Kapitel 74

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*Lunas Sicht*

Seit Tagen hatte ich mich in meinem Zimmer eingesperrt und ließ niemanden außer Nina an mich heran. Egal wer an die Tür klopfte, ich machte niemandem auf. Nina respektierte meine Privatsphäre und ließ mich allein. Wenn sie sich mit Gaston traf, dann nur bei ihm oder woanders, als in unserem Zimmer.

Für den Unterricht hatte ich mich auch abgemeldet und immer wenn eine Krankenschwester kam, um zu sehen wie es mir ging, spielte ich ihr eine Erkältung vor. Ich war selbst erstaunt, als ich merkte, wie gut dies klappte. Eigentlich war ich nämlich eine ziemlich miese Lügnerin.

Gerade saß ich auf meinem Bett, die Decke bis an das Kinn hochgezogen und las in irgendeinem Buch, welches Nina mir in der Bibliothek ausgeliehen hatte. Ich verstand zwar nicht wirklich worum es ging, aber es lenkte mich zumindest ein bisschen ab und verhinderte, dass meine Gedanken ständig zu dem Telefonat abdrifteten.

Aber hin und wieder ließ es sich eben nicht verhindern. In diesen Momenten spielte sich alles erneut vor meinem inneren Auge ab und der Schmerz, der dabei aufkam, fühlte sich mit jedem Mal schlimmer an.

Ich konnte es einfach nicht fassen, dass Matteo mir sowas antat. Er liebte mich, zumindest hatte er das immer gesagt, doch auf einmal war ich mir nicht mehr sicher.
>War es vielleicht doch nur ein Spiel? Ein Spiel, dass Ambar unbedingt gewinnen wollte und es wahrscheinlich auch geschafft hat...<

Früher oder später würden mich meine Gedanken noch um den Verstand bringen, dass wusste ich.

Seufzend schlug ich die Bettdecke beiseite und schmiss das Buch achtlos auf die Matratze. Ich musste irgendetwas anderes tun. Ich sah mich in dem Zimmer um, auf der Suche nach einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit.

Auf den ersten Blick fand ich nichts. Doch dann blieben meine Augen an meinen Rollschuhen hängen, die seit dem Tag, an dem ich Gaston belauscht hatte, in meinem Zimmer standen. Ich wollte nicht fahren, sondern entschied mich dafür, die Skates sauber zu machen. Dass würde sicherlich ein paar Stunden in Anspruch nehmen, wenn ich die Schuhe selbst, die Rollen und die Kugellager säubern würde.

Ich war gerade dabei, die letzten beiden Rollen zu säubern, als Nina ins Zimmer kam. Sie lächelte mir zu und setzte sich dann auf ihr Bett gegenüber von meinem.

N:„Wie lange willst du dich noch von allem abschotten?"

Ich zuckte nur mit den Schultern und widmete mich wieder der Reinigung.

N:„Bitte antworte mir. Simon und ich machen uns ernsthaft Sorgen um dich."

L:„Ich weiß es nicht. Eventuell bis das Schuljahr vorbei ist und ich wieder zu meinen Eltern kann. Vielleicht kann ich sie auch dazu überreden mich wieder auf eine normale Schule zu schicken."

Nina sah mich schockiert an und schüttelte dann heftig den Kopf. Sie war anscheinend dagegen.

N:„Nein Luna, dass kannst du nicht machen! Du kannst uns nicht einfach so verlassen, du bist schließlich eine der wenigen Freunde, die ich hier habe!"

L:„Wir können in Kontakt bleiben. Aber bitte versteh mich doch... Matteo ist weg und wird nie wieder kommen. Und abgesehen davon, kann ich nicht an dem Ort bleiben, den er für immer hinter sich gelassen hat. An dem Ort, wo er mich für immer verlassen hat..."

N:„Ach, Luna..."

Nina stand von ihrem Bett auf und kam zu mir herüber. Dann umarmte sie mich und zwang mich so meinen Rollschuh beiseite zu legen. Während sie mich umarmte, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Ihre Umarmung war tröstend, aber gleichzeitig auch der Auslöser für meine Tränen. Ich wollte sie ja auch nicht verlassen, aber immer wenn ich mich umsah, wenn ich durch die Gänge lief, im Unterricht saß, dann musste ich an die schlechten Dinge denken, die mir hier passiert waren. Ambars Intrigen und Matteos endgültiger Abschied. Und auch wenn ich insgeheim wusste, dass die schönen Sachen überwogen, beachtete ich sie nicht.

N:„Alles wird gut, Luna. Versprochen."

L:„Danke, Nina, dass du immer für mich da bist..."

N:„Wenn nicht ich, wer dann?"

Auf ihre Worte hin musste ich lächeln. Wir lösten uns wieder aus unserer Umarmung und ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

N:„Ich bin eigentlich hergekommen, weil Simon fragte, ob er hierher kommen dürfte."

Ich nickte. Er hatte es nicht verdient, dass ich ihn ebenfalls ausschloss. Er wollte doch auch nur mein Bestes und hatte sich seitdem Matteo weg war, immer bemüht seinen Verlust weniger schlimm zu machen.

Nina lächelte mir noch einmal zu und verschwand dann wieder aus dem Zimmer. Keine Minute später klopfte es auch schon an der Tür und Simon steckte seinen Kopf durch den kleinen Spalt.

S:„Darf ich?"

L:„Klar."

Ich versuchte mich an einem kleinen Lächeln, was ihn zum Grinsen brachte.

S:„Wie geht es dir?"

Er setzte sich im Schneidersitz neben mich auf mein Bett und ließ dann seinen Blick über das Chaos schweifen, dass ich während meiner Reinigungsaktion verursacht hatte.

L:„Naja, muss ich dir diese Frage überhaupt noch beantworten? Ich denke meine Isolation war Antwort genug."

S:„Du hast recht. Ich wusste nur nicht genau, wie ich ein Gespräch mit dir anfangen soll, nachdem ich dich Ewigkeiten nicht gesehen habe."

Seine deutliche Übertreibung brachte mich zum Lachen.

S:„Ich sollte es mir zur Aufgabe machen, dich in jeder Situation zum Lachen zu bringen."

Ich sah in seine braunen Augen, die so anders aussahen, als Matteos, aber trotzdem auf ihre Weise genauso faszinierend waren.

L:„Das fände ich schön."

Ich legte meine Hand lächelnd auf seine, was ihn etwas irritierte. Einen Moment später lächelte er aber ebenfalls.

S:„Komm her."

Er zog mich in eine Umarmung. Die zweite innerhalb kürzester Zeit. Doch diesmal spendete sie mir nur Trost. Ich war ihm dankbar, ihn an meiner Seite zu wissen. Zu wissen, dass er da war. Anders als es Matteo tat.

Und auf einmal drängte sich ein völlig dummer Einfall in meine Gedanken.
>Er ist da, er ist bei mir. Er verlässt mich nicht. Vielleicht...<
Eigentlich wollte ich diesen Gedanken nicht zu Ende führen. Aber mir war nur zu deutlich bewusst, was es zu bedeuteten hatte. Es war die einzige Möglichkeit, abzuschließen.

Ich lockerte unsere Umarmung soweit, dass ich ihn ansehen konnte. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Kurzerhand ergriff ich die Initiative und küsste ihn. Simon war überrascht, stieß mich aber nicht weg. Als ich mich von ihm löste, sah ich ihm tief in die Augen.

„Ich liebe dich, Simon. Ich glaube, ich habe nie damit aufgehört. Irgendetwas in mir sagt mir, dass du mich nie so verletzen würdest, wie Matteo es getan hat."

Ich wusste, dass ich mich selbst belog, aber vielleicht würde aus dieser Lüge irgendwann etwas Richtiges entstehen. Etwas Wahres, welches meinen Schmerz nehmen und mich glücklich machen würde.

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Dies ist das letzte Kapitel im Jahr 2019 und auch das letzte Kapitel dieses Buches.

Ja, hiermit beende ich den ersten Teil. Es endet, wie es einige bereits vorausgesehenen haben, aber es stört mich nicht. Da es von Anfang an so geplant war, wollte ich nichts ändern.

Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr 2020 und somit auch in das nächste Jahrzehnt!

Ich hoffe dieses letzte Kapitel gefällt euch und ich sehe euch alle bei der Fortsetzung wieder

Sie veränderte alles ... || Lutteo/Lumon FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt