihm antun würde. »Nein, ich will nur nicht, dass dich jemand verletzt, nur weil, du-«
»Weil ich was?«, zischte er, seine Augen gefährlich aufblitzend. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als er die Hand hob. »Vergiss es!« , stieß ich hervor seine Bewegungen nicht aus den Augen lassend. »Nein, Sammy.« raunte er und legte seine Fingerspitzen an mein Kinn. »Sprich es aus.«, forderte er und ich hielt die Luft an, als sein Daumen sanft über meine Unterlippe streifte. »Ich steh' auf Männer.«
Ruckartig ließ ich ihn los, taumelte zurück in den Raum. Panisch rieb ich mir über die Brust, wandte mich von ihm ab. »Weiß Sinclair, dass du ebenfalls schwul bist?«, fragte er, als er mir in den Raum folgte. Schnaubend hob ich den Kopf. Dachte er etwa, dass war so etwas, dass man beim Bewerbungsgespräch raushaute? »Ich habe nicht das Privileg mich jedem zu outen.« erklärte ich. Ich brauchte jede Chance, den ich kriegen konnte. Ja, ich war gut in meinem Job. Aber was war schon Talent in Anbetracht, eines jahrhundertealten Hasses? »Mein Nachname hat kein Gewicht. Ich-
»Du hast dich bei Moreau geoutet.«, rief er und deutete auf sich. »Wärst du dort geblieben, hättest du dich nicht verstellen müssen!«
»Verstellen?«, entkam es mir entsetzt.
»Wie nennst du es dann?«
Selbstschutz? Eine Absicherung? Mir meine Krawatte glatt streichend, ging ich ein paar Schritte im Raum auf und ab, »Ich trenne Privatem vom Beruflichen.«
»Ja,« Percy schnaubte. »Darin warst du ja schon immer besonders gut.«
Der Seitenhieb war wahr, schmerzte aber dennoch. Verletzt blieb ich stehen, spürte wie meine Hände sich verkrampften, »Du beschissenes Arschloch!« keuchte ich. » Siehst du nicht, was für eine Chance du degrade einfach weggeschmissen hast!« Denn darum ging es hier eigentlich. Nicht um uns - sondern um diesen beschissenen Deal. Percy riss sich die Krawatte von Hals, schmiss sie auf die Matratze, »Mich interessiert dieser Deal nicht!«
»Das sollte er aber!«
»Warum kümmert dich das überhaupt?« brüllte er. »Du bist nicht mal mehr mein Assistent!« Seine Brust hob und senkte sich schnell, als die Worte den Raum mit einer seltsamen Spannung füllten. Ich sah zu meinen Füßen. Er hatte Recht. Das war ich nicht mehr. Percy ging einen Schritt auf mich zu. »Oder gibt es da noch etwas anderes?« begann er und blieb nicht stehen. Um den Abstand zwischen uns zu wahren, wich ich zurück. »Einen weiteren Grund warum dir das Ganze hier so wichtig ist?« Unruhig schüttelte ich den Kopf, »Percy-«
»Denkst du, ich sehe es nicht?«, seine Schritte waren Zielstrebig, als hätte er kein Interesse daran, stehen zu bleiben. »Wie du mich ansiehst?«
»Das haben wir doch schon geklärt. Ich-«
»Ja, du kannst mich nicht lieben,« spuckte er hervor. »Was auch immer das heißt.« Ich krachte gegen die Wand. »Aber ich denke, du bist in dem Aspekt nicht ganz ehrlich.« Endlich blieb er ebenfalls stehen. Einen Schritt vor mir, sein Atem auf meiner Haut. »Was meinst du?«
»Du kannst das noch gerade biegen.«, versuchte ich vernünftig zu denken. Es war noch nicht zu spät. Ich würde mir irgendwas einfallen lassen. Irgend eine Entschuldigung. »Erzähl ihnen von Milena. Sag ihnen-«
»Was?« brummte er. »Da sich sie nochmal heiraten werde? Den gleichen Fehler nochmal begehe?« Ich verzog das Gesicht, »Das wäre kein Fehler. Sie-!«
»Sie ist wieder gegangen, Sam.« Ich blinzelte. Verstand nicht. Sie... Sie war gegangen? »Was?« Percy drückte sich seufzend die Brille zurecht.
»An dem Tag an dem Darcy abgehauen ist? Sie ist wieder verschwunden. Hat dir Darcy nichts davon erzählt? Ich dachte ihr telefoniert?« Ich schüttelte benommen den Kopf. »Ja.Nein. Ich- Sie hat es nie erwähnt.« Und ich hatte nie gewagt nach den beiden zu fragen. Aber ... die ganze Zeit über?
Percy zuckte seufzend mit den Schultern, »Naja, sie ist noch in der Stadt, ruft ein paar Mal an, aber... Scheint als wäre sie nicht die einzige, die genug von uns hatte.« Ich schnappte nach Luft, versuchte das zu verstehen.
Mein Puls war nun besorgniserregend schnell. Das konnte nicht sein. »Nein.«, entkam es mir, als würde ich es so ungeschehen machen. Ein Schwall Schuld vernebelte meine Sinne. Ich- was sollte ich jetzt machen? Wie konnte ich-? Panisch packte ich seine Schultern, schüttelte ihn sachte durch, »Das kannst du nicht machen! Ihr solltet- Du solltest ihr nochmal eine Chance geben und Darcy- Sie und Darcy-? Alles hätte-!«, ich bekam kaum noch Luft. Seine Augen weiteten sich erschrocken. »Sam?« Meine Hände krallten sich in den Stoff seines Hemdes. »Ihr hättet eine Familie werden sollen, verdammte Scheiße!« brüllte ich. »Ihr hättet glücklich werden sollen! Das war doch der Gabze Sinn dahinter! E-es kann doch nicht sein...« Ich starrte ihn an, starrte meine Hände an. Ließ ihn los, »Fuck!«
»Sam.«, meinte er beruhigend, »Das funktioniert so nicht. Das muss du doch wissen.« Nein, verdammt! Er verstand es nicht. »Aber es hätte so funktionellen sollen! Wenn schon nicht ich, sollte wenigstens Darcy...« Seine Stirn legte sich in Falten.
Im nächsten Moment war es sein Arm, der mich gegen die kühle Wand drückte, sein Gesicht das Zentimeter vor meinem wutverzerrt schwebte, »Verdammte Scheiße! Warum ist es so wichtig, dass Milena in unserem Leben bleibt!«
»Weil es eben so ist!« schrie ich und versuchte ihn zurück zu schubsen. Er drückte mich nur fester zurück. »Ist das der Grund?« brachte er zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor. »Warum du mit mir Schluss gemacht hast? Damit ich zu ihr zurück gehe?« Ertappt knirschte ich mit dem Kiefer, »Percy, Du-«
»Bist du wirklich so dämlich!?«, brüllte er mir entgegen. Eine sängende Wut kroch in meine Knochen. Ich tat das hier für ihn! Ich tat das hier für seine Zukunft! Ich tat alles für seine Zukunft! »Du hast ja keine Ahnung!«, brüllte ich zurück. »Warum interessiert du dich dann so sehr für uns, hm?«, höhnte er und meine Sicht bekam einen toten Schleier. »Ich-«
»Hm? Nun sag schon! Wenn du so einfach aus unserem Leben gehen konntest!«, höhnte er und ich hörte ein Surren in meinen Ohren. Dachte er das? »Es war nicht einfach!« schrie ich ihm entgegen. Erneut drückte er mich zurück. Erneut krachte ich gegen das Weiß. »Aber du hast es getan!«, klagte er, mit purem Schmerz in der Stimme. Voller Wut packte ich ihn, wirbelte ihn herum und drückte ihn wieder gegen die Wand, spürte das Blut auf meiner Zunge, »Ja, weil ich dich liebe, verdammte Scheiße!«
Wie ein Schuss verhalten die Worte. Erschrocken weiteten sich seine Augen und ich spürte wie meine Wut augenblicklich verblasste. Ich ließ ihn los, taumelte zurück. Shit.
»Ich wusste es.«, raunte er und ließ mich nicht aus seinen Augen. Mit zitternden Fingern fuhr ich mir durch die Haare. Shit, ich- Ich hatte es ruiniert. Jetzt war alles umsonst. Wehmütig sah ich ihn an, »Percy, ich-
»Und du dachtest mal wieder, dass du diese ganze Entscheidung allein treffen konntest? Das wenn du mir das Herz brichst, ich eine beschissene Bilderbuch Familie gründe?«, keuchte er. Mit einem bleierneren Gefühl sah ich hinaus zum Fenster, brachte es nicht über mich, ihn jetzt noch anzusehen. »Du solltest mich hassen.«, stellte ich klar. Percival lachte auf. »Hassen? Nein, ich sollte eher Mitleid mit dir haben. Denn du hast den größten Dickschädel des Jahrhunderts.« Er trat auf mich zu und ich schüttelte den Kopf. »Das ist nicht lustig, Percy.« Wieder, blieb er nicht stehen. Schritt erbarmungslos auf mich zu. Er packte mein Gesicht. »Verdammt richtig.«
Er riss mich an sich, ließ mir keine Zeit mehr zu denken - zu atmen, zu sein. Er küsste mich und ich zerfloss. Alles in mir schien zu zerfallen, als wäre die Spannung in meinen Muskeln, meine Zweifel, meine Ängste, alles, lediglich ein Konstrukt aus bodenlosem Sand.
Seine Hände krallten sich in meine Haare, hielten mich bei ihm. Ich küsste ihn zurück, wusste nicht, was hier eigentlich passierte. Hatten wir nicht gerade etabliert, dass er mich hassen sollte? Sachte schob ich ihn zurück, »Hmpfh- Was?« Percy grinste gegen meine Lippen. »Ich küsse dich, Sammy.« Das hier war nicht real. Konnte es nicht sein. Zittrig holte ich Luft. »Warum?«
Sanft legte er seine Hände an meinen Hals, seine Lippen auf meinen verweilend. »Weil du mir gerade deine Liebe gestanden hast, du verdammter Vollidiot!«