12. Chapter

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~ JAY ~

Langsam kam ich wieder zu mir. Wo war ich? Was war passiert und wo war Lennox? Definitiv viel zu viele Fragen für meinen Kopf. 

Als ich meine Augen dann auch wieder öffnete, schien mir die knall harte Sonne direkt ins Gesicht und schnell kniff ich sie zusammen. Hier war es total staubig und ich musste kurz husten. Als ich dann immer noch schlecht Luft bekam, öffnete ich meine Augen wieder und blinzelte gegen die Sonne an. Nur um sie im nächsten Moment weit aufzureißen.

Überall stiegen kleine Rauchschwaden aus dem Krater vor mir empor und es roch nach verbanntem Fleische und Textil. Angewidert verzog ich das Gesicht und versuchte mich dabei aufzurichten. Jedoch ohne Erfolg. Meine Muskeln und Gliedmaßen fühlten sich an wie Gummi und zitterten. Zudem tat mein noch leicht verletzter Rücken weh, der die ganze Zeit an der Felswand gelegen hatte. 

„Lennox?", rief ich etwas lauter als normal, doch wie zu erwarten bekam ich keine Antwort.

Nach und nach kamen dann die Erinnerungen wieder. Wie die Explosion uns getrennt hatte und wie ich bewusstlos wurde. Fast schon automatisch fuhr ich mit meiner rechten Hand in meinen Nacken und tastete ihn und meinen Hinterkopf ab. Und als ich sie wieder hervorzog war sie rot, von Blut verklebt. 

Kurz sah ich mich um. Ich saß in einer Art Nische im Felsen und etwas seitlich vor mir lag ein großer Stein, der mir weitestgehend die Sicht versperrte. Das Einzige was ich erkennen konnte war der große Krater, aus dem der Gestank und der Rauch kam. Wie war ich hierhergekommen? 

Vermutlich hatte Lennox mich bis hierhergeschleppt. Nur, wo ist er jetzt? Da ich nicht aufstehen konnte, versuchte ich die Gegend abzuscannen und rief mehrmals nach ihm. Ohne Erfolg.

Dann endlich dämmerte es mir. Meine Waffe war weg, genauso wie Lennox und vor mir lag ein Krater, aus dem Rauch kam. 

Das konnte nur heißen, dass Lennox los war, um seine Rache zu bekommen. Ich musste sofort zu ihm. Leichter gesagt als getan. Denn noch immer wollte mein Körper mir nicht gehorchen. aber so leicht aufgeben würde ich auch nicht!

Meine Arme legte ich nach hinten und versuchte mich am Felsen hinter mir abzustützen. Je weiter ich hochkam, desto mehr nahm ich meine Beine mit zur Hilfe. Und tatsächlich, es funktionierte. Noch ein kleines Stück und ich stand aufrecht! Glücklich, da es funktionierte atmete ich kurz durch, ehe ich den ersten Schritt wagte. Der war zwar ziemlich klein und wackelig und mein Gang sah wahrscheinlich mehr als bescheuert aus, aber ich kam vorwärts. Am Rand der Schlucht hielt ich dann an und sah hinunter.

Der Anblick, der sich mir dort bot, war schrecklich. Verbrannte Körper, unglaublich viele Leichen und jede Menge Rauch, Dreck und Blut. Nicht ein Überlebender zu sehen. Naja, jetzt weiß ich wenigstens, woher der schreckliche Geruch kommt. Ich war mir sicher, dass Lennox irgendwo da unten war. Ich wusste nur nicht, ob ich es hoffen, oder nicht hoffen sollte. Noch immer zittrig stieg ich den kleinen Weg oder auch Pfad hinab, naja besser gesagt, ich fiel den Weg hinab.

Unten angekommen fiel ich erstmal auf meine Knie und hatte Mühe wieder aufzustehen. Als ich dann wieder stand und so einen besseren Überblick über das Tal hatte, musste ich hart schlucken. Was zum Geier war hier passiert?! Sämtliche Männer lagen auf den Boden, zerfetzt, verbrannt oder erschossen.

Ihre toten Augen starrten ins Nichts und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ich hoffte so sehr, dass Lennox nicht zu den ganzen Leichen zählte, doch ich hatte eine schlimme Vorahnung. 

„Lennox?!", schrie ich, doch wurde wieder ignoriert. Mein Blick schweifte weiter und blieb dann auf einer am Boden liegenden Person hängen. Die kurzen schwarzen Haare waren kaum zu erkennen, doch die Uniform zeigte deutlich wer die Person war.

Nein. Nein, das darf nicht sein! „Lennox!"

Ich hetzte zu ihm, doch unterschätzte die Geschwindigkeit und die Unebenheit des Bodens. Weswegen ich stürzte und mit dem Gesicht im Schlamm aufkam. Ächzend stützte ich mich mit den Unterarmen wieder hoch und sah zu Lennox. Ich lag in etwa fünf Meter Entfernung vor ihm. Die restlichen Meter schleppte ich mich zu ihm und musste dabei hin und wieder Keuchen und meine Atmung wurde wieder schwerer. 

Als ich bei ihm war, sackte ich kurz neben ihm zusammen und verweilte ein bisschen, um neue Kraft zu schöpfen. Ich war einfach ausgelaugt und fertig. Dann drückte ich mich wieder mit Hilfe meiner Arme nach oben und beugte mich über ihn. 

„Lennox?", fragte ich leise.

Er öffnete langsam seine Augen und nach kurzen fokussieren, sah er mich an. „Jay?" Ein kleines Rinnsal Blut floss aus seinem Mundwinkel.

„Ja... Ja, ich bin hier!", antwortete ich erfreut, weil er noch lebte.

Er verkrampfte sich kurz und wandte seinen Blick ab. „Weißt du... du hattest recht. Du hattest die ganze Zeit über... recht", meinte er auf einmal, dabei sprach er so leise, dass ich Mühe hatte ihn zu verstehen.

„Was meinst du, Lennox? Womit hatte ich recht?", wollte ich verwirrt wissen und sah ihn eindringlich an.

Der Schwarzhaarige drehte seinen Kopf nach rechts und sah in die Ferne. Ich folgte seinem Blick. Einige Meter weiter weg, lag ein dunkelhaariger Mann mit glasigen Augen. Ein Messer steckte in seiner Brust und er badete in seinem eigenen Blut. „Als du sagtest, dass Rache nichts bringt... ich habe ihn getötet in der Hoffnung, dass ich mich danach besser fühlen würde, doch... das tue ich nicht."

Woher kam plötzlich dieser Sinneswandel? 

„Als er tot war, habe ich überhaupt nichts gefühlt... auch als ich seine Männer tötete..."

Er hörte auf mit Reden und so wollte ich schon anfangen, doch er unterbrach mich. 

„Ich habe überhaupt nichts gefühlt... nur Verzweiflung, dennoch war es nicht umsonst... ich konnte... dich damit retten" Seine Stimme wurde immer leiser und schwächer und sofort packte mich die Angst. „Ich will nicht, dass du... denselben Fehler machst wie ich. Du hattest schon immer recht. Frieden ist wichtiger als die Rache. Lass dir von niemanden jemals etwas anderes einreden!", sprach er weiter, dieses Mal mit einer etwas festeren Stimme.

„Lennox, was redest du denn da?", fragte ich und kniff meine Augenbrauen zusammen. Es klang ja so, als wüsste er, dass er sterben würde!

Kurz schloss er seine Augen, ehe er sie zur Hälfte wieder öffnete. Seine Atmung ging nur noch röchelnd und der glasige Schimmer in seinen Augen nahm zu. „Versprich mir, dass du dem Frieden weiter hinterher jagst... nur dann findest du Gerechtigkeit und Ehre."

„Lennox hör auf, dass klingt ja, als würdest du sterben, aber wir schaffen das schon! Bana ist tot, wir können endlich nach Hause und...", ich wollte gerade ohne Punkt und Komma fortfahren, um mich selbst zu beruhigen, doch er hob die Hand.

„Versprich es mir!", verlangte er.

Ich nickte kaum merklich und merkte schon, dass meine Augen feucht wurden. „Ich verspreche es dir!"

Lennox lächelte leicht. „Und denk immer daran, erzähle der Welt nicht was du tun kannst, sondern... zeige es allen!", sagte er mit brüchiger Stimme und spätestens jetzt benetzten einzelne Tränen mein Gesicht. Auf mein Nicken hin schloss er langsam die Augen und mit einem Lächeln auf den Lippen, atmete er zum letzten Mal aus, ehe seine Seele und sein Geist seinen Körper verließen.

Er war tot. Er war gegangen und würde nicht wiederkommen. Ein letzter, verzweifelter Schrei entwisch meinen Lippen und hallte in der Schlucht noch lange nach.

A Soldier's LegacyWhere stories live. Discover now