Nachts sind alle Katzen grau

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Zierliche Finger packten den kühlen Lederstoff am bebenden Oberarm des sichtbar aufgewühlten Vampirs und versuchten diesen von dem kreischenden, um sich strampelnden Kind loszureißen. „Dettlaff! Hör sofort auf damit! Siehst du denn nicht, dass es nur ein kleines Kind ist?!" Noch trunken vom Schlaf, erzielte der Ausruf von Livia nicht den gewünschten Effekt und ging neben den panischen Schreien des Kindes unter.

Der Angesprochene bleckte die Zähne und fauchte Livia wie ein wildgewordenes Tier an, während er sich mit einer fließenden Bewegung von ihrem Griff befreite. Das Herz der jungen Frau setzte bei diesem bestialischen Anblick für einen kurzen Moment aus, während sie, mit weit aufgerissenen Augen, nicht in der Lage war ihren Blick von Dettlaff abzuwenden. Die verängstigte Reaktion der jungen Alchemistin ließ den Vampir jedoch kurzzeitig innehalten, was dem vermeintlichen Opfer nicht entging. Mit überraschender Schnelligkeit biss das Kind in Dettlaffs Unterarm, wand sich aus dessen eisernem Griff und rannte Hals über Kopf aus dem Raum die knarzende Treppe hinab in das Erdgeschoss.

Als Dettlaff sich aufrichten wollte, griff Livia erneut nach dessen Oberarm und versuchte ihre Angst vor ihm zu unterdrücken. Das Zittern ihres Körpers verriet dennoch ihre Furcht, während bereits vereinzelte rote Rauchschwaden den Vampir umgaben. „Dettlaff, ich bitte dich! Was ist hier los?" Seine weiß transformierten Augen ruhten auf ihr, während er sichtbare Probleme hatte, seine Wut zu kontrollieren. „Du wurdest im Schlaf angegriffen und lässt nun dieses Wesen entkommen!"

Verwirrung und Ratlosigkeit breitete sich im Gesicht der Alchemistin aus, während sich auf ihrer Stirn nachdenkliche Falten ausbreiteten. „Das war doch nur ein Kind." „Kein Menschliches." Ehe Livia etwas erwidern konnte, drang aus dem unteren Stockwerk eine helle mädchenhafte Stimme empor, die ihren Ärger lautstark kundtat. „Was für ein Rüpel! Das werde ich ihm noch heimzahlen! Der soll sich mir noch einmal nähern, dann stutze ich ihm seine haarlosen Flügel! Er darf kostenlos in meinem Haus wohnen und benimmt sich wie ein wildgewordener Ertrunkener! Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhh! Tausend Furunkel soll er auf seinem weißen Arsch bekommen und nie wieder los werden! Na warte!..." Die boshaften Verwünschungen gingen unentwegt weiter, während Livia weiterhin verdattert Dettlaff anblickte. Ein tiefes Knurren entfuhr ihm, während er, beinahe grob, mit seiner Klauen besetzten Hand, Livias schmale Schulter zur Seite stieß. „Ich bin gleich wieder da."

„Nein, das wirst du nicht! Ich werde gehen!" Die nahezu erdrückende Aura des Zorns, welche den Vampir umgab, verdichtete sich noch mehr und schien greifbar zu werden. Doch ehe er die Chance bekam, diese gegen Livia zu richten, striff sie dessen Klaue von ihrer Schulter und rannte aus dem Raum. Die Blondhaarige hörte hinter sich den wütenden Aufschrei von Dettlaff, während sie, bereits jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe herunter hastete. Sie musste nicht lange nach dem ungebetenen Eindringling suchen. Die Verwünschungen des kleinen Mädchens hatten nicht nachgelassen und hätte Livia keine Angst gehabt, dass jeden Augenblick ein in Rage geratener höherer Vampir ihr Haus in seine Einzelteile zerlegen würde, müsste sie über die ein oder andere Aussage schmunzeln.

„... Krallen stutzen, sodass er sich nicht mehr befriedigend den Arsch kratzen kann, wenn es dort juckt! Es kann schließlich nicht jeder wie ..." Die helle Stimme gefiel Livia und beim näheren Herantreten hob sie beschwichtigend die Arme. „Hey, es tut mir leid, dass Dettlaff dich so grob angepackt hat. Aber...,", die Alchemistin stand nun direkt hinter dem kleinen Kind, ging gemächlich in die Hocke und sprach in einem möglichst sanften Ton weiter, „vielleicht würdest du mir verraten, was du in unserem Haus gesucht hast?"

Livia hörte das Kind laut, theatralisch ausschnaufen, ehe es sich ihr zuwandte. Riesige Kulleraugen, welche fast ausschließlich aus einer schwarzen Iris zu bestehen schienen, eine ungesund wirkende, blasse Hautfarbe, das Gesicht im starken Kontrast zu dem kindlichen Körper faltig, lediglich ein altes Laken als Kleid und ein Blätterkranz mit einem Gänseblümchen rundeten den unerwarteten Anblick, der sich der Alchemistin bot ab. Erst in diesem Moment dämmerte Livia, das Dettlaff bereits im Vorfeld erwähnt hatte, dass es kein menschliches Kind sei und bereute ihr unüberlegtes Handeln.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 18, 2020 ⏰

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