Kapitel 78

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Jasons Sicht: 

Ich musste raus aus dem Zimmer. Ich brauchte einen kühlen Kopf. Charlett mit den getrockneten Tränen, wie sie da so unschuldig schlief. Es hätte sonst was mit ihr passiere können. Sie war so zerbrechlich so zerbrechlich. Warum Sie? Warum musste sie so etwas erfahren?

Ich brauchte frische Luft. Leise trat ich in den Flur, holte meine Gitarre und ging die Treppe der Jugendherberge so weit hoch, bis ich nicht mehr weiter konnte. Hinter dieser Stahltür musste es aufs Dach gehen. Mit der einen Seite von meiner Gitarre, die oben abstand, öffnete ich vorsichtig das Schloss und stand im Freien.

Über der Stadt breitete sich von der Moldau her ein schwacher Dunst aus und die Stadt wirkte wie in Trance, wie noch nicht ganz wach. Alles noch so frisch und unberührt.

Ich atmete die frische Luft ein. Es tat gut wie sie meinen ganzen Körper erfüllte. 

Mir wurde plötzlich klar, dass ich sie nicht beschützen konnte. Ich konnte sie nicht beschützen weil in jeder Ecke Monster warteten, weil in jeder Straße das Grauen hauste und weil in jedem Gott verdammten Moment der Blitz einschlagen konnte.

Ich konnte sie nicht mal von mir fernhalten, weil ich mich eben nicht von ihr lösen kann.

Sie schwirrt in meinem Kopf. Ich kann sie nicht weg denken, nicht ignorieren, nicht meiden.

Was für eine Nacht. Was für eine Klassenfahrt, was für eine Zeit.

Kopfschüttelnd ließ ich mich neben einen Schornstein fallen.

Heute Abend würden wir unseren Gig spielen und plötzlich brach es aus mir heraus. Ich spielte und sang. Zwei Stunden die wie im Flug verstrichen waren brauchte es um ein Komplett neuen Song zu schreiben. Ein Lied für Charlett.

Wie elektrisiert spielte ich den letzten Akkord und wusste, heute Abend würde ich sie überraschen. Ich würde vor all den Menschen ihr das Lied spielen und nur ihr.

Ich stürmte ins Zimmer. Ich musste sofort Ryan wecken und mit ihm und Kaden den song üben und uns vorbereiten. Ich wollte umbedingt das es perfekt wird.

Perplex und verschlafen zog ich ihn aus dem Bett und überredete ihn meinen Plan durchzuführen. So schnell wie noch nie lernten wir die Töne und mit jeder Note stieg meine Aufregung. Die Stunden kamen immer näher und schneller als ich denken konnte war der Moment da. 

Der Raum war dunkel die Menschen jubelten vor Beifall und ich bekam ihre vor Freude strahlenden Augen nicht mehr aus meinem Kopf. Ich musste sie sehen sofort. 

Der Abend fegte wie im Flug an mir vorbei und im Nachhinein kommen die schönsten Bilder in mein Gedächtnis zurück.

Nach dem ganzen Trubel fanden wir uns alle in einer sehr gemütlichen Bar wieder. Es war echt schön mit dem ganzen Jahrgang spaß zu haben. Gefühlt waren alle gut drauf. Selbst Ashley die sich wie auch immer ein wirklich nett aussehenden Typen geangelt hatte und mit ihm an der Bar plauderte und lachte. Ich musste zugeben so authentisch wie an diesem Abend hatte ich sie noch nie erlebt.

Aber eigentlich konnte ich mich nur auf Charlett konzentrieren. Ich wusste ich würde ihr alles erzählen. Ich wollte keine Sekunde mehr Geheimnisse vor Ohr haben. Ich wollte, dass sie alles über meinen Bruder und meine verflixte Familie wusste. Insgeheim wusste ich, dass nur dann unsere Beziehung funktionieren würde und erst dadurch ich sie beschützen kann. Denn Wissen ist Macht.

Ich wollte sofort diese Hürde überwinden. Ich wollte neu anfangen. Richtig anfangen. Ehrlich. Ohne Unwissenheit.

Ich zog sie in den draußen Bereich und wir setzten uns auf ein Stapel Paletten die zwischen mehreren angelegten Blumenbeeten standen.

"William ist ein schlechter Mensch", fing ich an. 

Charletts Dauergrinsen erstarrte zu eis.

"Du musst es mir nicht erzählen", murmelte sie und schaute auf ihre Fingernägel.

"Ich will es dir erzählen", erwiderte ich und hob langsam ist Kinn, ich wollte das sie mich anschaute.

"Ehrlich?"

"Charlett, du bist mir so wichtig. Ich will das du die ganze Geschichte von meiner Familie kennst. Ich will, dass du mich kennenlernst. Dass du weißt wer ich bin.", ich schluckte.

Ich war bereit verdrängte Bilder wieder hervorzuholen und ihr die unverblümte Wahrheit zu erzählen auch wenn ich einen Schmerz in meiner Brust spürte.

"Es war dieser eine Abend wir hatten es eilig. Es war dieser verfluchte Abend, der alles zerstört hat. Der mich und meinen Bruder für immer auseinander gebracht hatte. Meine Mutter ist gefahren, wir mussten zu ihrer Vernissage und wäre viel zu spät. Denn William und ich hatten uns die ganze Zeit um eine Bluse gestritten. Die Nerven meiner Mutter hingen nur noch an einem seidenen Faden. Aber uns war es egal wir stritten und prügelten uns. Als wir los fuhren hatte ich ein blaues Auge und William ein zerrissenes Hemd. Das schlimme dabei war, wir wussten wie wichtig ihr diese Veranstaltung war. So viel neue Türen hätten ihr damit geöffnet werden können. Wären wir einfach hingefahren. Sie hätte auf dem Podium eine tolle Geschichte nach der anderen über ihre Bilder erzählt, wir hätten brav, im schicken Hemd und zurecht gemachten Frisuren, dort gesessen und stolz zu unserer Mutter aufgeschaut. Zu unserer Mutter die uns so viel bedeutete. Die die wichtigste Person in unserem Leben war. Natürlich hörten unsere Streitereien nicht auf. Wir prügelten uns weiter auf der Rückbank.", ich spürte wie meine Stimme zu brechen begann. "Auf einmal hat er mich gebissen oder so.... Ich weiß es alles nicht mehr genau... ich weiß nur noch, dass ich laut geschrien habe.", ich stoppte und merkte wie die Bilder zurück kamen. Die schrecklichen Bilder.

"Das einzige woran ich mich noch erinnern kann, ist der verärgerte Blick meiner Mutter, ihre Hand die versuchte uns auseinander zu bringen und dann diese riesigen Scheinwerfer des Lkws, der genau auf uns zu steuerte. Dann ist alles schwarz", ich starrte ins leere. Ich spürte wie sie Bilder in meine Kopf auftauchten. Mein ganzer Körper war wie gelähmt.

Plötzlich spürte ich Charletts Arm der sich um mich legte. Meine Trance löste sich und plötzlich brach ich unter einem Heulkrampf zusammen. 

"Es tut mir so leid", flüsterte sie.

Nach ein paar Minuten hatte ich mich ein wenig beruhigt. 

"Das ist de Grund warum sie im Rollstuhl sitzt oder?", fragte sie mich vorsichtig.

Ich nickte.

"Wir sind schuld, schuld dass sie nicht mehr laufen kann, dass sie sich die permanenten Diskriminierungen erfahren muss. Die Familie von meinem Vater ist schrecklich. du musst wissen sie hatte es schon vor dem Unfall nicht leicht. Mein Vater hatte sich in eine Künstlerin verliebt und nicht in eine reiche Frau mit großer Geschäftsfamilie. Dieser Unfall hat ihr leben zerstört."

"Das stimmt nicht", hörte ich plötzlich Charlett sagen. Offensichtlich selbst erschrocken über ihre Worte. "ähm also ich meine ja sie hat es nicht leicht mit deinen Großeltern, aber sie ist glücklich. Sie hat ihre Kunst und sie ist so eine tolle Frau."

Ich musste lächeln.

"Du hast recht"

Ich lehnte mich zu ihr und küsste sie auf die Stirn. 

"Du hast so recht"

...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 30, 2020 ⏰

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