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Unbarmherzigen Wellen schlugen krachend übereinander zusammen, vermengten die Finsternis der Nacht mit der Schwärze der See und erstickten jegliches Leben unter ihrer Gewalt. Die reißenden Gischten spritzten wie funkelnde Blutstropfen in jegliche Richtungen, peitschten um sich und wandelten sich zu einem kräftigen Sog, der alles und jeden binnen weniger Momente mit einer solchen Leichtigkeit in die verhängnisvolle Tiefe riss, als würde der Wind ein trockenes Laubblatt vor sich her treiben. Die Natur besaß immense Gewalt und Kraft, die die Menschen trotz der unzähligen bereits geschehenen Unglücke und Naturkatastrophen immer noch unterschätzten und sich deren zerstörerischer Absicht nicht bewusst waren. Oder weil die Landbewohner mit ihrem übertriebenem Ego und dem nur allzu leicht kränkbaren Stolz nicht akzeptieren wollten, dass sie an der Spitze der Nahrungskette noch lange keinen Platz hatten.

Eine unterentwickelte Spezies.

Der simplen Natur unterlegen.

So dachten sie.

Ein Blitz zuckte über den weinenden Himmel, grell und blendend, und erleuchtete den Sturm und die brausenden Wellentürme, die bei jedem weiteren Zusammenstoß neuen weißen Schaum aufschlugen und damit die Oberfläche in äußerst ästhetischen Konstellationen zierte.

Ihnen trotz der gewaltvollen Demolation etwas Sanftmütiges verlieh.

Doch so schnell wie die tanzenden weißen Muster erschienen, prickelnde Gischtbläschen in deren Oberfläche sich die Lichtblitze verkrümmten, genauso rasch wurden die Dekorationen von mächtigen Seezungen verschlungen und hinab in den dunklen Rachen des Ozeans gezogen. In dem Prozess entstand ein undurchdringlicher Kreislauf: Meerkronen entstanden, Meerkronen wurden in die Tiefe gerissen und zerbarsten in der Finsternis des Ozeans. Das Meer holte sich alles zurück, was ihm gehörte, unbarmherzig streckte es die Fluten nach dem missenden Eigentum aus. Es hinterließ nach dem Angriff auf die Konstellationen nur silberne Bläschen, ehe es sich einem neuen Opfer widmen würden, welches es mit dem Ausmaß seiner verborgenen Kraft verschlingen konnte. Die Menschen unterschätzten in ihrem Hochmut die tatsächliche Gewalt des blauen Wassers, dessen Geduld sie mehr und mehr überstrapazierten und je größer die Unvernunft der Zweibeiner, desto ärger grämte sich das Meer und bedauerte wie es Missverstanden wurde.

Da passierte es.

Inmitten des grausigen Seesturms und dem Sterben der Meerkronen erhob sich aus der auf den Wellen tanzenden silbrigen Schaumschicht ein verzerrter Schatten, der sich nach allen Seiten aufmerksam umsah und dabei allerdings gut versteckt vor einem potentiellen Augenzeugen blieb. Fast schon suchend verweilten die Augen der Gestalt keinen Moment an einer bestimmten Stelle, sie wanderten ruhelos immer weiter über die Wellenberge und trotzdem dem reißenden Wind tapfer, bis sie an etwas haften blieben.

Dem Schiff.

Die ozeanblauen Augen funkelten durch die Reflektion eines Blitzes auf und könnte man dieses Wesen nur erspähen, würde sicherlich niemand mehr an dessen Existenz zweifeln.

Das Meer riss die menschliche Baukunst nach oben um es danach über einen steilen Wellenrücken wieder auf die Wasseroberfläche aufklatschen zu lassen, bis sich die Gestalt sicher war, das Knarzen der überdimensional großen Schale hören zu können. Die grausigen Geräusche, an denen die Belastbarkeit des Schiffes deutlich herauszuhören war, ängstigten das Wesen und appelierten unverzüglich an die Gutmütigkeit seines Charakters. Die zuckenden grellen Blitze am Firmament jagten dem Schatten einen unangenehmen Schauer über den Rücken, doch gegen das Wetter hatte das kleine Ding nichts in den Händen. Fröstelnd schluckte es.

„Oh nein, hoffentlich passiert nichts Schlimmes! Die Himmelskinder wüten ausgelassener als sonst!", dachte das Geschöpf besorgt und beobachtete mit großen, hoffenden Augen das Schiff, das just in dem Moment gefährlich schwankte während es gerade von einer seitlichen Welle ins Wanken gebracht wurde. Die Wassermassen waren so hoch wie uralte Korallenriffe und mit jedem zackenden Donner verschnellerte sich das Schlagen seines Herzens, jedes Blitzlicht gab Einblick in die sich zuspitzende Lage und hielten vage Illusionen fern, denn es war ernst und das Meer wütete unaufhörlich. Das Wesen befand sich knappe hundert Meter entfernt im Wasser, der Sog der Baukunst übte keinerlei ernst zu nehmende Auswirkung auf den trainierten Körper des Meerkindes aus, war es ja gewöhnt sich gegen die starken Strömungen zu behaupten, und es schwebte in sichtlicher Sorge um das Wohl der Menschen.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]   vkookOnde histórias criam vida. Descubra agora