Anxiety ~ Blackbear

73 6 7
                                    

Nash's pov

Ich kann es kaum glauben. Heute bin ich früh genug aufgestanden, habe mich fertig gemacht, auch schon eine Zigarette geraucht und habe trotzdem noch ein wenig Zeit. So wie aussieht könnte ich heute pünktlich oder zumindest so gut wie pünktlich zur Schule kommen- und das an einem Montag.
Ich nehme mir noch die Zeit, mir ein richtiges Sandwich für die Pause zuzubereiten. Es fühlt sich so verdammt gut an, ausnahmsweise mal so früh dran zu sein und mein Leben unter Kontrolle zu haben. Wenn ich jetzt noch meine Hausaufgaben hätte, könnte ich wirklich ein vorbildlich wirken.

Mit einem Lächeln auf den Lippen stapfe ich nach draußen, nur um zu sehen, dass das Auto nicht da ist. Meine Eltern müssen es sich, ohne vorher Bescheid zu geben, genommen haben. Frustration steigt in mir auf. Wieso müssen sie mir sowas antun? Denken sie überhaupt irgendwann mal an mich und meine Gefühle?
Verzweifelt versuche ich die Tränen zurückzuhalten und probiere stattdessen zu überlegen, was ich jetzt am Besten machen sollte.

Jason anrufen kann ich nicht, da er für gewöhnlich mit dem Bus fährt. Selber den Bus nehmen kann ich auch nicht, weil ich für diesen erstens wahrscheinlich schon zu spät dran wäre und zweitens gerade nicht annähernd genug Geld hätte.

Von Eric weiß ich, dass er die ersten beiden Stunden Entfall hat und Jo fährt soweit ich weiß auch mit dem Bus. Die beiden kann ich also auch unmöglich um Hilfe bitten.

Dann würde also nur noch eine einzige Person übrig bleiben. Das Problem daran wäre nur, dass ich glaube, dass Macy mich nicht leiden kann, was natürlich ziemlich unverständlich wäre, weil ich toll bin.
Kurzerhand entscheide ich sie trotzdem anzurufen. Das hier sollte mein guter Tag werden und das werde ich mir nicht so leicht nehmen lassen.

Es klingelt Ewigkeiten, aber sie nimmt einfach nicht ab. Erst nachdem ich den Anruf beendet habe, weil ich annahm, dass es ohnehin hoffnungslos ist, textet sie mir. Die Nachricht besteht nur aus einem einzelnen Fragezeichen. Da das heißt, dass sie jetzt an ihrem Handy sein muss, rufe ich sie erneut an. Wieder geht sie nicht ran. Weird. Erst als ich es dann zum dritten Mal probiere, nimmt sie endlich ab.

"Bist du schon losgefahren?", will ich von ihr direkt wissen. Für eine Weile bleibt sie einfach still.
"Nein", antwortet sie schließlich, was gute Neuigkeiten für mich sind.
"Kannst du mich abholen? Meine Eltern sind mit dem Auto abgehauen und jetzt stehe ich hier und weiß nicht, was ich machen soll", erkläre ich ihr die Situation. Wieder bleibt sie kurz still. Nervös kaue ich mir auf der Unterlippe rum.
"Wo wohnst du denn überhaupt?", spricht sie so leise in das Mikro, dass ich sie beinahe nicht verstanden hätte.
Zügig nenne ich ihr meine Adresse.
"Das heißt du kommst?", versichere ich mich.
"Sieht so aus", ist alles, was von ihr kommt, ehe sie ohne jegliche Vorwarnung auflegt.

Bestimmt zehn Minuten warte ich auf der Auffahrt und laufe ab und an einen Schritt vor und zurück, damit mir nicht langweilig wird, bis sie endlich aufkreuzt.
Erleichtert öffne ich die Tür und hops auf den Beifahrersitz, woraufhin sie mich nervös wirkend von oben bis unten mustert. Ich frage mich sofort, ob irgendetwas falsch an mir ist. Ich trage dieselben ausgelatschten Schuhe wie immer kombiniert mit einer löchrigen, hellblauen Jeans und einem dünnen Pullover, dessen Nähte an den Ärmeln schon ein wenig ausgefranst sind. Demnach dürfte also alles normal an mir sein.

Ich höre einfach auf, mir Gedanken machen und schenke ihr ein Lächeln.
"Du rettest mir gerade echt den Arsch", sage ich, während sie in Richtung Schule fährt.
Sie erwidert rein gar nichts, was mich irgendwie stört. Generell mag ich es mit Menschen zu interagieren, weshalb mir die ganze Situation ein wenig zu still erscheint und außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass sie mich nicht leiden kann.

Erstmal bleibe ich auch still, bis ich es nicht mehr aushalten kann. Da ich nicht weiß, worüber ich sobst reden sollte, rede ich einfach ein wenig über mich.
"Ich habe gerade total den Ohrwurm und dieses Lied geht mir einfach nicht aus den Kopf", erzähle ich ihr und hoffe, dass sie fragt, welches Lied es denn sei, sodass eine Konversation entstehen könnte. Doch erneut bleibt sie still und zeigt keinerlei Interesse.
"Anxiety von Blackbear", füge ich später ohne jegliche Aufforderung hinzu. "Echt cooles Lied. Vielleicht würde dir das auch gefallen." Das Mädchen hat diesen Song in den letzten Tagen auf Dauerschleife gehört, was wohl der Grund ist, warum er mir einfach nicht aus dem Kopf geht.

"Ich kenne das Lied schon", sagt sie schließlich auch mal was. Ich kann nicht anders als ein wenig zu lächeln.

"Und wie findest du es?", hake ich von Neugier erfüllt nach.

"Gut. Ich habe es am Wochenende ziemlich oft gehört." Ich sehe sie sanft lächeln. Ich glaube sie freut sich darüber, dass wir dasselbe Lied mögen- denn das tue ich nämlich auch.

Ein wenig später kommen wir bei der Schule an. So freundlich wie möglich bedanke ich mich fürs Fahren und mache mich dann auf zu meinem Klassenraum. Erst während ich mit den Schülern meines Deutschkurses vor der Tür warte, bemerke ich, dass Macy und das Mädchen, dessen Musik ich ständig höre, in derselben Zeitspanne das selbe Lied gehört haben müssen.
Meine Kinnlade klappt runter. So wie aussieht gibt es eine Chance, dass sie und Macy dieselbe Person sind. Ich schnappe nach Luft.
Am liebsten hätte ich dem Ganzen sofort hinterhergeforscht, doch dann kommt Frau Kenny um die Ecke und schließt den Raum auf.

Wie letzte Woche muss ich neben diesem Mädchen sitzen, dass mich offensichtlich nicht mag. Als ich mich hinsetze, starrt sie mich verwerflich an.
Das geht ja schon einmal gut los..
Ich bin kurz davor mich mit einem ironischen Unterton, für meine bloße Existenz zu entschuldigen.

"Guck mal, heute habe ich sogar meinen Block mit", präsentiere ich ihr stolz meinen Block, den ich gerade aus meiner Tasche geholt habe. "Tja, damit dass ich so gut vorbereitet sein kann, hättest du nicht gerechnet, was?"
Damit entlocke ich ihr dann doch ein kleines Grinsen.
"Du hast bestimmt etwas Anderes vergessen", stellt sie mir unter, was ich mit einem Schulterzucken abtue.

Da heute mein guter Tag ist, halte ich sogar meine Klappe, als Frau Kenny mit dem Unterricht anfängt, wofür ich meiner Meinung nach einen Orden verdient hätte. Richtig Aufpassen kann ich trotzdem nicht, weshalb ich nicht glaube, dass ich das die ganze Stunde über durchhalte. Dafür ist ihr Unterricht einfach zu langweilig.
Während wir irgendein extrem ödes Gedicht interpretieren, muss ich sogar laut gähnen. Ich probiere es nicht einmal zu unterdrücken.

"Nash", ruft sie daraufhin mahnend mit lauter Stimme meinen Namen.
Erwartungsvoll hebe ich eine Augenbraue. Wenn Provozieren weniger lustig wäre, würde ich es seltener tun.
"Du störst den Unterricht."

Ein Grinsen bildet sich auf meinen Lippen. "Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass mein Gehirn mehr Sauerstoff verlangte, weil Ihr Unterricht einschläfender ist als Bibel-TV." Zufrieden mit meinem Kommentar lehne ich mich auf meinen Stuhl ein Stück zurück und genieße die Aufmerksamkeit, die ich von allen bekomme.

Jede Klasse braucht mindestens einen Typen wie mich, der nichts aus sich macht, damit wenigstens zwischendurch mal was Spannendes passiert.

"Kannst du vielleicht einfach mal probieren nicht nervig zu sein? Manche Leute probieren sich hier zu konzentrieren", zischt mir meine Sitznachbarin angepisst zu, woraufhin ich die Augen verdrehe und mich wieder vernünftig an den Tisch setze.
Ich kann nicht sagen warum, aber Ihre Worte versetzen mir einen Stich in die Brust. Trotzdem probiere ich mir nicht meine gute Laune nehmen zu lassen. Es wäre eine Schande, wenn ich andere über meine Gefühle bestimmen lasse.

Inzwischen probiert Frau Kenny den Unterricht fortzusetzen. Diesmal reiße ich mich ein wenig mehr zusammen. Ich habe das Gefühl, dass ich selbst wenn ich mein Bestes gebe, mich nicht so gut konzentrieren kann wie manch anderer. Stillsitzen war noch nie wirklich mein Ding.

"Schlagt Seite 309 auf", werden wir plötzlich aufgefordert. Ich schaue in meine Schultasche, nur um zu sehen, dass ich mein Deutschbuch nicht dabei habe. Ich seufze innerlich. Sowas kann auch echt nur mir passieren.
So unauffällig wie möglich versuche ich auf das Buch des Mädchens neben mir zu starren und den Text mitzulesen, was sich als komplizierter als erwartet erweist.

Aus dem Nichts schiebt sie das Buch in die Mitte unseres Doppeltisches. So unauffällig habe ich wohl doch nicht geschaut.
"Danke", murmel ich leicht beschämt. Es überrascht mich ein wenig, dass sie es überhaupt getan hat, obwohl sie mich nicht sonderlich zu mögen scheint.
"Ich habe doch vorhergesagt, dass du was Anderes vergessen hast", erwidert sie mit hochgezogenen Brauen. Irgendwie ist sie mir doch zumindest ein bisschen sympathisch.

"Wie heißt du überhaupt?", möchte ich in Erfahrung bringen, da ich, obwohl wir mindestens zwei Kurse gemeinsam haben, keine Ahnung habe.

"Eljean", antwortet sie, "aber mir wäre es lieber, wenn du einfach nur Jean sagen würdest."
Ich nicke und wende mich dann dem Deutschbuch zu.

Deine MusikHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin