Kapitel 52 | Die lebenden Toten - Teil 2

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"Sarodis!"
Daenor schnitt eine Grimasse, als er die Sorge und die abgrundtiefe Angst in Meras' Stimme hörte, die Hilflosigkeit und die Wut, die sie brachte.
Er kannte diese Gefühle, oh, und wie er sie kannte. Sie schrien mit den Stimmen seiner gefallenen Freunde, jede Nacht, wenn er die Augen schloss.
Und sie nun im Gesicht dieses jungen Mannes zu sehen, drehte ihm den Magen um.
"Was haben sie...diese...diese..."

"Spar dir den Atem, Meras", keuchte Sarodis, doch ihm fehlte die Kraft für seinen schroffen, spöttischen Tonfall. Das war kein Wunder.
Nicht in seinem Zustand.
Nicht mit diesem verletzten und derart ausgehungerten Körper, dass Daenor Sarodis' Rippen durch den zerfledderten Hemdstoff spürte, als er ihn aus der Zelle schleppte.

Wenn wir eher gekommen wären...nur eine Woche...
Aber eine Woche nach seinem Sturz war Daenor immer noch zu schwer verletzt gewesen, um zu kämpfen.
Und sie brauchten heute jedes Schwert.
Also waren sie gezwungen gewesen zu warten.

Daenor straffte sich und konzentrierte sich auf das hier und jetzt. Darüber nachzudenken änderte nicht das Geringste, und es half wedee Meras noch Sarodis noch irgendjemandem hier. Sie waren gekommen, um Nurn zurückzuholen, und das würden sie tun.
Vorsichtig traten sie zurück in den Gang, und er dankte ihrem Glück, nicht auf eine Wache gestoßen zu sein.
Hoffentlich verlässt uns Das Glück nun nicht.
Denn mit zwei Kriegern, von denen aber jeder einen Verletzten trug, standen ihre Chancen in einem Kampf schmerzlich gering.
Und doch war es entscheidend gewesen sich so weit aufzufächern, und die Kerker zu durchkämmen, so schnell es ihnen möglich war.

Und herumstehen veringerte ihre Gefahr nicht.
Sie mussten weiter.

Daenor und Sarodis gingen voraus, Ragga und Meras waren dich hinter ihnen. Beide taten ihr bestes, ihre Schmerzen zu verbergen, und so viel ihrer Kraft beizusteuern, wie sie nur irgendwie konnten.
Doch sie beide waren körperlich am Ende, und Daenors Sorge wuchs von Minute zu Minute.

Sie brauchten Ruhe, Verpflegung, einen Heiler.
Sarodis' Herzschlag raste in einer Geschwindigkeit, in der die einzelnen Schläge kaum mehr unterscheidbar waren, seine schweißbedeckte Haut, durch die er nur mehr und mehr dringend nötiges Wasser verlor, war so heiß, als würde sie glühen.
Er hielt nicht mehe lange so durch.

Und auch, wenn er in etwas besserer Verfassung war, Meras würde es auch nicht.
Nur noch ein bisschen weiter, flehte Daenor stumm, nur noch ein bisschen. Wir haben es bald geschafft. Wir brauchen nur noch ein bisschen mehr Zeit...ein bisschen mehr Glück...

Und dann drang der Schrei an seine Ohren.
Irgendwo aus der Tiefe des Zellentraktes, vollkommen richtungslos durch die ewig gleichen, ewig verwinkelten Gänge.
Schreie. Kampfgeräusche. Schritte, die nah und zugleich weit weg waren.
Man hatte sie entdeckt.
Und ihre Feinde konnten überall sein.
Hintee ihm stieß Ragga einen wüsten Fluch aus, und Daenor spürte, wie ihm Verzweiflung die Kehle zuschnürte.
Das war unsere einzige Chance...jetzt werden sie...

Halt.
Seit wann gab er bitte so schnell auf?
Er war immer noch Daenor Chelhathol.
Und wie absolut bedeutungslos dieser Name auch geworden war, es gab immer noch Dinge, für die er gestanden hatte.
Loyalität, Kraft, eiserner Wille.
Und diese zerbrochenen Scherben, die sein Wesen ausmachten, fingen immer noch etwas davon ein.
Also reiß dich zusammen.

Wenn sie es zu den anderen Gruppen schafften, und die auch nur halbwegs erfolgreich gewesen waren, dann war das letzte Wort noch nicht gesprochen.
"Eisklinge", ertönte Raggas angespannte Stimme von hinten, "Was jetzt?"
Auch er hatte längst bemerkt, wie kritisch diese Wendung der Ereignisse war.

Daenor verstärkte seinen Griff um Sarodis, dessen beinahe-totes Gewichz ihn mehr und mehr nach unten zog.
"Wir müssen aus diesem Ganggewirr raus und die anderen finden", stieß er hervor, und verbannte jede Emotion aus seiner Stimme. Ragga war nicht der einzige, der sich auf ihn verließ, "Unsere einzige Chance zu gewinnen, ist als Gruppe."

Die Rückkehr des Schwarzen Kriegsherren (Herr Der Ringe/Silmarillion ff)Where stories live. Discover now