1. Kapitel

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Sicht Marie:

Hallo, ich bin Marie und 14 Jahre alt. Mein Leben ist eigentlich ganz normal. Es gibt nichts besonderes über mich zu berichten. Ich gehe an ein Gymnasium und bin ganz gut in der Schule. Ich habe nicht wirklich viele Freunde, aber die will ich auch nicht. Ich bin eine Person, die allein sein will, die Ruhe braucht. Es kann natürlich auch alles nur an ein Paar Schicksalsschlägen in meinem Leben liegen, aber das interessiert eh keinen. Meine kleine Schwester ist vor ungefähr einem Jahr an Krebs verstorben, obwohl die Ärzte meinten er wäre weg. Er ist wieder gekommen und dann überall. Er hatte ihr Gehirn, ihre Lunge, ihr Blut, ihre Leber und zu guter letzt auch noch ihr Herz befallen, sodass sie keine Chance mehr hatte. Eines Tages kam ich zu ihr auf die Kinderstation und verbrachte mit ihr den ganzen Tag. Ihr müsst wissen, wir hatten win großen Altersunterschied und sie war an ihrem Todestag erst
3 1/2 Jahre alt, für mich war sie wie meine eigene Tochter. Es mag jetzt vielleicht komisch klingen, aber ich fühlte mich schon immer für sie verantwortlich und übernahm auch schon immer sehr viel zu Hause, so dass ich sie großgezogen hatte. Naja, so weit man das bei ihrem jungen Todesalter großziehen nennen kann... Meine Eltern haben sich noch nie sonderlich viel um uns gekümmert, da sie viel arbeiten mussten, aber ich und Pia, so hieß die Kleine, haben es ihnen niemals böse genommen, da sie sich immer bemüht hatten mehr Zeit mit uns zu verbringen, doch es hatte nie so richtig geklappt. Aber sie gaben sich immer Mühe für uns da zu sein, uns ein schönes, glückliches Leben zu beschaffen und standen uns immer bei. Denn noch hatte ich eine engere Bindung zu ihr, als meine Eltern. Ich war jeden Tag nach der Schule bei ihr, lernte dort, machte meine Hausaufgaben und spielte mit ihr bis es spät wurde. Sie hatte 2 Jahre lang gekämpft und trotzdem.....
Das Leben kann so gemein sein.
Naja, auf jeden Fall sind meine Eltern immer für mich da und sind nun sogar beruflich ein Schritt zurückgegangen, um mir bei zu stehen und selbst zu über Vergangenes hinweg zu sehen.Ich habe die beiden unglaublich lieb, doch dem Anschein nach, sie sich nicht mehr. Seit beide mehr zu Hause und somit auch mehr zusammen sind, streiten sie immer wieder heftig, über alle denkbaren Themen. Sie schreien sich an, sobald sie sich sehen. Aber denn noch, haben sie sich noch nicht getrennt, auch wenn es wahrscheinlich für sie besser wäre und sie es gerne täten. Sie taten es nicht, wegen mir. Schon allein deshalb liebte ich sie so. Sie nahmen so viel Rücksicht und hielten so viel aus, nur für mich. Sie wollten nicht, dass ich noch jemanden verliere, dass ich mir Sorgen mache. Sie wollten nur, dass ich glücklich bin und das bin ich dem Anschein nach auch. In mir drin jedoch brodelt es nur an Vorwürfen, Trauer und Sorge, doch ich habe gelernt bestimmte Gefühle zu verstecken, sie in meinem Herzen einzusperren und sie erst in Einsamkeit hervorzulassen. Hobbys habe ich eigentlich auch keine, seit Pias Tod fehlt mir die Lust dazu und auch vorher, da hatte ich sie. Sie war etwas wie ein Hobby für mich. Sie war meine Aufgabe, meine Erfüllung, mein Lebenssinn und machte mich mit jedem Grinsen glücklich. Doch nun...
Mit meinen Eltern unternehme ich zur Zeit viel. Wir gehen ins Kino, machen abenteuerliche Ausflüge, Fernsehabende und alle möglichen Touren. Haben Spaß, lachen und verdrängen unsere Trauer für einen kurzen Moment, wobei Mom und Dad schon länger über Pias Tod hinwegsind, während ich es noch lange nicht bin. Dennoch pflegen sie unsere Ausflüge, trotz jenen heftigen Diskussionen und Streitigkeiten, sowie ihrem Hass aufeinander.
Das wars eigenlich auch schon zu mir.

Eine Seele aus GlasWhere stories live. Discover now