Kapitel 18 - Ohne dich.

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"Diese Geschichte ist an meine Kindheit gewidmet, die nicht aufhören wollte vom Meer und der Sehnsucht, die sie mitbringt, zu träumen."

18

Als Ava zu sich kam, war es schon dunkel. Das dunkle Meer war überall wo sie nur hinsah. Keine Spuren von Zivilasition mehr, nur Wildnis und Einsamkeit. Kleine Fische schwammen an ihr vorbei, langeweiligen Ausdruckes und doch aufmerksam, bereit für jede Gefahr. Erst im zweiten Augenblick realisierte sie, dass sie eine Gefangene war. Der grosse Mann hatte sie mit starken, stacheligen Algen gefesselt, sodass sie ihre Schwanzflosse nicht mehr bewegen konnte. Er zog sie hinter sich her, als wäre sie ein Accessoire. Als Maynard bemerkte, dass die Kaltlunge aufgewacht war, drehte er sich zu ihr um und hielt inne. Er betrachtete sie mit einem Anflug von Stolz.

Was willst du von mir? Fragte Ava panisch und der junge Mann grinste. Er wirkte viel mehr wie ein Fisch als wie ein Mensch. Morven hatte so etwas Menschliches gehabt, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte... dieser Fischmann aber war ganz anders. Seine hellgrauen Augen glühten und reflektierten die bewegten Wasser um ihn herum. Er musterte ihre goldene Schwanzflosse und zog sie weiter.

Bitte! Lass mich gehen! Sie begann gegen ihre Fesseln anzukämpfen. Die Stacheln borten sich in ihre Haut und es verschlug ihr die letzte Hoffnung, die sie in sich trug, dass das ganze irgendwie ein Traum war. Hör auf dich zu bewegen. Dein Blut lockt die Haie an.

Augenblicklich blieb sie ruhig. Die heissen Tränen strömten ihr aus den Augen, dass sie gar nicht bemerkte, wie sie in einen riesigen dunklen Wald hineinschwammen, der rund um zu leuchten begann. Kleine käferähnliche Tiere sassen auf sich bewegenden Blätterpflanzen, die in der leichten Strömung mitwippten. Sie leuchteten gelb, Korallen bewegten sich, lange Algen schlängelten sich zwischen ihnen hindurch hinauf zu einer nicht definierbarer Oberfläche.

Willst du meine Flosse? Fragte sie und Maynard drehte sich erneut zu ihr um. Ich nicht. Ich will nur den Preis, der deine Flosse hergibt. Er drückte sie in einen Algenbusch hinein und kam ihr gefährlich nah. Er streichelte über ihr goldenes Fischgewand und runzelte überrascht die Stirn, als es unter seinen Fingerkuppeln aufleuchtete. Erstaunt bemerkte auch Ava, was unter seiner Berührung mit ihren Schuppen passierte. Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte sich soweit wie möglich von dem Fremden abzuwenden.

Bekomme ich dann meine Beine zurück?

Maynard stockte und legte dann seinen Kopf schief. Mittlerweile leuchteten die dichten Pflanzen um sie herum so hell, dass sie sein Gesicht vollständig erkannte. Er hatte sehr lange Wimpern, seine Lippen waren schmal und blass, sein Gesicht kantig und sein schwarzes Haar streichelte seinen Nacken. Soll ich deine Flosse aufschneiden und nachsehen ob da irgendwo Beine sind? Seine Worte schienen ihr wie ein dunkles Flüstern, nah an ihrem Ohr.

Ava schluckte. Maynard lächelte. Drehte sich um und zog sie weiter.

Vielleicht war es das Beste, das ihr hätte passieren können.

Was hätte sie in Thalasspolis tun sollen? Sie wäre weiterhin in dieser Höhle gehockt und hätte ein kümmerliches Leben geführt. Jetzt kam sie immerhin von da weg, auch wenn es vielleicht ein schmerzhaftes Ende mit ihr nahm. Aber ganz sicher würden Marion und Arroyo sie suchen. Vielleicht würde Marion sogar Morven benachrichtigen...

Als sie daran dachte, was dann passieren könnte, zitterte sie auf einmal am ganzen Körper. Wenn sie es hätte tun können, so hätte sie geschrieen.

Maynard bemerkte, dass etwas nicht mit Ava stimmte und drehte sich zu ihr um.

Was ist los? Verständnislos sah er sie an. Als ob sie gar keinen Grund dazu hätte, Angst zu haben.

Cold LungWhere stories live. Discover now