Der Vorentscheid

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Der Tag ist gekommen. Heute ist der Vorentscheid. Das waren die ersten Gedanken, die mir Samstagmorgen durch den Kopf schossen. Ich trug meine Mannschaftskleidung. Jacke, T-Shirt, Trainingshose, überall stand der Name meines Teams: Ashriver Mantas. Ich kontrollierte ein letztes Mal ob sich alles wichtige in meiner Tasche befand: Badeanzug, Schwimmbrille, Badekappe, Handtuch, alles war da. Ich atmete noch einmal tief durch und verließ dann das Wohnheim.

Frank stand wie ein Leuchtsignal auf dem Parkplatz. Toby lehnte an dem VW Bus und wartete. „Na, aufgeregt?", fragte er mich „Und wie", sagte ich. Letzte Nacht hatte ich kaum ein Auge zugemacht. Viel zu viele Gedanken spukten in meinem Kopf umher. Wie wohl die Konkurrenz aufgestellt war? War das Zeitlimit zu schaffen? Und war es wirklich so schlau von mir hier anzutreten? Ja, so ähnlich sah es die letzte Nacht in meinem Gehirn aus. Manchmal wünschte ich mir einen Schalter, den ich auf OFF stellen konnte.

„Ihr schafft das schon, schließlich habe ich euch trainiert!", stolz schlug er sich auf die Brust. Das entlockte mir ein Lächeln. Toby war wirklich ein Spaßvogel.

Wenig später befanden wir uns dann auch schon auf dem Freeway. Eigentlich wurde mir auf Autofahrten nicht schlecht, doch gerade war ich froh über meinen Fensterplatz. Wie konnten die anderen nur alle so ruhig bleiben? Oh Gott, wenn es mir jetzt schon so ging, wie wurde das dann erst im Stadion, oder noch schlimmer: Auf dem Startblock?!

Das Gebäude, vor dem Toby Frank parkte war hochmodern und riesig. Hamptons Swimming Stadion stand in großen schwarzen Lettern über dem Eingang. „Das ist ja gigantisch!", staunte ich. „Ach, so groß ist das gar nicht. Im Vergleich zu dem Hauptstadion von Kalifornien ist es sogar recht klein", erklärte Chris. „Was?!" „Ja, eigentlich ist das hier mehr sowas wie ein normales Schwimmbad mit einem großen Außenbecken und einer Tribüne. Ist heute ja auch nur der Vorentscheid" „Wie kannst du nur so völlig unbeeindruckt sein?", fragte ich ihn „Das liegt daran, dass ich auch schon in dem Stadion von Kalifornien war, wo die Präfekturwettkämpfe stattfinden. Schaffen wir heute den Cut, dann ist das übrigens unser nächster Halt" „Also, wenn wir uns heute im regionalen Vorentscheid qualifizieren, dann geht es weiter zum Präfekturwettbewerb, wo dann alle Schwimmer aus Kalifornien gegeneinander antreten, oder?", fragte ich ihn. Ich hatte das zwar alles im Internet recherchiert, aber sicher ist sicher „Genau", sagte unser Captain „Und wenn wir dann auch noch die Präfektur gewinnen, dann geht es zum finalen Entscheid, der dieses Jahr in Oregon stattfindet. Im Finale treten wir dann gegen die Präfektursieger der anderen Staaten an" „Warst du schon mal im Finale?", fragte ich ihn „Nein. Letztes Jahr hab ich es zwar über den Regionalentscheid hinaus bis zur Präfektur geschafft, aber da bin ich dann rausgeflogen" „Und wie sieht es mit den anderen aus?", fragte ich „Unser Staffelteam ist bereits in der Vorrunde rausgeflogen", er verzog das Gesicht „Außer mir haben es noch ein paar der älteren und Nico es zur Präfektur geschafft, aber keiner drüber hinaus" „Nicht mal Nico?", fragte ich verwundert. Chris schüttelte den Kopf „Er ist nicht angetreten" „Was?", sagte ich entsetzt. Ich konnte mir das kaum vorstellen. „Unser Kapitän hat ihm das ganz schön übelgenommen, aber ich denke, dass er schon seine Gründe dafür gehabt hatte". Ich nickte stumm. Was konnte man wohl für Gründe haben, um so eine Chance zu verpassen? Das Wasser wirft dir nicht vor dein Talent zu verschwenden oder deine Chancen wegzuwerfen. Das war es was er mir an dem Abend am Himmelsauge erzählt hatte. Irgendetwas muss da vorgefallen sein...

„Sofia! Schau dir das an", drang es plötzlich zu mir durch. Ich blinzelte mehrfach und stellte fest, dass wir offenbar die Anmeldung durchquert hatten, ohne dass ich etwas davon mitbekommen hatte. Jetzt standen wir auf einer Art Plattform und Mateo deutete unablässig auf einen Fleck. Ich trat näher an das Geländer heran, um besser sehen zu können und da war es: Das Schwimmbecken. Fünfzig Meter klares blaues Wasser breitete sich unter mir aus und zu beiden Seiten reckten sich die Zuschauertribünen in die Höhe. Die Startblöcke funkelten im Sonnenlicht, eine Girlande mit bunten Fähnchen spannte sich über dem Becken und ein großer Bildschirm zeigte die Nummern der verschiedenen Bahnen. Später würden Namen danebenstehen. „Wow", staunte ich. Die ersten Plätze auf den Tribünen waren bereits besetzt. Große Banner hingen von den Geländern und zeigten die Logos der verschiedenen Universitäten. Außerdem stand meistens noch ein Spruch dabei. Kämpfen und Siegen stand auf einem. Das daneben zierten die Worte Schnell, Unnachgiebig, Stark. „Warum haben wir kein Banner?", fragte Mateo. „Weil wir keine Fans haben, die es halten würden", grummelte Ryan. „Hey! Nicht so negativ", sagte Mateo. Doch leider hatte Ryan Recht. Die ganzen anderen Unis schienen ganze Clubs von Fans zu haben, während wir nur Toby und May hatten, die uns anfeuern konnten. „Ist doch egal wie viele Fans die haben, am Ende gewinnen nicht die die am lautesten schreien, sondern die, die am schnellsten schwimmen, und das sind wir", versuchte May uns aufzuheitern. „Eure Managerin hat recht, außerdem bin ich auch hier", sagte eine tiefe Stimme hinter uns. Ich fuhr herum und erkannte eine große Gestalt hinter mir „Andrew!", rief ich begeistert. „Hallo, alter Junge, schön dass du es geschafft hast", sagte Toby und klatschte seinen Kumpel ab. „Muss ja sehen ob sich euer Trainingscamp und das BBQ gelohnt haben", sagte der Schiffsführer und ließ sich auf einen der Plastiksitze fallen. „Wir werden den jungen Leuten zeigen wie richtiges anfeuern geht"

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