Ocean Eyes [MERMAID!AU]

💙 32

Jetzt saß Cassian hier.

Mit Beinen und den lustig wackelnden Zehen, mit schwarzen Haaren und denselben ozeanblauen Augen, in die Ezra sich Hals über Kopf verliebt hatte. Die er noch immer liebte. Ohne leuchtende Runen auf seinem schönen Körper. Er war wie Ezra. Und das war perfekt. Absolut perfekt. Die ozeanblauen Augen funkelten direkt in Ezra's braune Murmeln zurück, während sein verdammt attraktiver Gefährte das jüngste ihrer Nesthäkchen vom linken auf den rechten Oberschenkel drapierte, im Buch eine Seite weiter blätterte, sich anschließend das Hemd aufknöpfte und ergänzte: „Ich würde es eher so sehen, dass du eindeutige Symptome eines Sexmangels aufweist. Das ist verwunderlich in Anbetracht der Tatsache, dass wir überdurchschnittlich oft miteinander schlafen. Besagt immerhin dieses Zauberkästchen...Guhgl oder wie es sich nennt. Ihr Menschen und eure trickreichen Erfindungen"

Ezra zuckte geplättet zusammen und ihm klappte der Mund auf.

Hatte...hatte sein süßer, liebevoller, umsichtiger und engelsunschuldiger Partner eben einfach mal rausgehauen, was er glaubte gehört und verstanden zu haben? Nein, das konnte nicht sein. Der Tag war lang und anstrengend gewesen, Ezra war bestimmt zu müde und hatte es sich eingebildet. „Vielleicht hätte ich dir nicht zeigen sollen, was das Internet ist und wofür man es hernehmen kann", kritisierte er seine offenherzigen Lehrstunden an seinem Laptop, der Cassian bis heute ziemlich seltsam vorkam. Verständlich. Dort wo er herkam, an einem Ort an dem man bestraft wurde obwohl der Gesetzesbruch zur Rettung eines Unschuldigen gedient hatte, gab es weder Technologie noch hochaufgelöste Pixel eines Streamingchannels. Eine veraltete Politik und unmenschliche Grundrechte, das war das Mittelalter der Meere, wie Ezra insgeheim dachte. Cassian war es mittlerweile nicht mehr allzu wichtig als ehemaliges Staatsoberhaupt an den jährlichen Konferenzen teilzunehmen, verbrachte seine Zeit lieber in seinem Zuhause und lebte sein Glück. Cassian bevorzugte ein gutes Buch und nicht diesen seltsamen Schnickschnack, mit dem die Menschen ihre Augen eckig guckten und ihre Sehkraft belasteten.

Cassian grinste nur kommentarlos belustigt und streichelte Noah zärtlich das dunkelhaarige Köpflein, während dessen winzige Fingerchen sich wonnig an die warme Brust hafteten und konstanten Druck ausübten, um das hungrige Mäulchen mit der geliebten Milch zu füttern. „Hu, nicht so gierig", tätschelte er ratsam, seufzte und bemerkte nicht, wie sich der Schwarzhaarige mit einem Schmunzeln mitansah, wie sein harmoniebedürftiger Liebespartner friedvoll die fürsorgliche Mutterrolle auslebte und Noah stillte. „Babys sehen wahnsinnig toll an dir aus", komplimentierte Ezra ehrlich, für ihn war es rein gar nicht abartig oder ein anderweitig makabrer Anblick.

Warum auch?

Es war eben die Natur der Ozeaner, die anders als die der Menschen funktionierte. Das hatte er von Anfang an gewusst und Cassian klargemacht, dass er sich für nichts schämen durfte. Sie kamen aus zwei verschiedenen Welten, und mussten lernen einander zu verstehen und trotz des gemeinsamen Familienlebens hin und wieder eine individuelle Zeit für Freiräume schaffen. Cassian, der sich nicht recht wohl dabei fühlte, als einzige männliche Mutterfigur der Erdpopulation die charakteristischen Eigenschaften von Frauen an sich zu tragen die ihn von der breiten Gesamtmasse differenzierten, vertraute Ezra wann immer der ihm sagte, dass es keinen Unterschied machte. Die Kinder brauchten eine solche Fürsorge, und warum sollte dieses Privileg den Männern vorenthalten werden? Die Natur funktionierte an Land eben anders als unter Wasser, das war normal und daran sollte man nicht zwanghaft Veränderungen anstreben. Wie bei den Seepferdchen auch bekamen die Männchen das Kinderglück und kümmerten sich um die Jungen, angefangen vom Kinderwunsch über die Befruchtung bis zur Geburt. Cassian wäre, bevor er sich in Ezra verliebte, zum Zweck einer diplomatischen Konvergenz zwangshaft in die Mutterrolle genötigt worden und das so lange, bis der Thronfolger ein gesunder Knabe gewesen wäre. Jeder der diese Vorgeschichte kennt weiß so gut wie ich, dass Cassian daran elendig zugrunde gegangen wäre.