Teil 2 - 3

3 0 0
                                    

„Nun, wo soll ich anfangen...", überlegte Will, da kam ihm Miss Hewitt zu Hilfe.

"Ich bin seine Tochter."

Verblüfft sah Mister Miller sie an. „Du bist seine Tochter? Daniel hat mir mal ein Bild von dir gezeigt, als er noch hier war. Meine Güte bist du groß geworden! Damals warst du ja noch in Windeln gewickelt!"
Will konnte sehen, wie sie etwas rot wurde. „Ja, ähm... Wie auch immer. Wir sind hier, weil sie in den Aufzeichnungen meines Vaters erwähnt werden. Angeblich war er ein guter Freund von ihnen."
Mister Miller nickte energisch. „Jawohl, das stimmt. Daniel und ich waren ein perfektes Gespann, und immer auf zack; haben uns immer in den Badlands rumgetrieben, Daniel und ich. Aber das is' schon lange her."
„Kann es sein, dass sie damals während ihren gemeinsamen Ausflügen auf eine Höhle gestoßen sind?", wollte Sarah das Gespräch weiterführen, da kam Cindy mit einem vollen Glas wieder zur Tür herein, und stellte es vor ihrem Vater ab.
„Da, dein Bier. Darf's sonst noch was sein?", fragte sie sarkastisch, doch ihr Vater ging ernsthaft darauf ein.
„Wo du gerade danach fragst, ich glaub, die Pferde unserer Gäste brauchen noch etwas Wasser."
Ungläubig sah Cindy ihn an. „Das darf doch wohl nicht wahr sein. Ich bin doch keine Bedienung!", rief sie, doch gab schlussendlich nach, und ging zu den Pferden.
Als sie außer Hörweite war, wandte sich Mister Miller wieder zu seinen Gästen.
„Tut mir leid, wenn ihnen das etwas zu streng vorkommt, aber Lucinda sollte das, was ich ihnen gleich sage, nicht unbedingt zu Ohren bekommen. Es ist nämlich so: Daniel und ich haben damals tatsächlich ne Höhle gefunden, und sie..."
Er sah sich verlegen um, und kratzte sich etwas verunsichert am faltigen Hals; Gesten, die Will so gar nicht von dem alten Mann gewohnt war.
„Ihr müsst wissen, wir waren damals beide knapp bei Kasse, und ham' Geld gebraucht. Also haben wir die Höhle als einsturzgefährdete Miene getarnt, und dort Schmuggelware versteckt."
Er schlug beide Hände flach auf den Tisch. „So, jetzt ist es raus!"
Kurz sagte niemand etwas. Dann räusperte sich James.
„Können sie uns eventuell den Weg zu dieser Höhle zeigen?"
Miller, der gerade einen kräftigen Schluck aus seinem Glas genommen hatte, setzte dieses ab, und rülpste so laut, dass er kurz wie ein Drache zur Brunftzeit klang. „'Schuldigung. Den Weg würd ich euch ja gerne zeigen, wenn's euch weiterhilft, aber ich kann leider nicht mehr länger als 'ne halbe Stunde im Sattel sitzen, seitdem mich vor ein paar Jahren ein Jackalope gebissen hat. Verdammte Biester, diese Viecher sag ich euch!
Aber ich kann euch den Weg auch so sagen, ist nicht weit von hier, müsst ihr wissen. Die Höhle liegt in einem engen Seitengang im Narrow Valley, kurz vor der Stelle, wo dir letztes Jahr das Kalb ausgebüxt is', Will!"
Der alte Mann feixte, wobei er einen unschönen Blick auf seine Zähne freigab.
Fast ausgebüxt ist!", korrigierte Will ihn mit belehrend erhobenen Finger.
„Aber ich kenne die Stelle tatsächlich noch. Und ich glaube, ich weiß tatsächlich wo die Höhle liegen könnte!"
Als Will diesen Satz beendet hatte, kam Cindy wieder zur Tür herein.
„Na endlich darf ich mich zu euch setzen. Hab mal dringend wieder etwas Gesellschaft nötig.", seufzte sie mit einem gequälten Lächeln, und ließ sich neben Will auf einen Stuhl fallen.
„So leid es mir auch tut, Teuerste", entschuldigte sich James mit seinem besten Es-tut-mir-leid-Gesicht, „aber ich denke, wir müssen sie ein anderes Mal mit unserem Besuch beehren."
Die Drei erhoben sich, und James setzte sich den Zylinder wieder auf, den er vorher der Höflichkeit wegen abgenommen hatte.
Verdutzt sah Cindy sie mit offenem Mund und zusammengekniffenen Augenbrauen an. „Was- ich dachte, ihr bleibt noch ein Weilchen- warum geht ihr schon?"
„Es eilt!", rief Will, als er, gefolgt von dem Pärchen zur Tür hinausging, „wir kommen später wieder."
Als der Saum seines Mantels aus dem Türrahmen verschwunden war, und Hufgetrappel ertönte, drehte sich Cindy zu ihrem Vater um, der sich gerade einen weiteren Schluck genehmigte.
„Was ist denn in die gefahren?"
Schulterzuckend sah er mit großen Augen über den Rand seines Glases zurück.

Im Narrow-Valley schien die Sonne nicht zu scheinen. Als wäre dieses Fleckchen Erde von der großen Himmelsscheibe vergessen worden, lag der größte Teil dieses schmalen Tals, zwischen zwei Felswänden eingequetscht, in diffuses Licht gehüllt.
Durch diesen Graben trabte eine kleine Karawane aus drei Pferden, allen voran der erfahrene Abenteurer Will Becks. Das Klackern der Pferdehufe auf den Steinen, die nach einem neulichen Erdrutsch überall verstreut lagen, echote von den steilen Wänden wieder. Sonst war es fast still. Totenstill.
„Sind wir bald da?", fragte James auf einmal von hinten.
Will zuckte leicht zusammen, drehte sich dann im Sattel um, und zischte ihm ein „Pssst." mit passender Geste zu. „Die Felsen. Sie haben Ohren.", flüsterte er geheimnistuerisch.
„Was meinen sie denn damit?"
„Damit meine ich, dass wir nicht vorsichtig genug sein können. Auch wenn die Winstons hinter Gittern sitzen, irgendwie hab ich ein seltsames Gefühl im Bauch. Und das trügt mich nie. Naja, fast nie."
Danach war es einige Minuten lang, in denen sich James und Sarah leicht verunsichert in der Schlucht umsahen, still, bis Will plötzlich ein spitzes „Ah-a!" ausstieß.
„Was ist? Was haben sie?", zischte Sarah.
„Ich denke, ich habe den Seitengang gefunden. Hier sehen sie!"
Will deutete auf einen schmalen Seitengang, einen Riss im Felsen, der einige Meter hineinführte, und nach oben hin offen war.
„Ich denke, wir müssen von unseren Vehikeln absteigen.", meinte James, doch wartete auf Bestätigung, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
„Nun gut.", erwiderte Will. „Hoffen wir mal, dass uns die Pferde nicht ausbüxen."
Die Drei schwangen sich von ihren Reittieren und gingen zu dem schmalen Spalt im schwarzen Fels. Will zückte seine Waffe.
„Ich gehe als erstes. Wenn ich ihnen ein Zeichen gebe, kommen sie nach, in Ordnung?"
Die beiden nickten.
Will öffnete kurz den Mund, als wäre ihm gerade etwas Wichtiges eingefallen, dann fragte er: „Haben sie irgendwelche Waffen bei sich?"
James schüttelte den Kopf, doch Sarah schien das anders zu sehen.
„Wir haben beide jahrelange Übung in verschiedenen Kampfsportarten. In unseren Händen kann alles zur tödlichen Waffe werden."
Ihr Blick sah auf einmal eiskalt aus. Als würde sie diesen Worten Taten folgen lassen können.
Will nickte, sah noch einmal kurz nach oben, an den Rand des Canyons, dann drehte er sich um, und verschwand mit wehendem Mantel und erhobenem Colt im Dunkel des Felsengangs.

WILL BECKS -- Und die Greenhorns von Crimson RockWhere stories live. Discover now