Funkelnde Kristallgläser

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Remus Sicht

Mit wackeligen Knien lief ich in den 7. Stock. Obwohl mein Kopf sonst immer vor lauter Gedanken zu explodieren drohte, war er leer. Einfach leer. Ich hörte bloß meinen Herzschlag in meinen Ohren pochen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so aufregt sein würde. Das Einzige, was meinem Hochgefühl einen kleinen Dämpfer verpasste, war, dass es das letzte Mal sein würde, Bellatrix zu treffen. Könnte ich sie danach vergessen und mein Leben weiterleben, auch wenn sie das restliche Schuljahr immer wieder meinen Weg kreuzen sollte? Nach der Verlobung gäbe es keine geheimen Treffen, Blicke oder Briefe mehr.  Unbemerkt waren unsere Treffen ohnehin nicht geblieben.

Ich suchte den Flur nach dem Wandteppich Barnabas dem Bekloppten ab. Anders hatte ich keine Chance, den Raum der Wünsche zu finden. Nicht zuletzt wegen meines schlechten Orientierungssinnes. Da sie noch nicht da war, lehnte ich mich gegen den Teppich und hatte meinen Blick auf die Wand gerichtet, wo später die Tür auftauchen müsste. Beim Abendessen hatte ich sie nicht am Tisch der Slytherins gesehen. Wenn Lestrange Wind von unserem Treffen bekommen hatte, dann-. Bevor ich mir Horrorszenarien ausmalen konnte, ertönten Schritte am Ende des Flures.

Klack, Klack, Klack. Ich blickte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen und sah die junge Hexe. Jetzt verstand ich auch, warum sie länger gebraucht hatte als ich und sich verspätet hatte. Bellatrix hatte sich leicht geschminkt und ihre Haare zu einem eleganten Dutt hochgebunden. Ich stieß mich von dem alten Wandteppich ab und wurde sofort mit einer Ladung Staub belohnt. Teppiche gehörten eindeutig nicht an eine Wand. Ich ging mit ausgestreckten Armen auf sie zu, in welche sie sich sinken ließ. Ein unglaublich gutes Gefühl,  Bella endlich wieder zu umarmen. Am liebsten würde ich sie nie wieder loslassen. "Wieso riechst du schon wieder nach Mandarine und Pergament? Lebst du in deinen Büchern? Oder hast du dein Nachtlager in der Bibliothek aufgeschlagen?", scherzte sie und löste die Umarmung. "Glaub mir, das ist bloß die Folge des Zaubertranks.", antwortete ich keck.

Ich drehte mich der kargen Wand neben uns zu und ging dreimal auf und ab. Galant öffnete ich Bellatrix die Tür und wir traten ein. "Wow, Remus! Das ist ja der Wahnsinn." Vor uns lag ein traumhafter Anblick. Ein romantisch gedeckter Tisch mit zwei Stühlen, der mit einer weißen Decke überzogen war. Den Tisch zierte ein teures Gedeck, welches mit dem Kronleuchter um die Wette strahlte. Hinter dem Fenster bildete sich die Landschaft von Hogwarts ab und die Sonne war kurz davor hinter einem der Berge zu verschwinden, auf dessen Gipfel Schnee lag. Im Hintergrund wurde ein langsamer Popsong aus der Muggelwelt von einem Grammofon gespielt. Alles in allem der perfekte Ort für ein Date. Später würde ich sie auf jeden Fall zu einem Tanz auffordern.

Ich schloss zu Bella auf, nahm ihre Hand, dirigierte sie zu dem rechten Stuhl und rückte ihn gewissenhaft zurecht. Sie nahm Platz und lächelte mich an. Ich ließ mich auf dem anderen Stuhl nieder und entflammte mit einem Schwenker meines Zauberstabs die Kerzen. Ich nahm die Flasche Elfenwein vom Tisch, entkorkte sie und goss den Wein in die funkelnden Kristallgläser ein. Ehe wir ein Gespräch beginnen konnten, stand die Hauselfe Hokey, welche Sirius und James damals in der Küche kennengelernt hatten, mit einem Plopp neben uns. "Was kann Hokey für Sie bringen?" Bella guckte mich erstaunt an. Dabei kannte sie doch Hauselfen. Ihre reinblütige Familie besaß sicher eine Menge kleiner Wesen mit Flatterohren. Ich schaute sie fragend an. "Ich dachte, die Hauselfen dürfen nicht für Schüler arbeiten?" "Da hast du recht, aber ich bin mit ihr befreundet. Oder besser gesagt, Sirius und James sind es." Die Hauselfe wackelte aufgeregt mit ihren Ohren hin und her, bereit um unsere Bestellung aufzunehmen. "Die Herren Sirius und James waren sehr nett zu Hokey." "Meintest du nicht, du gehst Abendessen, bevor wir uns treffen?" Ich nickte: "Wenn ich ehrlich bin, dachte ich auch eher an einen Nachtisch und nicht an ein 3-Gänge-Menü." "Hokey könnte Ihnen auch Frühstück oder Mittagessen servieren. Herr Remus aß schon zu Abend." Bellatrix lachte herzlich: "Danke Hokey, aber ich glaube nicht, dass das nötig ist. Ich würde mich mit einer Siruptorte zufriedengeben, bitte."

Verwundert betrachtete ich die mir gegenübersitzende reinblütige, traditionell veranlagte Frau, welche so freundlich einem Geschöpf gegenüber war, welches offensichtlich unter ihr stand. Ob sie sich im Black Manor auch so verhielt? Hokey wandte sich mit den Worten: "Hokey wird umgehend mit drei verschiedenen Arten Siruptorte zurückkehren.", an Bella. "Was kann Hokey Ihnen bringen?" Ich bestellte Schokoladenkekse, Hokey verbeugte sich und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu sagen, mit dem altbekannten Ploppgeräusch. Ich richtete meine ganze Aufmerksamkeit wieder auf Bella, hob mein Glas und sah sie auffordernd an. Sie lächelte, hob ebenfalls ihr Glas und sagte, während unsere Gläser vom Zusammenstoß klirrten: "Auf einen schönen Abend!" Ich nippte an meinem Wein und stellte ihn wieder ab.

"Was hast du eigentlich deiner Schwester und deinem Zukünftigen gesagt?" Sie verdrehte die Augen: "Lass uns doch wenigstens an unserem letzten Abend nicht über den einfältigen Rod reden, OK? Aber um deine Frage zu beantworten: Ich habe gesagt, dass ich den Abend auf dem Astronomie-Turm verbringen werde und alleine sein will. Die haben mir das sogar geglaubt. Ich nehme an, weil sie wissen, dass das mein letzter Abend als ledige, ohne Verpflichtungen und glückliche Hexe sein wird." "Und bist du glücklich an deinem letzten Abend? Willst du ihn wirklich mit mir verbringen?", schmunzelte ich. "Sonst wäre ich ja wohl nicht hier." Sie legte ihre Hand auf meine: "Glaub mir, ich wäre im Moment nirgendwo glücklicher als hier." Mein Herzschlag beschleunigte sich.

Auf unseren Tellern erschienen die Kekse und Siruptorten. Außerdem füllten sich zwei weitere Gläser mit Kürbissaft. Es ploppte, Hokey verbeugte sich, bat um Entschuldigung aufgrund der Wartezeit und verschwand wieder. Diese Wesen hatten es nicht verdient, so von der Zauberer Gemeinschaft behandelt zu werden.
"Ich habe meinen Freunden erzählt, dass wir uns treffen. Also sie haben es herausgefunden und dann konnte ich es nicht leugnen.", brachte ich das Gespräch wieder in Gang. "Du meinst aber nicht die Mädchen, sondern bloß Sirius und James?", fragte Bellatrix erschrocken. Ich nickte und biss von einem der Kekse ab. "Von den Mädchen weiß bloß Lily von uns. Ich konnte es nicht vor ihr verbergen." "James und Sirius heißen das unmöglich gut." "Da hast du recht. Unter anderem hatten wir heute früh den Streit deswegen. Wir konnten ihn aber beiseitelegen und wie es aussieht, werde ich meine Ferien doch nicht alleine hier verbringen müssen. Sonst würden mich die tristen und hasserfüllten Gedanken über Lestrange und dich womöglich um den Verstand bringen." Schuldbewusst schaute sie auf ihren Teller und spießte ein Stück Kuchen mit der Gabel auf, um nicht reden zu müssen.

Die Todesserin und IchWhere stories live. Discover now