Kapitel 2

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Mein Arm schmerzt immer noch etwas vom Vortag. Jedoch ganz und gar nicht so schlimm wie gestern.

Langsam richte ich meine Augen auf meinen geschundenen Arm. Eine knallrote Verbrennung ziert ihn nun. Das verbrannte Fleisch hat eine bräunliche Farbe angenommen und eine rote Umrandung hebt die frische Wunde von meiner restlichen Haut ab. Direkt über ihr in weiß erstrahlt meine Narbe der vorjährigen Auslese.

Genau wie dieses Jahr ist sie nur ein Strich. Etwa sechs Zentimeter lang und ein Zentimeter breit. In ein paar Wochen würde auch diese Wunde langsam durch Narbengewebe ersetzt werden und dann für immer meinen Unterarm schmücken.

Vorsichtig streiche ich über die alte Narbe. Eine schmerzliche Erinnerung an eine erfolglose Auslese blitzt in meinen Gedanken auf. Schnell dränge ich sie zurück in den Hintergrund. Nun fällt mein Blick auf meine oberste Verbrennung. Langsam fahre ich der Kontur nach. Es ist ein kleines Dreieck inmitten eines größeren Dreiecks, das um 180 Grad gedreht ist.

Das Zeichen der Ari.

Ein jede Ari bekommt zum 12. Lebensjahr ein solches Mal. Ein Zeichen unserer Zugehörigkeit. Ein Zeichen unserer Verbundenheit. Ein Zeichen unseres Status. Ein Teil unsere Identität. Eine tägliche Erinnerung daran, wo unser Platz im Leben ist und immer sein wird. Auch die Ramir tragen ein Zeichen auf ihrem Unterarm. Ein Kreis inmitten eines größeren Kreises.

Gedanken versunken fahre ich immer und immer wieder über meine alten Narben. Als die Sonnenstrahlen sich durch das kleine Fenster kämpfen, entkomme ich meiner Trance.

Schnell packe ich mir mein Kleid, das ich gestern noch gewaschen habe und eile zum Waschraum für eine Dusche. Auch die anderen Mädchen haben sich bereit hier eingefunden. Ein fröhliches Murmeln erfüllt den Raum. Einige der Mädchen unterhalten sich aufgeregt und auch die jüngeren lauschen aufmerksam.

„Wie schön wäre es im Königshaus zu arbeiten", vernehme ich eine der Mädchen euphorisch zwitschern.

„Für den König persönlich. Was für ein Traum", schwärmt eine andere.

„Der König würde niemals Mädchen wie uns bei sich anstellen", sagt das blonde Mädchen forsch an die zwei anderen gerichtet. Dabei erntet sie böse Blicke der zwei. Ihre Aussage ignorierend schwärmen die beiden munter weiter.

Nun dreht sich das blonde Mädchen zu mir. Ich glaube, ihr Name ist Alani. Mit fester Stimme doch leise genug damit niemand es mitbekommt, sagt sie,

„Ich habe doch recht. Letztes Jahr hat es nur ein Mädchen aus dem Haus geschafft einen Käufer zu finden. Ich bin selber das dritte Mal dabei und du auch schon zweimal. Was glauben die denn, wie unsere Chancen da beim Königshaus stehen." Verachtet verdreht sie ihre Augen. Ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten dreht sie sich um und lauscht wieder dem Gespräch der zwei.

Ich denke einen Moment über ihre Worte nach. Unsere Chancen stehen wirklich nicht hoch. Doch war es falsch zu träumen? Ich selbst machte mir keine Hoffnungen.

Ohne Erwartungen kann man auch nicht enttäuscht werden.

Mein Leben hier ist kein Kinderspiel. Doch ich habe ein Dach über dem Kopf und meistens mindestens zwei Mahlzeiten am Tag. Langsam drehe ich das Wasser der Dusche aus und beginne meine Haare mit meinen Fingen zu entwirren. Danach schlüpfe ich in mein einfaches beiges Kleid, das vereinzelt geflickte Löcher schmückt und lege mein Haar in einen geflochten Zopf.

Schnell packe ich meine Sandalen und meine Papiere, bevor ich durch die Tür verschwinde. Auf der Straße herrscht ein wirres Getümmel. Menschen drängen sich alle in Richtung des großen Platzes. Auf dem inzwischen eine Empore entlang dessen kompletten Umfang steht. Mädchen in den verschiedensten Kleidern bahnen sich einen Weg durch die Massen.

Ich kann kein vertrautes Gesicht ausmachen. Nicht, dass das ungewöhnlich war. Ich kannte nicht viele in der Stadt. Ich selbst war erst vor knapp zwei Jahren hierhergekommen und bleibe meistens lieber alleine. Doch eine leichte Traurigkeit macht sich in mir breit. Gerne würde ich diesen Tag mit einem freundlichen Gesicht an meiner Seite verbringen. Um das alles etwas erträglicher zu machen.

Eilig finde ich mich an dem mir vorgesehenen Platz ein.

Gut sichtbar halte ich meine zugewiesene Nummer vor mich, 316J.

Die meisten Mädchen haben bereits ihren Platz auf der Empore eingenommen und ein bedrückendes Schweigen umgibt uns. Jedoch herrscht ein aufgeregtes Treiben unten auf dem Platz, der sich vor uns erstrebt. Etliche Bewohner haben sich eingefunden, um das diesjährige Spektakel zu beobachten. Kleine Mädchen schauen wie gespannt durch die Reihen und bestaunen die verschiedenen Kleider.

Auch, wenn wir alle Aris sind. Teil desselben Volkes. Teil derselben Abstammung. Gab es trotzdem einen großen Unterschied im Wohlstand unter uns. Obwohl wir weit vom Wohlstand unter den Arbeitgeber stehen, ist der Unterschied zwischen uns Aris groß. Einige der Mädchen tragen farbige Kleider in tadellosem Zustand. Zwar waren die Farben nicht so satt wie die der Kleidung des Auktionators von vor ein paar Tagen, jedoch heben sie sich stark von den normalen tristen Farben hier ab. Ich selbst besitze nur zwei Kleider. Beide sind sie beige und so oft geflickt das es keinen teil ohne einen Flicken gibt. Viel der Mädchen haben spezielle Kleider für diesen Tag, welche sie nur für diesen Tag tragen. Auch konnten sie sich oft eine betäubende Creme leisten für die Markierung und eine für die Schmerzen danach.

Je gepflegter das Aussehen, umso höher die Chance einen Arbeitgeber zu finden.

Plötzlich reißt eine laute Melodie mich aus meinen Gedanken und mein Blick fällt auf den Auktionator der sich langsam der Bühne nähert. Gefolgt von ungefähr hundert Männern in schwarzen, makellosen Anzügen.

Langsam verteilen die Männer sich vor der Empore, auf der wir Aris stehen und der Auktionator erreicht das Mikrofon.

„Meine lieben Arbeitgeber, Ramir und Aris. Es freut mich, dass sie heute alle so zahlreich hier erschienen sind. Auch dieses Jahr haben wir wieder eine große Auswahl, wonach immer ihr Herz begehrt." Für einen Augenblick schweift sein Blick von links nach rechts und dann wieder zentral.

„Sie alle kennen die Prozeduren. Begutachten Sie. Erforschen Sie. Lassen Sie sich von der Qualität überzeugen. Und bieten sie." Er hält einen Moment inne, bevor er dann, mit „Fröhliche Suche", seine Ansage beendet.











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Die AusleseTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon