*46* / safely to arrive at home

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Wir stehen so auf dem Friedhof, bis die Türen sich öffnen und die Bestatter mit den Särgen rauskommen. Nun heißt es gleich endgültig Ciao zur körperlichen "Nähe" zu sagen. Ich warte, bis Maria und Sabine an uns vorbei sind, bevor wir uns einreihen. Sabine nimmt wieder meine Hand und hält sie fest. Eigentlich müsste ich für sie stark sein. Immerhin sind es ihre beiden Kinder.
An den ausgehobenen Gräbern bleiben wir stehen und ich suche wieder den Halt bei Milan. Auch wenn es grade sehr schmerzt, wird es mir mit Sicherheit helfen. Zu Amazing Grace werden die Särge in die Erde gelassen und der Pfarrer spricht sein letztes Gebet. Ich weiss nicht, ob ich dafür dann grade doch schon bereit bin. Sabine nimmt Abschied und es bricht mir das Herz. Maria hält sich kurz, um ihrer Schwester beizustehen. Dann bin ich dran und stelle mich mittig zwischen die Gräber. <Goodbye my lover. Goodbye my friend.> beende ich meine Abschiedsrede und werfe zu beiden Blumen ins Grab. Danach umarme ich Sabine und Maria ein letztes Mal und sage <Ich muss leider wieder nach Köln. Bin nicht ganz offiziell hier und werde eh schon jede Menge Ärger bekommen.> <Oh man Emmi was machst du nur für Sachen? Na dann sieh zu... Aber danke trotzdem, dass du hier warst. Es bedeutet mir ehr viel.. Wenn was ist meldest du dich ja mein Kind?> fragt Sabine und ich nicke. Milan ist auch wieder bei mir und wir verlassen gemeinsam den Friedhof. Ja es ist tatsächlich besser. Bis der Schmerz ganz vergeht wird es dauern, aber ich muss immer sehen, dass sie unter die Erde gebracht werden...
Die Rückfahrt über schlafe ich. Zum ersten Mal seit Tagen wieder so, dass ich danach irgendwie ausgeruhter bin. Als ich die Augen öffne sind wir schon fast da. Wir fahren grade an die Kreuzung hinter der Autobahn mit roter Ampel. Milan hält und schaut mich grinsend an. <Was?> frage ich ihn unsicher und er erwidert <Du siehst so putzig verschlafen aus.> Allerdings hält die Idylle nicht lange an. Der Idiot in dem LKW hinter uns fährt komplett ins Milans Auto rein und schiebt es ins Fahrzeug vor uns. Da ich noch keine ausreichende Körperspannung habe knalle ich mit dem Kopf gegen das Fenster. Leider noch zu viel für meine eh überstrapazierten Nerven und ich starre nur noch zitternd gradeaus.
<Man Emilia... Sag doch endlich was!> fleht Milan mich an und rüttelt erneut an meiner Schulter. Ja das passt aber auch total zu diesem Monat. Ich schüttel meinen Kopf und sehe ihn an. <Na endlich.. Wie gehts dir?> fragt er mich besorgt und ich überlege <Ich glaube es ist noch alles dran und heil.> Ich bin etwas erleichtert und versuche die Tür zu öffnen. Der Versuch schlägt fehl und ich klettere umständlich aus dem zerschlagenen Fenster raus. Mein Kopf hat echt Wumms. Vor Stress ist mir schlecht und ich übergebe mich auf den Grünstreifen (das kann auch für nicht angeschlagene Menschen eine normale Stressreaktion sein). Ehe ich noch weglaufen könnte höre ich Sirenen und sehe dann, dass sie bereits da sind. Naja Ärger bekomme ich eh. Lustlos und genervt lasse ich mich auf den Po ins Gras fallen und hoffe noch darauf, dass sie mich nicht sehen wenn ich mich nicht bewege. Es wird eh nicht funktionieren. Naja aber da Flo Nachtdienst hatte, wird er schonmal nicht auftauchen können.
Dafür sind Alex und Marion da. Ich bin sowas von erledigt. Alex entdeckt mich leider zu schnell und kommt energisch mit Marion zu mir. <Sag mal Emilia spinnst du eigentlich? Du kannst doch nicht einfach aus dem Krankenhaus abhauen? Halb Köln ist in Alarmbereitschaft wegen dir!> meckert er sofort los aber stoppt dann seine Predigt, weil Marion ihn bremst. <Okey das klären wir später ja? Nun haben wir Wichtigeres zu tun!> meint Marion und setzt sich neben mich. <Du warst auf der Beerdigung von deinem Freund oder?> fragt sie sanft und ich nicke. <Okey.. Sag mal Em. Tut dir etwas weh?> fragt sie weiter und ich schüttel den Kopf. <Na immerhin!> entgegenet Alex forsch und ich zucke zusammen. Mir ist schon wieder schlecht und ich erhebe mich schnell, um mich erneut in den Busch zu übergeben. <Kümmer dich doch um die anderen Patienten!> zicke ich danach zurück als ich mich wieder aufrichte und funkel ihn böse an. Ich habe keine Lust mehr darauf, dass jeder meint zu wissen was am Besten für mich ist. Mit der Antwort hat er nicht gerechnet. Mir laufen schon wieder Tränen das Gesicht runter und es nervt mich selber schon. <Geh wirklich mal schauen was sonst noch anliegt. Ich bleibe eben noch hier.> meint Marion schlichtend und Alex geht weg.
<Ignorier seine Laune. Er hat sich nur große Sorgen gemacht und versucht das zu verbergen oder so. Dazu zickt er heute jeden von uns an. Männliche Regel oder sowas.> erklärt sie mir dann und kontrolliert standardmäßig meine Parameter. Sind zwar im Puls und Blutdruck grade erhöht aber ich stresse mich auch. Sie schaut sich dann meinen Kopf an und drückt vorsichtig auf die Stelle, die am Fenster gelandet ist. <Ich weiss, dass es nicht richtig war aber ich musste hin. Sonst wird das mit der Trauerverarbeitung nie etwas.> erwidere ich und sie nickt verständnisvoll.
Nach seiner Sichtung kommt Alex wieder und tut dann etwas, was ich in dem Moment nicht vermutet hätte. Er umarmt mich. <Ich hatte einfach Angst um meine Lieblings Nervkollegin.> erklärt er und lässt mich wieder los. <Es tut mir ja auch irgendwie ein bisschen leid.> entschuldige ich mich und grinse ihn schief an. <Noch einmal tust du sowas aber bitte nicht.. Ach ja ich sollte der Zentrale mal melden, dass du wieder aufgetaucht bist. Einer der Psychologen hat erwähnt, dass eine Suizidgefahr nicht auszuschließen ist.> erzählt Alex und lacht kurz auf. Er kennt mich schon zu gut und weiss, dass ich zwar autoaggressiv aber für einen Suizid nicht wirklich in der Lage bin. Also nicht ohne den Einfluss von Substanzen. Wir haben halt schon viele langweilige Nachtschichten miteinander verbracht und viel geredet. <Der 1NEF4 für die Leitstelle... Ja wir sind bei dem Einsatz an der Kreuzung und haben Emilia aufgefunden. Ihr geht es soweit gut. Entwarnst du bitte die Teams und die Polizei? Wir bringen sie in die KAS... Und melde uns dort bitte an. Eine Kopfverletzung mit einem GSC von 15 und ein Verdacht auf distale Radiusfraktur und Schädel Hirn Trauma 1, GCS ebenfalls 15... Sollte jemand wegen Emmi Stress machen nehme ich sie allerdings sofort wieder mit!> funkt er und ich muss grinsen. Absoluter Lieblingsnotarzt. Mit Phil fahre ich leider viel zu wenig.
<Na komm Hase.. Zurück in die Klinik.. Ausnahmsweise transportieren wir deinen Freund und dich in einem RTW. Ich glaube der Sitz reicht für dich... Und bevor du dich aufregst: Milan wurde eben aus dem Auto befreit. Da sein Arm vermutlich frakturiert ist konnte er nicht wie du aus dem Fenster klettern.> meint Alex dann zu mir und hilft mir wieder auf. Gemeinsam gehen wir zum RTW, wo Milan bereits drin ist, und Alex hilft mir rein. <Es tut mir leid Milan.> sage ich und setze mich auf den Sitz an seinem Kopf. <Nicht deine Schuld Emmi! Der LKW ist in uns rein. Nicht du!> entgegenet er mir und ich bin erleichtert. Milan ist nicht sauer auf mich.
Nach 10 Minuten kommen wir in der Klinik an und Kevin öffnet sie Seitentür für mich. Aus Gewohnheit springe ich raus und Alex meint nur <Boah EMILIA SOPHIE AHRENDS.. Du weisst wie sehr ich mich jedes Mal erschrecke.> <Sorryy.> entschuldige ich mich grinsend und atme durch. Meine Stirn pocht etwas aber laut Marion bildet sich da grade ein ordentliches Hämatom. Naja wer schafft es auch sonst mit seinem Kopf eine Autoscheibe zu zerschlagen. Oder es war halt auch scheiß Qualität.

Ex hoc momento pendet aeternitas - omnia vincit amorWhere stories live. Discover now