Kapitel 36

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Zuerst tritt der König in den Saal, gefolgt von der Königin mit der Prinzessin und zuletzt der Prinz mit mir. Es herrscht absolute Stille neben der Musik und alle Augenpaare sind auf uns gerichtet. Inzwischen ist der Saal gefüllt mit mehreren hundert Menschen. Die meisten sind mir unbekannt. Auf meiner Suche nach Rosalee oder Kalea versage ich und das ungute Gefühl das in mir lodert wird noch größer.

Aus Gewohnheit versuche ich den Blickkontakt mit den Menschen zu vermeiden. Doch immer wieder treffe ich auf begeisterte Blicke die von dem Anblick verzaubert sind. Wir setzen und an die lange Tafel die den Raum, so wie die anderen Tische, gut überblickt. Wir können alle sehen und alle können uns sehen. Gabriela sitzt bereits am ganz linken Ende und ich nehme neben ihr Platz, gefolgt von dem Prinzen, dem König, der Königin und ganz rechts die Prinzessin, die jede Sekunde genießt. Nicht wegen der anbetenden Blicke die ihr gelten aber ihre Faszination gilt den Kleider der anderen. So unschuldig verehrt sie die anderen.

Der König macht eine Handbewegung, die Musik klingt ab und die Gäste setzen sich leise.

„Meine Damen und Herren. Sehr verehrte Gäste, Abgeordnete, Arbeitgeber und Begleitungen, ich heiße sie alle herzlich zum Jährlichen Königlichen Ball willkommen. Ich hoffe das Essen bekommt ihnen und sie genießen die Musik." Die Leute brechen in einen vornehmen Applaus aus und schon im nächsten Moment strömen unzählige Frauen in den Saal und servieren das Essen. Endlich gelingt es mir Rosalee zu erspähen und ein Lächeln legt sich auf meine Lippen.

Sie sitzt drei Tische zu meiner rechten in der zweiten Reihe. Neben einem älteren Mann der gerade lustig etwas erzählt. Mit einem aufgesetzten Lächeln hört sie ihm zu. Als auch vor mich ein Teller gestellt wird bin ich kurz verwirrt. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir die Speisen ebenfalls einnehmen dürfen.

Aus Reflex schaue ich zu Gabriela die mich jedoch auch nur fragend anblickt und dann geht mein Blick zum Prinzen. Wie um Erlaubnis zu bitten. Als er meinen Blick erhascht lacht er kurz auf.

„Ist schon in Ordnung. Heute seid ihr keine Aris. Ihr seid Gäste" erklärt er belustigt und ich ärger mich erneut, dass wir kaum eine Anweisung von Madam Pilo erhalten haben. Wir werden einfach ins kalte Wasser geworfen. Freudig blickte ich nun der köstlich duftenden Suppe entgegen und mein Magen grummelt leise. Doch schon stehe ich vor dem nächsten Problem.

Es liegen insgesamt drei Löffel vor mir. Den kleineren lasse ich außen vor, da er wohl für den Nachtisch gedacht ist und auch am weitesten entfernt von mir liegt. Nun habe ich die Wahl zwischen zwei beinah identischen Löffeln. Einer ist etwas runder wären der andere etwas spitzer zugeht.

Unauffällig geht mein Blick wieder zu Gabriela. Aber sie scheint dasselbe Problem zu haben. Also suche ich wieder Rat beim Prinzen, dieses Mal ohne seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. So geht es noch vier weitere Speisen. Das Essen schmeckt himmlisch und ich kann nicht anders als jedes Mal ein leises Stöhnen von mir zu geben, wenn ich eine weiteren Bissen nehme. Glücklicherweise ist die Musik laut genug um es zu übertönen.

Bis jetzt wurden weder Gabriela oder ich für irgendwelche Aufgaben eingeteilt. Ich beginne langsam zu fürchten, dass der einzige Grund unsere Anwesenheit, tatsächlich nur die Tat nach dem Ball ist. Aber ich versuche den Gedanken schnell zu verdrängen um den Moment zu genießen. Ich spüre die Blicke des Prinzen, aber auch des Königs immer wieder auf. Doch ich unterdrücke den Drang sie zu erwidern.

Noch vor dem Dessert, was ich vorfreudig erwarte da ich hörte es wäre Schokolade, steht der König auf und bittet seine Frau um einen Tanz. Gemeinsam gleiten die Beide auf die freie Fläche vor dem Tisch und die Melodie des Tanzes von Merah ertönte. Im Einklang miteinander schweben die beiden über die Tanzfläche und scheinen nur einander zu sehen. Der Anblick erinnert mich an meine Mutter und meinen Vater wie sie gemeinsam über den Küchenboden schwebten und ein Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit.

Die AusleseWhere stories live. Discover now