Unbekannte Erinnerung

10.5K 736 60
                                    

Nach dem Einkaufen gab mir Chris schweigend mein Handy zurück. Er sagte kein einziges Wort und ging nur still neben mir. „Ist was?“, fragte ich ihn besorgt. „Ach nein…“ „Wieso bist du dann so still?“ Er zuckte seufzend mit den Schultern, nahm mir dir Tüte ab und ging voran. „Chris?“, fragte ich überrascht, doch er ignorierte mich und ging einfach weiter. Ich verstand wirklich, was mit ihm los war. War er etwa immer noch genervt von vorhin, als ich ständig mit meinem Handy beschäftigt war? Nein, Chris war nicht so einer, der sich über solche kleinen Dinge lange geärgert hatte. Dann fiel mir ein, dass er mein Handy hatte und vielleicht… Ich checkte sofort meine Nachrichten. Eine neue Nachricht – von Mark.
Ich sah Chris verwirrt nach. Hatte er etwa mitbekommen, dass ich mit Mark Kontakt hatte? Wieder hörte ich Chris‘ Stimme in meinem Kopf sagen >>Mark ist ein Idol, das heißt die Paparazzies sind überall und ich will nicht, dass du in einem Skandal verwickelt wirst<< Wenn er es also gesehen hatte, dann musste er sich wahrscheinlich wieder einmal nur Sorgen um mich gemacht haben. Ich kicherte. Chris machte sich einfach zu viele Sorgen. „Heeeey Chris, warte!“ Ich lief ihm lachend nach und hakte mich in seinem Arm ein. Er sah verblüfft zu mir nach unten. „Mach dir nicht so viele Sorgen um mich, okay?“, fragte ich ihn mit einem breiten Lächeln. Er sah mich zuerst eine Zeit lang nur an, doch dann entlockte ihm ein Lächeln und er nickte.

Zu Hause bereiteten wir gemütlich das Abendessen. Nachdem ich meinen Teil erledigt hatte, musste ich nur noch auf Chris warten, der das Gemüse schnitt. Ich setzte mich auf die Küchenzeile neben ihm und nahm mir einen Paprikastreifen. „Tut mir Leid, wenn ich mich ab und zu komisch benehme…“, entschuldigte er sich plötzlich, während er konzentriert das Gemüse schnitt. Ich sah ihn verwundert an. „Ich mach mir einfach nur Sorgen um dich.“, fügte er hinzu. Ich nahm mir wieder einen Paprikastreifen und meinte: „Ich bin mittlerweile schon erwachsen, Chris. Du brauchst dir um mich nun wirklich keine Sorgen machen.“ Ich lächelte ihn fröhlich an und wollte mir eben noch einen Paprikastreifen stehlen, als er mir in diesem Moment einen Taps auf die Hand gab. Er lächelte. „Wir haben sonst nichts für das Abendessen, wenn du so weitermachst.“

POV Chris

Nach dem Essen spülte ich das Geschirr ab, während Lin ins Bad ging. Da sie in diesem Moment nicht da war, nutzte ich die Gelegenheit und ging in ihr Zimmer. Ich wollte wissen, was sie in ihr Notizbuch geschrieben hatte. >>Kleines Mädchen (Ich) spielte mit dem Jungen in der grünen Jacke auf dem Spielplatz mit einem bunten Ball. Der Junge wollte mir den Ball zuwerfen, dieser flog jedoch über eine Hecke. Ich lief ihm nach, dann verschwand die Erinnerung.<< Ich starrte wie erfroren auf das Buch. Das war der Tag, an dem der Unfall passierte. Sie konnte sich zwar noch nicht an alles erinnern, aber es war nur eine Frage der Zeit.

POV ENDE

Ich kam aus dem Bad und hörte Chris noch in der Küche spülen. So viel Geschirr hatten wir doch gar nicht. Wahrscheinlich hatte er sich wieder mal extrem viel Zeit gelassen. So war Chris. Ich ging in die Küche, nahm ein trockenes Geschirrtuch und half ihm. „Na?“, fragte ich. „Na?“, fragte er mit einem Lächeln zurück. „Was willst du den Abend noch machen?“ Er zuckte planlos mit der Schulter. „Ach komm schon, sonst beschwerst du dich immer, wenn ich nichts mit dir unternehme.“, meinte ich schmollend und gab ihm einen kleinen Schubser. Er spülte den letzten Teller und trocknete sich seine Hände bei dem Geschirrtuch ab, welches ich in der Hand hielt. „Lass uns heute einfach mal chillen.“

Die Zeit verging und es wurde spät. Ich wollte mich eigentlich gerade umziehen, doch als ich mein T-Shirt auszog, musste ich wie sonst immer auf meine Narben starren. Ich atmete tief ein und seufzte. Diese Narben waren schmerzhafte Erinnerungen an einen Unfall, von dem ich selber nichts wusste. „Ich werde sie meinen Leben lang mit mir tragen müssen.“, meinte ich nachdenklich. Ich fuhr mir mit der rechten Hand über meinen linken Arm und spürte diese Unebenheiten auf meiner Haut. Es fühlte sich so an, als würde man mit der bloßen Hand über eine Baumrinde streifen. Dieses Gefühl verängstigte mich. Ich hatte Gänsehaut. Je länger ich diese Narben sah, desto weniger wollte ich vom Unfall erfahren.

Ich hörte ein Geräusch, welches im Rhythmus meines Herzens piepte. Was war das? Ich öffnete meine Augen und fand mich plötzlich im Krankenhaus wieder. Es war Nacht, nur eine kleine Tischlampe auf dem Nachtkästchen neben mir, erhellte das Zimmer. Auf der anderen Seite war ein Gerät, mit dem mein Körper mit Kabeln verbunden war. Es zeigte meine Herzschläge an. Ich kannte diesen Raum.
Ich versuchte mich aufrecht zu setzen und spürte sofort diese Schmerzen. Mein Körper war mit tiefen Wunden übersät und ich hatte höllische Kopfschmerzen. Trotzdem versuchte ich mich zu bewegen und hielt mich am Nachtkästchen fest. Als ich endlich aufrecht saß, sah ich einen Zettel auf dem Kästchen liegen. Neugierig nahm ich es in die Hand und las es mir durch. Obwohl ich noch Grundschulanfänger war, konnte ich für mein Alter schon relativ gut lesen. Auf diesem Zettel stand drauf: Unfallursache – Autounfall, Fahrerflucht; Verletzungen – Schürfwunden, Schnittwunden, Kopfverletzung, offener Beinbruch; Ergebnisse der Untersuchung – Hirn-Schädel-Trauma; Folge – Amnesie.
Ich las weiter und kam zu einem wichtigen Abschnitt. Zeugen. Doch bevor ich es überhaupt lesen konnte, machte der Arzt plötzlich die Tür auf und riss mir erschrocken den Zettel aus der Hand.

Blitzartig wurde es um mich herum verschwommen und ich stand auf einmal mitten auf der Straße. Ich hatte einen bunten Ball in der Hand. In einer rasanten Geschwindigkeit kam mir ein Auto entgegen. Ich sah noch, wie mich ein Junge schockiert anstarrte. Es war aber nicht der Junge in der grünen Jacke. Ich kannte ihn nicht. Es wurde plötzlich schwarz und ich hörte nur noch das laute Quietschen der Bremsen.

Ich schnappte erschrocken nach Luft und riss augenblicklich meine Augen auf. Verkrampft und schweißgebadet lag ich in meinem Bett. Ich atmete angsterfüllt ein und aus. „Chris! Chris!“, schrie ich weinend. In Windeseile kam mein Cousin ins Zimmer gerannt. „Was? Was ist los?“, fragte er mich panisch. Als er mich weinend und zitternd im Bett sitzen sah, kam er sofort zu mir gerannt und nahm mich in seine Arme. Er drückte mich fest an sich und streichelte mir über den Kopf. „Ich bin da…“, sagte er besorgt.

Meine Erinnerungen begannen doch eigentlich ab dem Zeitpunkt, als ich im Krankenhaus aufwachte, aber wieso konnte ich mich nicht erinnern, dass ich meine Krankenakte durchgelesen hatte? War das alles nur ein schlechter Traum oder begannen meine Erinnerungen doch etwas später, als ich eigentlich dachte.

Damals vor 14 Jahren (Got7 Mark FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt