Teil 2 - 2

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Der Tag war noch jung, als der Cowboy, der Gentleman und die Lady aufbrachen. Die beiden Greenhorns ritten auf schwarzen Stuten, die sie sich geliehen hatten, und stellten sich, zu Wills Überraschung gar nicht einmal so ungeschickt im Sattel an. Vor dem Aufbruch hatten sie noch die Klamotten aus Wills Unterkunft geholt, welche noch letzte Nacht von ihm und seinen Freunden Peter und Joe dorthin gebracht worden waren. Nun trugen die beiden Neuankömmlinge nicht mehr nur ihre Unterwäsche, sondern darüber noch die ein oder andere Schicht Kleidung. James Hewitt hatte sich mit edlem Reisemantel, Zylinder und Gamaschen ausgestattet, sowie mit einem adlerköpfigen Gehstock, den er in Wills großen Satteltasche verstaut hatte, ausgestattet; Sarah hingegen trug ein blütenreines Hemd, darüber eine beige Weste, und, was den Cowboy sehr überraschte, eine Hose! Er hatte ungläubig den Kopf geschüttelt, als er das gesehen hatte, und gemeint „Seltsame Sitten, die sie da in Virginia haben. Eine Frau in Reiterhose..."
Doch er musste auch zugeben, dass ihm das etwas gefiel, wie die Frau auf Konventionen pfiff.
Was auch pfiff, war der Wind, der ihnen um die Ohren peitschte, als sie durch die Prärie galoppierten. Die Sonne im Rücken, fielen die langen Schatten ihrer Pferde immer vor ihnen auf den sandigen Boden, und schienen ihnen vorauszueilen.
Nach etwa einer Stunde kam endlich ein Zaun in Sicht, an dem entlang sie ihre Pferde traben ließen, bis sie er an einem großen Gebäude endete, das aus einigen langen Holzplanken zusammengezimmert war, und den Witterungen schutzlos ausgeliefert mitten im Nirgendwo stand. Auf einem eingezäunten Bereich neben dem Haus grasten einige Pferde, deren glattes Fell in der warmen Vormittagssonne zu glänzen schien.
Das Trio stieg von ihren Pferden ab, und band sie in der Nähe ihrer Artgenossen an einigen Zaunpfählen fest.
„Mister Will", wandte sich Sarah mit einem leicht verunsicherten Blick an Will, „ich kenne mich nicht sehr gut mit den Gepflogenheiten aus, die sie hier in dieser Gegend haben, aber ist denn ein unangekündigter Besuch hier draußen... nun ja..."
„Ach, machen sie sich da mal keine Sorgen. Mister Miller kennt mich, für den bin ich fast wie sein eigener Sohn!", meinte Will, und nickte zuversichtlich.
Noch ehe er das letzte Wort ausgesprochen hatte, hörte man laute Schritte vom Inneren des Hauses.
„IHR VERFLUCHTEN BANDITEN! SCHERT EUCH ZUM TEUFEL IHR MISTKERLE!", rief eine krächzende, alte Männerstimme.
Geschockt wirbelten die drei Besucher herum, und blickten sowohl in den doppelten Lauf eines Gewehrs, als auch in die glasigen, zusammengekniffenen Augen eines älteren Mannes, in dessen weit geöffneten, faltigen Mund nur noch wenige Zähne zu sehen waren. Grimmig starrte sie der Alte von der Veranda aus an, auf der er stand, und mit seiner Flinte auf sie zielte.
„Na, wird's bald? Oder soll ich euch Feuer unterm Hintern machen?", blaffte der Mann sie an, und feuerte einen Schreckschuss gen Himmel ab, der die Gruppe zusammenzucken ließ.
Doch noch ehe Will seine Waffe ziehen, oder sich erklären konnte, ertönten wieder Schritte, und eine wohlvertraute Frauenstimme.
„Papa, ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht immer auf die Besucher schießen!"
Neben dem greisen Mann erschien ein oranger Wuschelkopf in der Tür. Es war Cindy, die ihren Vater um fast einen Kopf überragte, und vehement versuchte, ihm das Gewehr abzunehmen.
Der Alte grunzte, als er die Waffe wiederwillig hergab. „Eines Tages...", murmelte er in seinen grauen Schnauzer, „ich sage dir, da kommen sie zurück. Und dann wirst du mir dankbar sein, dass..."
Wofür Cindy ihm einmal dankbar sein sollte, hörten sie nicht mehr, denn sein Gegrummel verstummte, als er wieder im Haus verschwand.
„Tja, das ist mein Papa. Tut mir leid, wenn er euch erschreckt hat, er hat manchmal so seine Phasen, aber ist sonst ein ganz lieber und herzensguter Mensch. Kommt doch herein, ich kann uns einen Tee machen.", meinte die Tochter des Schießwütigen, und unterstrich ihre Worte mit einer einladenden Geste, woraufhin sie selbst ins Haus ging.
Die drei Besucher folgten ihr, allen voran Will.
„ Wenn sie für Mister Miller wie sein eigener Sohn sind, dann möchte ich nicht wissen, wie er seine Tochter behandelt!", zischte ihm James im Vorbeigehen zu.

Im Inneren des Hauses war es etwas stickig, und es stank dezent nach Pferdescheiße, obwohl der Boden ordentlich gefegt war. Zu diesem Geruch gesellte sich der von frisch aufgebrühtem Tee, den Cindy gerade in mehrere Tassen eingoss, die auf einem breiten, massiven Holztisch standen. Über dem Tisch baumelte der gehörnte Schädel eines Bisons, der sie genauso misstrauisch anzustarren schien, wie Mister Miller. Der saß am Kopfende des Tisches, und beschwerte sich lautstark über die Auswahl der Getränke.
„Lucinda Miller, wie oft muss ich es dir noch sagen? Ich will kein Kochwasser. Bring mir lieber ein Bier!"
Cindy öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder, weil sie wusste, dass mit ihrem Vater nicht zu argumentieren war, wenn er mal wieder eine seiner Phasen hatte. Sie drehte sich um und ging zum Lagerschuppen, wo das Bierfass lag.
Will, Sarah und James setzten sich, und Will begann sogleich, an seiner Tasse zu nippen. Es war Hagebuttentee. Will mochte Hagebuttentee.
„Also", setzte Mister Miller an, „warum seid ihr hier? Wohl sicher nicht, um Tee zu trinken, was?"
Er lachte gellend laut über seinen eigenen Witz, und Sarah warf ihrem Mann einen etwas verstörten Blick zu.
„Nein", antwortete Will mit einem Grinsen, „auch wenn ich sagen muss, dass er echt gut ist. Aber unser Anliegen ist leider ein anderes."
Sein Grinsen verschwand.
„Sagt dir der Name Daniel Brookchurch etwas?"
Nun verschwand auch das Grinsen auf Millers Gesicht, und seine faltigen Gesichtszüge schienen nach unten zu sacken.
„Daniel Brookchurch... Diesen Namen habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. Warum fragt ihr nach ihm?"

WILL BECKS -- Und die Greenhorns von Crimson RockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt