Kapitel 14 - Willkommen in Thalasspolis.

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Die Tage waren heiss und unerträglich für Marion. James sammelte ihr jeweils Seetang und Algen aus dem Meer wenn er zu seinem täglichen Schwimmen aufbrach und dafür war sie ihm sehr dankbar. Er hatte ihr nämlich auch mal Brot zum probieren gegeben und sie hatte es nicht ausstehen können. Sie langweilte sich die meiste Zeit fürchterlich in dem kleinen Schuppen, ihre Wunden heilten viel zu langsam. James nahm sich so viel Zeit für sie wie möglich. Er las ihr Geschichten vor, auch wenn sie kaum etwas davon verstand. Er spielte ihr Musik vor, erzählte ihr von seinem Tag, den Menschen. Irgendwann wurde sogar das scheue Fischmädchen gesprächig und begann ihm von den Tiefen der Meere zu erzählen.

„Also hat Poseidon ein Schloss?“, fragte er sie einmal, musterte sie aus wachsamen Augen, stützte sich an den weichen Beckenrand.

„Du meinst Poseidon der elfte? Klar hat er ein Schloss.“ Marion runzelte die Stirn. Ihre türkisen Augen waren hell und sahen müde und erschöpft aus. Sie hatte bisher keine Nacht an Land schlafen können.

„Ach, der elfte ist es erst?“, meinte James nachdenklich und dachte an „Poseidon“ aus den Mythologien zurück. In dem Fall hatte es den wirklich gegeben. Und Zeus? Hades? Waren die alle echt? Wenn es schon Meerjungfrauen gab, wieso eigentlich nicht? In der griechischen Mythologie gab es schliesslich auch Sirenen... Obwohl diese sehr böse waren. James erinnerte sich an Odysseus und wie er sich an den Mast fesseln musste, um dem Gesang der bösen Geschöpfe wiederstehen zu können. Aber vielleicht hatten sich die Meermenschen ja mit der Zeit geändert?

„Wie alt werdet ihr?“, fragte er weiter und musterte sie. Er selbst empfand es als Wunder, dass er als Biochemiestudent sie nicht ins Labor verschleppte und der Welt präsentierte. Er könnte Millionär werden. Aber er brachte es nicht übers Herz... Er wollte sie nicht offenbaren, so unschuldig und rein schien sie ihm zu sein.

„Um die 7200 Monde ungefähr.“ James runzelte die Stirn. Dies entsprach etwa dreihundert Jahren...

„Und ihr?“, fragte Marion leise zurück und James rechnete aus: „Nur 2160 Monde. Wenns gut kommt.“ 90 Jahre. Marion schien erstaunt.

„Was? Wieso denn? Sicher die Sonne. Die ist doch nicht gesund.“

James lachte ab ihren Worten. „Ohne die Sonne würden wir gar nicht leben. Und du auch nicht“, meinte er amüsiert und das Mädchen verstand nicht was er meinte. Sie strich über die heilende Wunde. Es war ein rotes Loch inmitten ihrer schönen Schuppenpracht. Eine immerbleibende Narbe. Traurig fuhr sie sich durch das lange violette Haar und James hielt die Luft an, während er sie betrachtete.

„Du hast letztens Morven erwähnt... Kennst du ihn?“, fragte James, nachdem er laut Luft geholt hatte. Die Frage brannte ihm schon seit einiger Zeit auf der Zunge und obwohl es ihm sehr unfreundlich schien, so musste er doch fragen. Sonst hätte sich diese Frage in seinem Mund nämlich wie Säure durch seine Zunge durchgebrannt. Und das wäre äusserst schmerzhaft gewesen.

„Du kennst Morven?“, fragte Marion ihn sehr erstaunt. Hoffnung flackerte in ihren türkisen Augen auf und James versteifte sich.

„Ja... Ich kenne ihn... Morven, der Mensch?“ James sah sie erwartungsvoll an. Würde sich sein Verdacht bestätigen?

Marion seufzte laut und warf sich zurück. „Es geht im also gut?“, fragte sie dumpf und James nickte zögernd.

Sie wandte sich zurück an ihren Retter und sagte: „Morven war wie ich. Aber er hat sich entschieden an Land weiter zu leben... Er war ein guter Freund von mir, ich mochte ihn sehr gern. Ich war sehr traurig, dass er mich einfach allein gelassen hat und wollte ihm folgen...“ Sie richtete ihren traurigen Blick vor sich ins Wasser.

Cold LungWhere stories live. Discover now