| 72 | 𝐀𝐥𝐞𝐜

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Ich war noch nicht lange wach und doch wusste ich, dass heute etwas komisch war. Keine Ahnung, was nicht stimmte, aber irgendetwas war hier faul!

Mit misstrauisch zusammengekniffen Augenbrauen lief ich die Treppe hinunter. Die Schule hatte schon längst angefangen, schließlich war es schon Mittag, aber meine Motivation hatte sich entschieden heute nicht zu erscheinen und dementsprechend schwänzte ich. Der Abend gestern war ja schon nervenaufreibend genug! Nie hätte ich gedacht, dass unser Beta für all das verantwortlich war.

Nur wie sollte es jetzt weiter gehen?

„Na, auch mal wach?", tadelte mich Conner, der mit ausgestreckten Beinen auf dem Sofa saß und sich ein NBA Play-off ansah.

Ich gähnte. „Was machst du hier?"

„Unsere Eltern sind auf Arbeit und deine Triumph Daytona stand da. Das ist gut", meinte er, ohne meine Frage zu beantworten. „Denn wir müssen reden!", fuhr er fort.

Unbeeindruckt sah ich ihn an und wandte mich ab. So dramatisch, wie er sich gab, brauchte ich erstmal einen Kaffee. Auch Conner sah aus als hätte er wenig geschlafen. Doch mein Bruder neigte oft dazu, seine Gesundheit zu vernachlässigen. Anders kannte ich es nicht von ihm. Gelangweilt sah ich die Kaffeemaschine an und stützte meinen Kopf auf meinen Armen ab. Konnte das nicht etwas schneller gehen?

„Alec!", rief Conner mir hinterher. Wütend sah er mich an als er in die Küche kam und mich an der Schulter zu sich drehte. „Ist da oben jemand Zuhause, denn wenn ja, dann würde ich gerne den Eigentümer sprechen!", forderte er und schnipste mir gegen die Stirn.

Ich stieß die Luft aus. „Es ist einfach noch zu früh am Tag, okay? Was willst du?"

„Ich muss mit Jackson sprechen und brauche dazu deine Hilfe!", antwortete er und sofort verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke. Der Typ hatte sie ja wohl nicht mehr alle!

Verachtend tippte ich mir gegen die Stirn. „Dann kannst du mich gleich umbringen! Jackson vertraut doch ohnehin schon keinem mehr, unsere Verwandtschaft wird er sicherlich mit offenen Armen begrüßen!", meinte ich sarkastisch.

„Das müssen wir riskieren!", hielt mein Bruder dagegen.

Doch ich winkte ab. „Ne, lass mal."

Jetzt riss Conner endgültig der Geduldsfaden. „Okay, dann eben nicht! Aber falls es dich interessiert, es geht um das Bündnis! Und wenn du mir nicht hilfst, bist du irgendwann wahrscheinlich auch am Arsch!"

„Wenn's sein muss!", fauchte ich gereizt. Conner schien seinen Verstand wohl beerdigt zu haben. „Und wie stellst du dir was vor?!"

Conner verschränkte seine Arme vor der Brust und sagte, „Du wirst mich gleich mit zu euch nehmen und dann lässt du mich einfach reden. Jackson ist bereits über die Gefahr, die von diesem Zayn ausgeht, informiert und er ist nicht dumm! Ein Bündnis ist das einzig Richtige. Und das weiß er auch!"

„Na, wenn du dir da so sicher bist! Was sagt eigentlich Blake dazu?"

„Er war davon nicht sonderlich begeistert", druckste er unsicher herum. „Aber das ist mir egal. Wenn er nicht mitzieht, übernehme ich halt die Serpens. Die Arbeit mach ja sowieso ich und er hat den Respekt und das Vertrauen der Mitglieder schon lange verloren."

Was sollte ich denn da noch sagen? Natürlich hatte Conner recht, aber meine Unsicherheit war noch nicht verschwunden. „Okay, ich bringe dich hin", entgegnete ich müde. „Aber, wenn er mich dann wie einen räudigen Hund erschießt, bist du allein schuld daran!"

„Das wird nicht passieren", entgegnete er fest und sein amüsierter Blick lag nachdenklich auf mir und das mulmige Gefühl im Magen wurde dadurch nur bestärkt.

Gereizt grummelte ich nur und machte mir erst einmal etwas zu Essen. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie Jackson reagieren würde, wenn er von unserer Verwandtschaft erfuhr. Sein psychischer Zustand war im Moment nicht der Beste und ein weiterer Vertrauensbruch innerhalb der Gang könnte katastrophale Folgen haben.

Zudem wusste ich noch immer nicht, was bei dem Gespräch zwischen Miles und Jackson rausgekommen war.

Conner jedenfalls schien wieder in Gedanken, denn er sah abwesend wie ein Fisch in der Gegend umher und schien die Realität nicht wirklich mitzubekommen. Da kam mir plötzlich ein Gedanke. Ich hatte keine Ahnung, wie es in Conners Liebesleben aussah!

„Na, an wen denkst du denn?", zog ich ihn auf.

Abwesend stützte er seinen Kopf auf seine Hand. „An Nero."

„Was?!" Wieder verschluckte ich mich. Unfähig richtig zu schlucken und zu atmen. Das wollte ich nun nicht wissen! Was auch immer die Beiden miteinander zu tun hatten, es war nicht das, was ich hören wollte! „Man Conner, danke für das Kopfkino!"

Mein Bruder schüttelte sich und sah mich verwirrt an. „Hast du was gesagt?"

„Ja, und leider hab ich auch ne Antwort bekommen!", schimpfte ich sauer und hustete immer noch. Schnell füllte ich mir ein Glas Wasser auf und leerte es in kurzer Zeit.

Doch Conner verstand immer noch nichts. „Worum ging es denn?"

„Was läuft zwischen dir und Nero, hm?", fragte ich mit vorwurfsvoller Stimme. Eine Beziehung ist ja noch schlimmer als eine Verwandtschaft, immerhin ist sie freiwillig! Gereizt stellte ich das Glas auf die Ablage und zog die Augenbraue hoch.

Mein Gegenüber riss die Augen auf. „Nichts! Gehts noch?!"

„Du sahst gerade ziemlich verträumt aus, also?", hakte ich nach.

Doch Conner schüttelte den Kopf. „Da läuft nichts! Und überhaupt, ich bin nicht schwul und Nero ist weg!"

„Sicher?"

„Ja! Er war heute Nacht bei mir Zuhause, weil Zayn Männer geschickt hat, die mich töten sollten und weil er davon wusste, hat er mir den Arsch gerettet!", verteidigte er sich. „Und können wir das Thema jetzt lassen?! Wir haben Wichtigeres vor!" Demonstrativ lief er zur Haustür und verließ den Raum.

Siegessicher grinste ich. „Ha! Du bist verliebt!", schrie ich ihm hinterher und hörte nur wie er wütend Irgendetwas erwiderte.

Knappe fünf Minuten später standen wir beide in der Garage und Conner versuchte meinen Blicken auszuweichen. Offenbar wollte er nicht weiter darüber reden. Sehr verdächtig!

Doch meine gute Laune hielt nicht lange. Sobald mir einfiel, wohin wir gleich fahren würden, wurde mir schlecht. Aufbauende Gedanken hatte ich keine und auch als schon die Halle in Sicht war, weil die Fahrt einfach viel zu kurz war, wurde mein Gefühl nicht besser.

Auch als ich die blaue Yamaha stehen sah, zog es sich in mir zusammen. Die MV Agusta daneben und die Kawasaki neben der orangenen KTM waren Beweis dafür, dass heute wieder viel los war. Ich hatte keine Ahnung, dass Miles auch die Schule schwänzte, aber seine Anwesenheit beruhigte mich irgendwie. Hoffentlich bekam ich heute wirklich keine Kugel in den Kopf!

RIDERS ~ Burn For ThisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt