Der Sturm

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Mitten in der Nacht schreckte ich hoch. Draußen rauschte es heftig, doch das war es nicht was mich geweckt hatte. Da war irgendetwas anderes gewesen. Hatte mich ein anderes Geräusch aus dem Zelt wachgerüttelt oder war es nur ein ungutes Gefühl gewesen? Ich sah mich um. In der Dunkelheit konnte ich grob Mays Silhouette ausmachen. Der Brustkorb meiner besten Freundin hob und senkte sich ruhig. Sie schlief, also war sie schon mal nicht der Grund weshalb ich wach lag.

Ich wand mich aus meinem Schlafsack und kletterte zum Zelteingang. Vorsichtig zog ich den Reißverschluss auf. Die Zeltplane wehte ein Stück zur Seite. Ich stieg aus dem Zelt und schloss es hinter mir wieder. Sofort wurde ich von einer Windböe erfasst, die meine Shorts und das oversized T-Shirt eng an meinen Körper presste. Die blonden Strähnen flogen wild um meinen Kopf und ich hob schützend einen Arm vor mein Gesicht.

Das Meer war in Aufruhr. Die Wellen beugten sich mehrere Meter hoch auf und vielen mit einem Geräusch wie Donner wieder in sich zusammen. Wind und Regen peitschten dagegen. Alles vermischte sich zu einem unheilvollen Gesang. Es war so verdammt Laut!

Doch da war noch etwas. Ganz leise versuchte sich ein weiteres Geräusch zu mir durchzuschlagen. Ich kniff die Augen zusammen. Ein eiskalter Schauer kroch über meinen Rücken. Der dunkle Umriss dort. Jemand war im Wasser!

Ich stürmte zum Meer. „Hilfe!" Ryan. Es war Ryan der dort im Meer gegen die Wellen kämpfte. Ich musste ihn da rausholen, nur wie? Alleine schaffte ich das nicht. „Halt durch!", schrie ich gegen den Sturm an und stürmte zum Zelt von Chris und Nico. Ich riss die Plane zurück und sogleich fuhr ein heftiger Windstoß in den geschützten Raum. „Was ist denn los?", nuschelte Chris „Ryan!", schrie ich beinahe „Er ist im Meer". Plötzlich waren beide hellwach. „Was? Er ist im Meer?", fragte Nico erschrocken. Ich nickte und stürmte schon wieder zurück an den Strand. Chris und Nico waren dicht bei mir. „Hilfe", drang es erneut zu uns herüber. Eine Welle drohte den rothaarigen mit sich zu reißen. Einen Moment verschwand er unter den Fluten, doch da! Er tauchte wieder auf. „Dieser verdammte Idiot", schrie Chris und riss sich das T-Shirt vom Leib. Nico tat dasselbe. Noch während sie auf das Meer zustürmten rief Nico mir zu: „Wir holen ihn da raus, hol du Hilfe!" Sie sprangen in die grauen Fluten, eine Welle erfasste sie und trieb sie weiter auf das Meer hinaus. Näher zu Ryan hin, der irgendwie versuchte sich über Wasser zu halten. Sie waren da. Chris nahm ihn auf der einen Seite und Nico schwamm auf die andere, um ihn dort zu sichern.

Er sah sie nicht kommen. Wie ein riesiges Ungetüm türmte sie sich hinter ihm auf. „Nico pass auf!", schrie ich, doch meine Warnung kam zu spät. Die Welle brach und begrub den Jungen unter sich.

Ich dachte nicht darüber nach, was ich als nächstes tat. Noch während die Welle auf ihn zurollte war ich bereits mein T-Shirt losgeworden. Ich stürmte auf das Meer zu und stürzte mich in die tosenden Fluten. Ich dachte nicht darüber nach, dass ich das nicht packen könnte, ich dachte nicht darüber nach, dass es vielleicht schon zu spät war, ich dachte nur daran, dass ich ihn retten musste. Ich kämpfte gegen die Wellen, die so viel stärker waren als ich an, ließ mich von ihnen mitreißen und löste mich unter größter Kraftanstrengung wieder von ihnen. Ich tat alles was mich näher an die Stelle wo Nico untergegangen war heranbrachte.

Ich hatte Chris und Ryan erreicht, doch das war noch nicht genug. Ich kämpfte mich weiter nach vorne und tauchte dann ab. Meine Augen brannten von dem Salzwasser, meine Lungen verkrampften sich, weil ihnen die Luft zum Atmen fehlte, doch ich suchte weiter. Ich fühlte etwas an meiner Hand. Nico. Ich griff unter seine Arme und durchbrach mit ihm die Oberfläche. Einen Moment lang war ich komplett orientierungslos. Hastig suchte ich nach Chris, doch ich entdeckte ihn und Ryan nirgends. „Chris", rief ich den Namen unseres Captains. Keine Antwort. Verdammt wo war er? Hat ihn etwa auch eine Welle erwischt? Nein, darüber darf ich mir nicht auch noch Sorgen machen. Ich musste Nico an Land schaffen. Da, vor mir erkannte ich einen Umriss in der Finsternis. Das musste eine Insel sein. Keine Ahnung wie weit sie weg war, doch im Moment war sie meine einzige Hoffnung.

Dive in with your HeartWhere stories live. Discover now