Kapitel 6 | Mit Lug und Trug

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Daenor hörte die Menschen schon lange kommen.
Er lauschte auf ihren Atem, den sie ruhig zu halten versuchten, auf ihre Schritte, die durch den Boden hallten und auf das leise Klirren der verschiedenen Waffen.

Doch sie wurden erwartet.
Die Seile, mit denen die Arme des Elbs auf seinen Rücken gefesselt waren, schnitten ihm in die Handgelenke, aber er hatte selbst darauf bestanden, sie so eng zu binden.

Die Täuschung musste echt wirken.
Lasche Fesseln würden nur Misstrauen erwecken.
Auch wenn es ihm, so kurz nach seiner Befreiung, unglaublich unangenehm war, wieder irgendwo angebunden zu sein, es war ein Teil des Plans.

Sie griffen auf eine List zurück, die im Grunde relativ einfach war: 
Daenor ließ sich fesseln und spielte den Gefangenen. Er positionierte sich so, dass seine "Entführer" nicht einfach getötet werden konnten. Wenn sie dann umstellt waren und der Rest der Gruppe gefangen wurde, spielte Daenor die Rolle des dankbaren Befreiten. Sobald das Lager schlief konnte er seine Gefährten befreien und mit ihnen fliehen.

Und da es laut Asrán keine Elben in Saurons Reihen gab, würde Daenor hoffentlich auch kein Misstrauen erwecken.

Er hörte, wie sie sich um die Senke verteilten. Unauffällig stieß er Asrán mit dem Fuß an, das Zeichen, dass sie hier waren. Dann richtete der Elb seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Feinde.
Er musste ein Lächeln unterdrücken, als er sie fluchen hörte. Sie hatten bereits bemerkt, dass sie Asráns Trupp nicht einfach erschießen konnten.

Denn Asrán und seine Männer saßen direkt an den hohen Felsen gelehnt, Daenor lag quer davor, als wäre er gerade zusammengeschlagen worden, oder wäre komplett erschöpft.
In dieser Position konnten die Gondoraner keine Bögen einsetzen, ohne ihn zu töten.

Sie zögerten.
Tuschelten leise untereinander.
Diesmal konnte er sie wirklich nicht mehr verstehen.
Dann wieder Schritte.
Wieder auf sie zu.

Der Mann, der aus dem Schatten trat, war durchschnittlich groß, hatte braunes, halblanges Haar und graue Augen.
In der Hand hielt er einen gespannten Bogen.

Asrán und seine Männer sprangen auf und zogen die Waffen, taten, als ob sie überrascht worden wären.
"Ich habe mehr als zwanzig Mann bei mir, Roter Tod," sagte der Gondoraner kalt.
Er erkannte Asrán also.
Dieser bleckte die Zähne und suchte die Umgebung mit den Augen ab.

Der Mann fuhr fort, genau so, wie Daenor es gehofft hatte:
"Auch Ihr könnt nicht gegen uns gewinnen.
Lasst den Elb frei und ergebt Euch."
Asrán knurrte. "Sollten wir?"
Stieß er hervor, dann bückte er sich und hielt Daenor sein Messer an die Kehle.

Der Pfeil im Bogen des Mannes, der eben noch nach unten gezeigt hatte, richtete sich auf Asrán.
"Tötet ihn und Ihr sterbt alle. Lasst ihn frei und Ihr werdet leben."
Sagte der Gondoraner warnend.

Daenor spürte, wie sich Asráns Hand um seine Schulter krampfte, während sich das Messer, das er in der anderen Hand hielt, noch weiter seiner Kehle näherte. Der Mensch spielte seine Rolle wirklich gut.

Der Gondoraner machte einen weiteren Schritt auf sie zu, doch Asrán stieß bereits einen Fluch aus, nahm den Dolch von Daenors Hals und schnitt ihm stattdessen die Fesseln durch.

Mit einem Tritt, den Daenor mit einem gespielten Keuchen untermalte, stieß Asrán den Elben von sich weg und warf das Messer fort.
Seine Männer zögerten, bevor sie es ihm schließlich gleich taten.

Daenor hielt den Blick gesenkt, als er sich auf alle viere aufrichtete. Er sollte erschöpft und schwach wirken.
Der Elb hörte einen Befehl, und während die anderen Gondoraner aus ihren Verstecken kamen, schob sich eine Hand in Daenors Blickfeld.

Die Rückkehr des Schwarzen Kriegsherren (Herr Der Ringe/Silmarillion ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt