Kapitel 2 - Ein nasser Gast

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Jetzt erst kam Ava dazu, sich zu duschen. Was sie eigentlich vor fünf Stunden hatte machen wollen. Sie ging ins Bad und was sie als erstes feststellte war, dass es nach Fisch roch. Sie liess das Wasser ab, musterte die Blutlache etwas angewiedert und raffte sich dann dazu auf, den Boden als auch gleich die Wanne zu putzen. Auf dem Boden lagen die zwei schillernden türkisen Schuppen, die sie ihm abgerissen hatte. Schweigend hob sie sie auf und drehte sie hin und her, musterte sie von allen Seiten. Sie waren wunderschön und erinnerte stark an Perlmutt und Muscheln. Genau so fühlte sich die Schuppe an... Eine ganz dünne und feine Muschelschale mit einem türkisen Perlmuttüberzug. Sie legte die zwei Schuppen behutsam auf ihren Nachttisch und kam dann endlich tatsächlich dazu, selber unter heisses Wasser zu stehen.

Als sie aus der Dusche kam war die Sonne nun ganz hinterm Horizont verschwunden und Richard war wieder daheim. Sie hatte sich etwas Frisches angezogen und gesellte sich zu ihm in die Küche, während sie sich ihre braunen Haare noch ganz trocken rubbelte. Aus blauen vielsagenden Augen sah sie ihn an.

„Hi Rich“, grüsste sie ihn und der alte Mann sah gut gelaunt auf. „Oh hallo Geburtstagskind! Tut mir leid, dass ich erst so spät komme!“ Dann grinste er und drehte seinen Blick unsicher Richtung Badezimmer.

„Und... wie gehts ihm?“, fragte er mit breitem Lächeln und machte Anstalten ins Bad zu gehen und nach dem neuen Familienmitglied zu sehen. Ava aber hielt ihn zurück.

„Sag mal spinnst du? Du kannst doch nicht einfach ein Fischmensch in eine Badewanne legen und mir schenken?“

„Was? Hat er dir nicht gefallen? Ich fand ihn ausgesprochen schön.“ Richard schien etwas enttäuscht ab ihrer Reaktion.

„Ja schon. Aber... er gehört ins Meer! Er ist kein Goldfisch, weisst du? Morven gehört ins Meer, sicher nicht in meine Badewanne! Da habe ich ihn auch zurück gebracht!“

Richard machte grosse Augen. „Was? Er ist wieder im Meer? Nein! Ava!!“ Er stöhnte ganz enttäuscht und liess sich auf das Sofa fallen. „Ich wollte ihn doch auch noch sehen! Morven heisst er also?“ Er begann zu lachen aber nur kurz – weil er immer noch sehr enttäuscht war.

„Tja. Roy wird sich freuen, dass er wieder im Meer ist...“ Er lehnte sich zurück und richtete den Blick in die Ferne.

„Was, die wissen davon?“ Ava fluchte leise und setzte sich auf den Teppich, musterte ihren Onkel höchst bedauernd.

„Aber klar. Sie waren dabei. Luke und Roy.“

„Weiss sonst noch jemand davon?“

„Wovon?“

„Na dass Fischmenschen existieren!“

„Achso. Nein, glaub nicht.“ Er zuckte mit den Schultern als sei es ganz und gar nicht speziell einen Fischmensch gesehen zu haben. Als würde er dies auf See tagtäglich erleben.

Ava stand auf. „Na dann.“

„Ich geh gleich zu Rebecca und den anderen. Ist schliesslich mein Geburtstag!“ Sie ging zurück in ihr Zimmer, trocknete sich das Haar. Sie trug ein himbeerrotes Kleidchen und schwarze Lederschuhe. „Viel Spass! Grüss mir alle“, rief ihr Onkel ihr müde nach.

In der Nacht war der Strand meilenweit. Die Ebbe zog das ganze sonst so wilde und stets unbändigende Wasser mit sich. Rebecca war eine von Avas besten Freundinnen und man hatte drauf bestanden ihren Geburtstag anständig zu feiern. Schon von weitem konnte man die Lichter der Autos und Fackeln ihrer Freunde sehen. Sie hüpfte durch den nassen Sand, im Dunkeln waren Pfützen und Hügel nämlich schlecht festzustellen.

Cold LungWhere stories live. Discover now