2. Chapter

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~ JAY ~

Doch so sehr ich mir auch wünschte es wäre ein Traum, war es doch die Realität, die ich nun mehr oder weniger freiwillig hinnehmen musste.

Seit geschlagenen acht Stunden saß ich schon im Flieger und war auf dem Weg nach Texas. Morgen war immerhin die Beerdigung meiner Eltern und gleich danach müsste ich auch schon wieder zurück zur Militärbasis.

Caleb und Liam hatte ich vom Tod meiner Eltern nichts erzählt. Sie wussten nur, dass ich aus privaten Gründen eine Zeit lang wegmusste. Und das war auch gut so. Ich hasste es angreifbar zu sein und auch wenn sie meine Freunde waren, war ich der Meinung, dass mein Leben außerhalb des Dienstes, sie nichts anging.

So saß ich also auf engstem Raum mit anderen Passagieren zusammen und starrte gedankenverloren aus dem kleinen Fenster. Von hier oben sah alles so klein aus und alle Probleme schienen in Luft aufgelöst. Es herrschte eine andere Atmosphäre und alles fühlte sich leichter an. So als könnte man den alltäglichen Problemen für eine kurze Zeit entfliehen. Doch das alles war nur eine Einbildung. In Wahrheit drehte sich die Welt da unten einfach weiter und alles war wie vorher.

Auf einmal kamen mir die Worte des Command Sergeant Majors wieder in den Sinn. Es ist okay auch mal Schwäche zu zeigen, Parker.

Dieser eine Satz spielte sich immer wieder in Dauerschleife in meinen Gedanken ab. Zwar war ich noch immer der Meinung, dass er damit falsch lag, aber aus irgendeinem Grund konnte ich seine Worte nicht vergessen. Und noch viel weniger die skurrile Situation von gestern. Er hatte mich doch tatsächlich umarmt. Und das ziemlich lang! Das war nicht nur peinlich und kratzte an meiner Ehre als Mann, sondern war auch inakzeptabel. 

Welches Bild hatte er denn jetzt von mir? Sicherlich kein Gutes. Und genau deswegen würde ich das später auch richtigstellen müssen.

Als der Flieger landete und ich mein Gepäck bereits geholt hatte, wartete ich nur noch auf das Taxi. Mit etwa zehn Minuten Verspätung kam es dann vor mir zum Stehen. Gereizt stieg ich ein und nannte die Adresse meines alten Zuhauses. Dort würde ich für die nächsten zwei Tage wohnen. Das war mir lieber als irgendein überteuertes Hotel, auch wenn ich wusste, dass dieses Haus viele Erinnerungen mit sich brachte. 

Erinnerungen, für die ich noch nicht bereit war und die mit Sicherheit schmerzvoll werden würden.

Und so stand ich nun vor dem Haus, in dem ich aufgewachsen war und starrte es an. Hier hatte ich 20 Jahre meines Lebens verbracht. Hier hatte ich als kleiner Junge Baseball gespielt und hier war ich auch das erste Mal auf die Fresse geflogen. Ich musste schmunzeln bei der Erinnerung. Meine Mutter hatte sich unnötige Sorgen um mich gemacht und mein Vater meinte nur, ich wäre ein Mann und würde das schon verkraften. Meine Nase war ja auch nur gebrochen.

Mit schweren Schritten öffnete ich das silberne Tor und trat in den Vorgarten. Der Garten sah noch immer sehr gepflegt aus und die vielen verschiedenen Blumen blühten prachtvoll. Als ich dann die Haustür öffnete, kam mir ein Geruch entgegen, den ich nur allzu sehr kannte. Es war der Geruch nach Heimat und ich atmete wohlig ein. 

Wie lange war ich schon nicht mehr hier gewesen?

In der Kaserne hatte ich mein altes Leben kaum vermisst, aber jetzt wo ich hier war, wurde mir erst mal bewusst, was ich die ganze Zeit über verpasst hatte. Ich hätte so viel Zeit mit meiner Familie verbringen können. Ich hätte die Zeit so viel besser nutzen können! Aber jetzt war es zu spät. Im Nachhinein war man immer schlauer.

Und dabei konnte mich noch nicht mal von meinen Eltern verabschieden...

Das letzte Mal hatte ich sie vor drei Jahren gesehen und selbst da hatte ich die Zeit mit ihnen nicht wirklich geschätzt. Das lag aber daran, dass unser Verhältnis sich nicht unbedingt zum Guten entwickelt hatte. Meinen Berufswunsch hatten sie nie unterstützt und auch sonst standen sie nicht hinter meinen Entscheidungen. Das hatte dann natürlich dazu geführt, dass ich mich abgekapselt und meinen eigenen Weg eingeschlagen hatte.

A Soldier's LegacyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt