Kapitel 35

3K 200 84
                                    

"Oh das wird eine Überraschung. Schnell schließe deine Augen, Mädchen. Ich will, dass du es erst siehst wenn du es trägst" höre ich eine der Damen befehlen. Da ich inzwischen von dem ganzen Getümmel müde geworden bin und keine Lust habe mich mit den anderen zu streiten folge ich ihrer Anweisung.

Wieder werde ich herumgedreht, nur mit meinen Augen geschlossen fällt es mir schwerer das Gleichgewicht zu halten und bin daher froh, dass ich an beiden Oberarmen gehalten werde. Sie nehmen mir den Mantel ab und ich stehe nun nur noch in meinem Unterkleid da. Etwas fröstelt mich die kalte Luft doch dank meiner geschlossenen Augen stelle ich mir vor, dass ich gerade nicht vor fremden Menschen halb nackt stehe sondern alleine in einem Raum bin. Einem warmen Raum. Ein Korsett wird mir angelegt und drückt meinen Thorax eng zusammen. Die Stylisten scheinen mein Unbehagen über die Situation und meine geschlossenen Augen zu bemerken und erklären nun jeden ihrer Schritte bevor sie ihn machen um mich nicht mehr zu erschrecken.

"Okay wir heben dich jetzt in dein Kleid. Also zappeln nicht wenn du kurz vom Boden abhebst" höre ich den Mann sagen und im nächsten Moment schwebe ich über den Boden. Kurz darauf werde ich wieder abgesetzt und das Kleid an mir hochgezogen. Der Stoff fühlt sich sehr leicht und angenehm an. Für einen Moment befürchte ich, dass es sich um ein sehr kurzes Kleid handelt doch ich spüre wie der Stoff leicht an meinen Füssen tänzelt. Vorsichtig streifen sie mir die Ärmel über und binden das Kleid an meinem Rücken zu.

Ich höre jemanden wild klatschen und begeistert die Luft einziehen.

"Meisterwerk!" jubelt der Schneider. Noch ein paar kurze Handgriffe und schon fallen alle Hände von mir ab und ich stehe alleine auf der Empore.

"Okay mach die Augen auf!"

Wie aufgetragen öffne ich meine Augen. Wie so oft am heutigen Tag klappt mir der Mund weit auf, meine Augen wachsen auf die doppelte Größe und mein Atem stockt. Bin das wirklich ich? Ich? Wie? Wow! Der Schneider hat nicht übertrieben als er sein Werk als ein wahres Meisterwerk beschrieb. Das Kleid das ich an meinem Körper trage wirkt so prachtvoll, so wunderschön, dass es irreal erscheint. Weitaus schöner als jedes Kleid das ich je gesehen habe, noch schöner als die der Prinzessin.

Gelber Tüll liegt auf unendlichen weiteren lagen Tüll. Weit fließt das Kleid ab meine Hüfte. Feine goldene Stickereien zieren den Saum und eine Unzahl an kleinen glitzernden Steinchen zieren den Rest des Rocks. In dem Sonnenlicht das durch die Fenster bricht, glitzern die Steine wie die Sterne bei Nacht. Atemberaubend. Der obere Teil des Kleides liegt eng an, und wie der Saum schmückt ihn die feinste Stickarbeit. Verschnörkelte Muster verschlingen ineinander.

Ein off-shoulder Ausschnitt hält das Kleid anstelle und obwohl große Teile meines Dekolleté frei liegen, bestaune ich die kunstvolle Bearbeitung. Vorsichtig streiche ich über die Stickereien von meiner Schulter, über den Rand des Ausschnitts und über meinen Bauch. So weich und trotzdem feste heben sie sich von dem Kleid ab.

Ich kann das innere Verlangen wie ein kleines Kind im Kreis zu drehen, nicht mehr unterdrücke und gebe nach. Schnell drehe ich mich zweimal um meine Achse und sehe wie der Stoff sich leicht anhebt und elegant um mich weht. Ein lautes Lachen entweicht meiner Kehle. Langsam legt sich der Rock wieder und ich drehe mich erneut und beobachte das Flattern des Kleides. Mein Kleid.

"Einfach einzigartig" reißt mich eine Stimme aus den Gedanken und ich schrecke kurz zurück. Vor lauter Begeisterung habe ich vergessen, dass die anderen noch mit mir im Raum stehen. Meine Augen richten sich wieder ihnen zu. Ich sehe wie Tränen den Stylisten über die Wange laufen und der Schneider ein großes Lachen auf dem Gesicht hat. Alle vier Augenpaare strahlen mir begeistert und beinah vergötternd entgegen.

Auf einmal geht mein Blick zu der Flügeltüre die sich gerade mit einem lauten Quietschen öffnet. Ein junger Mann drückt die Türe mit seinem Rücken auf, da seine Hände eine große Box umfassen. Für einen Bruchteil einer Sekunde stelle ich mir vor, wie es der Prinz sei, doch die braune uniform der Gärtner lässt den Gedanken schnell wieder verfliegen.

Die AusleseWhere stories live. Discover now