Teil 2 - 4

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Es war an einigen Stellen so eng, dass Will seitwärts gehen musste, und das Gefühl hatte, als wollten ihn die dunklen Felswände zerquetschen, doch er schritt mutig voran.
„Also wenn diese Höhle hier liegt", murmelte er, „dann hat sie die Tarnung als alte Miene definitiv nicht nötig. Hier hin verläuft sich doch sowieso kein Schwein!"
Endlich hatte er sich durch die letzte Biegung gezwängt, da sah er ihn auch schon; der Höhleneingang war in etwa so breit, dass ein Pferd bequem darinstehen konnte, und genauso hoch. Massive Holzbalken waren so in die Öffnung gestemmt worden, dass es aussah, als würden sie die Wände abstützen, und Schienen führten einige Meter aus der Höhle hinaus. An den Wänden waren zahlreiche Schilder angebracht worden, deren Schriftzüge vom Regen und der Hitze fast unleserlich gemacht worden waren. Wegbleibe... stand dort, ...ensgefahr und Einsturzgefä...det.
Zudem war der Eingang mit einigen Holzplanken versperrt worden.
Will staunte. Die beiden Herumtreiber mussten sich vor all diesen Jahren einige Mühe gegeben haben, die Miene echt aussehen zu lassen. Doch nun würden auch all diese Warnhinweise ihn nicht daran hindern können, die Höhle zu betreten.
Er löste einige der Planken, und kletterte durch das so entstandene Loch in die Höhle. Darin war es schon nach einigen Metern stockdunkel.
Verdammt.
Das hatte er nicht bedacht.
Aber zumindest stand auf jeden Fall fest, dass das hier die gesuchte Höhle war.
Will verließ sie wieder, wobei er noch die restlichen Bretter entfernte, und legte eine Hand an den Mund.
„Mister und Misses Hewitt, ich habe die Höhle gefunden. Sie können kommen, es besteht keine Gefahr!"
„Haben verstanden!", rief Mister Hewitt von der anderen Seite. Man hörte, wie das Paar den Bauch einzog, als sie einander durch den engen Spalt bugsierten, dann erschienen die beiden kurz darauf auf Wills Seite des Spalts.
„Da ist sie ja!", sagte James erstaunt.
„Natürlich.", antwortete Will, „oder denken Sie, ich lüge Sie an?"
„Keineswegs, so etwas würde ich ihnen nie unterstellen. Ich bin ja froh, dass sie sie wirklich gefunden haben."
Will kratzte sich am Kopf. „Es gibt nur ein kleines Problem... Es ist da drin stockduster, und keiner von uns hat eine Fackel dabei."
„Ha!", rief James, „dem kann ich Abhilfe schaffen!"
Er kramte kurz in seiner ledernen Umhängetasche, und beförderte ein merkwürdiges Konstrukt zum Vorschein. Es war ein etwa unterarmlanger Glaszylinder mit metallenem Griff, in dessen Innerem sich ein Glasspirale wölbte.
James Hewitt grinste schelmisch, was Will in der Zeit, in der er ihn kannte, noch nie von ihm gesehen hatte, als er den seltsamen Apparat hochhielt, und sich das Sonnenlicht in ihm brach.
„Nach einer Fackel sieht mir das nicht gerade aus. Was ist das für ein Teil?", fragte Will, und trat einen Schritt näher, um das Gerät zu begutachten.
„Das Teil ist eine große wissenschaftliche Erfindung von Herr Rümkorff, seines Zeichens Erfinder. Es handelt sich um eine Lampe, welche tagelang leuchten kann, ohne dass das Gas nachgefüllt werden muss."
Er drehte ein kleines Ventil am unteren Ende der Lampe, und ein schwaches, bläuliches Licht glomm in der Spirale auf.
„Das ist ja...", murmelte Will baff. „Woher haben sie solche genialen Erfindungen?"
„Tja, es hat so seine Vorteile, als Agent der Regierung zu arbeiten. Nun denn", sagte James, und drehte sich zur Höhle, „lasst es uns hinter uns bringen!"
Zügigen Schritts ging er voran, und übernahm somit sogleich die Führung, was Will nicht wirklich ganz geheuer war.
Hoffentlich traf der Mann aus Hampton nicht noch eine dumme Entscheidung, zumal sie in der Höhle aufpassen mussten, dass sie in keinen einsturzgefährdeten Gang gingen. Zwar waren die Schilder nur zur Abschreckung am Eingang platziert worden, das hieß aber nicht, dass sie im Laufe der Jahre nicht an Wahrheitsgehalt gewonnen hatten.
Schon nach einigen Metern konnte man im nun stark blau schimmernden Lampenlicht erkennen, dass die Schienen nach nur wenigen Metern endeten. Auch sie waren reine Attrappe.
Will ging weiter, vor ihm der enthusiastische James, hinter ihm Sarah.
Der Schein der surrenden Lampe erhellte einen erstaunlich großen Bereich, und tauchte ihn in ein kühles Blau.
Der Weg führte sie immer tiefer ins Gestein, verzweigte sich immer mehr, und mehr als einmal liefen sie in eine Sackgasse.
„Das ist ja interessant.", wisperte James nach einer Weile, „Diese Gänge sind viel länger als ich vermutet habe. Aber wie sollen wir nun den Ort finden, wo Sarahs Vater die Waffen versteckt hat? Wir könnten hier noch Stunden umherlaufen, ohne zum Ziel zu kommen."
„Sei's drum. Dann finden wir das alte Gerümpel eben nicht. Lasst uns gehen, bevor wir uns hier drinnen noch verirren.", erwiderte Sarah harsch.
„Was ist denn in Sie gefahren? Ich denke, Sie sind aus einem anderen Bundesstaat gekommen, um hier die Waffen zu suchen, und jetzt wollen sie auf einmal umkehren? So kurz vor dem Ziel?", fragte Will verständnislos.
„Ich-", sie musste schlucken, „ich mag Höhlen nicht allzu sehr. Mir wird immer etwas mulmig zumute, wenn ich unter der Erde bin."
Ihr Gatte ging zu ihr, und legte ihr zur Beruhigung einen Arm auf die Schulter.
„Wenn du willst, bringen wir dich nach draußen, wo du auf uns warten kannst."
„Nein!", erwiderte sie scharf, „ich werde euch begleiten. Entweder Alle oder Keiner!"
Ihr rundes Gesicht wirkte entschlossen, es sah so aus, als wollte sie sich von ihrer Angst nicht unterkriegen lassen.
Sie wollte gerade weiter gehen, da meldete sich plötzlich Will zu Wort.
„Das trifft sich gut, denn ich denke, ich habe soeben einen Hinweis gefunden!"
Er nahm Mister Hewitt die Lampe aus der Hand, und richtete ihren Schein auf eine Stelle an der glatten Wand.
Verdutzt sahen die beiden ihm dabei zu, wie er mit dem geschickt ausgerichteten Lampenlicht eine Gravur in der Wand zum Vorschein brachte. Vorher war sie nicht zu sehen gewesen, weil das Licht frontal auf sie gefallen war, doch als sich Mister Hewitt zu seiner Frau bewegt hatte, war auch die Lichtquelle gewandert, und die Einkerbung in der Wand als Schatten erkennbar geworden.
Es war ein schlichter Pfeil, der in die Richtung zeigte, aus der sie gekommen waren.
„Ein Wegweiser!", jubilierte Will.
„Tatsächlich.", stellte James fest, „aber wohin zeigt er? Vom Waffenlager weg, oder dorthin?"
„Tja, das werden wir gleich sehen.", erwiderte Will, und übernahm sogleich mit der Lampe die Führung.
Nun endlich einer Fährte folgend, marschierten sie zielstrebig voran, und stießen auf immer mehr Pfeile, die alle an der linken Wand in etwa Augenhöhe angebracht waren. Daniel Brookchurch hatte wirklich an alles gedacht.
Die Drei eilten fast im Laufschritt um eine Biegung des Ganges, als Will, wie zur Säule erstarrt, abrupt stehenblieb, was das Ehepaar Hewitt zu spät bemerkte, und ihm ungebremst in den Rücken stolperte.
Augenblicklich beschleunigte sich der Herzschlag von jedem der Drei wie ein, von der Hornissen gestochenes Pferd, als sie den Grund dafür sahen.
Vor ihnen stand niemand anderes als die falsche Winston Schwester Julia, immer noch ihr blassrosa Kleid tragend, die den auf Will gerichteten Revolver demonstrativ klicken ließ, und boshaft grinste.
Hinter ihr wurde sie von dem Schrank überragt, der ihr bulliger Bruder Jimmy war.
„Buenos dias, amigo!", grüßte sie.

WILL BECKS -- Und die Greenhorns von Crimson RockWhere stories live. Discover now