Die Rückkehr des Schwarzen Kriegsherren (Herr Der Ringe/Silmarillion ff)

Kapitel 32 | Ratten sind flink

Nach dem kühlen Empfang, den man ihnen bereitet hatte, wollten weder Eonwe noch Vadrion länger in Minas Tirith bleiben als notwendig.
Sie hatten sich über Nacht ausgeruht, Informationen über die Umgebung und die Befestigungen Pelargirs eingeholt und sich noch einmal ausführlich und unter sechs Augen mit Laonir unterhalten.

Der Hauptmann konnte ihnen noch ein paar spärliche Details geben.
Unter anderem erfuhren sie, dass Daenor einen Mann unter seinem Kommando hatte, der gemeinhin als der Rote Tod bekannt war und zu den besten Spionen Mordors gezählt wurde.

Bei diesem Namen musste Eonwe an den Diebstahl in Bruchtal denken, an die Professionalität, mit der dieser Einbruch erfolgt war.
Hatten sie etwa den Mann gefunden, dem Daenor sein Schwert und seine Freiheit verdankte?
Es würde ihn nicht wundern - aber zu seiner Beruhigung trug es auch nicht gerade bei.

Laonir begeleitete sie das erste Stück des Wegs nach Pelargir, denn er würde ihre Pferde zurück nach Minas Tirith bringen.
Es war Vadrions Idee gewesen, sich der Stadt zu Fuß zu nähern, und Eonwe hatte ihm ohne zu zögern zugestimmt - er glaubte kaum, dass Daenor sich auf seinem Sieg ausruhte, und keiner von ihnen wollte seinen Spähern in die Arme laufen.

Dass Daenor bereits einen ganz anderen Krieg führte, ahnte weder  Eonwe noch Vadrion, obwohl ihnen beiden Gandalfs düstere Vorausdeutungen Kopfzerbrechen bereiteten.
Also ritten sie den ersten Teil der Strecke, bevor sie ihre Pferde Laonir übergeben und sich an Pelargir anschleichen würden.

Keiner wusste, dass man sie längst entdeckt hatte.
Keiner bemerkte die verschlagenen schwarzen Augen, die sie aufmerksam beobachteten.

~

Als Daenor später die Wachhabenden befragte, konnte ihm niemand erklären, wann, wo und vor allem wie Ratte Pelargir betreten hatte.

Er tauchte eines Tages einfach auf.

Besser gesagt, eines Nachts.

Noch bevor Daenor wirklich eruiert hatte, was ihn aus dem Schlaf gerissenen hatte, stand er schon aufrecht und mit einem Messer in der Hand da, als zu allererst die alten Instinkte eines Soldaten griffen.
Erst da fiel ihm auf, dass ihn keine verdächtigen Bewegungen oder etwas dergleichen geweckt hatten.

Sondern die Tatsache, dass jemand an seine Tür hämmerte.

Als er sie öffnete, genervt und immer noch halbnackt, war er ungefähr in der Stimmung, denjenigen, der davor stand, mit bloßen Händen zu erwürgen.
"Wehe, es ist nicht wichtig", knurrte der Elb in sich hinein. Es war das erste Mal seit Wochen, dass er einigermaßen gut geschlafen hatte.
"Das ist es wirklich", erwiderte Asrán besänftigend, der ein paar Schritte von der Tür zurückgetreten war und entschuldigend lächelte.

Daenor setzte zu einer ruppigen Erwiderung an, doch da bemerkte er die kleine Gestalt, die mit verschränkten Armen hinter dem Khandrim wartete.
Ihr Gesicht war verdeckt durch die Kapuze eines zerschlissenen Umhangs, die Umrisse von Messergriffen glänzten matt im schwachen Licht.
"Ratte?", fragte Daenor verwirrt. Woher kommt der denn auf einmal?

"Denke schon", erwiderte der Späherork trocken.
"Wie...", setzte Daenor an, doch Ratte unterbrach ihn bereits: "Das kann ich später erklären, oder?"
Der Elb, der sich mittlerweile gefasst hatte, nickte und trat zur Seite.
Während Asrán die Tür wieder schloss, zog sich Daenor ein Hemd und seine Lederweste über, machte sich aber nicht die Mühe, die Schnallen zu schließen.

"Ich nehme an, Asrán hat dir erzählt, dass ich eine Seite gewählt habe", setzte er an und fuhr sich durch die Haare. Dann schließlich bemerkte er, dass etwas an dem Bild vor ihm nicht stimmte.
"Was ist mit Gorog?", fragte er. Rattes Bericht über die Vorgänge in Ithilien und dem Rest Gondors waren von sehr hohem Wert, und sie würden auch den Orkkommandanten interessieren. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb Ratte mitten in der Nacht auftauchte - damit er seine Informationen loswurde, bevor man seine Ankunft bemerkte und die Wände hellhörig wurden - Daenor war längst klar, dass nicht die ganze Garnison in dieses Vorhaben, das an Wahnsinn grenzte, eingeweiht waren.