28| Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

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Ich grübelte noch immer über die Worte nach die Mama gesagt hatte. Leider hatte ich sie nicht danach fragen können, da Stefan, beladen mit Getränken und Kleinigkeiten aus dem Automaten zurückkam.
Doch wirklich Hunger hatte ich nicht, also blieb ich bei dem ekelhaften Gebräu das sie hier Kaffee nannten. Ich spürte wie der Kater sich anbahnte, denn noch immer spürte ich den Alkohol der sich aber mittlerweile mit Übelkeit und Kopfschmerz mischte.
Vor über einer Stunde waren wir in ein Wartezimmer umgezogen und Mama hatte sich, nach meinem drängen, auf dem Sofa niedergelassen und war eingeschlafen.
Ich saß auf einem Stuhl und döste vor mich hin, doch meine Gedanken waren hellwach. Denn noch immer war Stefan hier. Saß neben mir, den Kopf an die Wand gelehnt und seinen Arm auf meiner Rückenlehne.
Noch hatten wir keine Information erhalten. Ich fühlte mich schuldig weil er sicherlich mörderische Rückenschmerzen haben würde. Ich beobachtete ihn und erkannte das er völlig entspannt und zufrieden aussah, wie er auf dem unbequemen Stuhl saß, den Kopf an die Wand gelehnt und seine Augen geschlossen hatte. Seine Lippen waren voll und leicht geöffnet. Sein Gesicht war so schön, dass es wehtat.
"Hör auf damit." Murmelte er und ich wandte ertappt den Blick ab. "Ich mach doch gar nichts." Flüsterte ich leise und knetete meinen Handballen.
"Du grübelst." Wandte er allerdings ein, löste seine Position und sah mich an. "Ich habe nur überlegt, ob du nicht nach Hause gehen solltest." Er versteifte sich und rückte etwas ab. "Ich soll gehen?" Er schien verwirrt. "So meine ich das nicht. Nur musst du nicht bleiben. Dein Rücken wird es dir nicht danken und du hast bestimmt besseres zu tun, als hier herumsitzen." Sein Blick erhellte sich, als hätte er gerade etwas verstanden. "Willst du das ich gehe?" Fragte er und ich wandte den Blick ab. Doch er griff nach meinem Kinn und hob meinen Blick. "Willst du das ich gehe?" Wiederholte er seine Worte und ich schüttelte schüchtern den Kopf. Er nickte. "Solange das so ist werde ich bleiben." Sagte er und ich kämpfte gegen die Tränen an. "Sag das nicht. Du könntest es bereuen." Es sollte ein Scherz werden, doch es klang viel zu traurig.
"Ich werde bleiben!" Flüsterte er und sah mir einfach in die Augen. "Was Rici gesagt hat, das du..." Er brach ab und schien plötzlich nicht mehr sicher, was er sagen sollte.
"War das ernst gemeint? Also hat sie recht?" Fragte er und ich zuckte beinahe zusammen.
"Vergiss Rici einfach." Versuchte ich es, doch Stefan schüttelte den Kopf. "Ich will es nicht vergessen." Sagte er fest. "Also hat sie recht?" Ich wandte mich innerlich. Ich hatte nicht die Kraft mir was auszudenken, doch ich war noch nicht bereit eine Abfuhr zu erhalten.
"Was wenn sie recht hat?" Fragte ich also. Stefan knurrte mich genervt an. "Tessa, ich schwöre bei Gott, ich raste gleich aus. Hat sie recht, oder nicht?" Diesmal konnte ich die Tränen nicht zurückhalten. Leise, beinahe so leise, dass ich mich selbst nicht verstand, sagte ich nur: "Ja. Sie hat recht." Die Panik die durch meine Brust strömte erstickte mich fast.
Die Tür wurde geöffnet und eine junge Ärztin trat ein. "Guten Morgen." Begrüßte sie uns. Sofort sprang ich auf und steuerte auf sie zu. "Sie sind die Schwester?" Ich nickte. Stefan stand direkt an meiner Seite und berührte sanft meinen Rücken. "Bei dem Unfall wurden einige Rippen gebrochen und haben dabei massive Quetschungen der Organe verursacht. Dabei ist eine der Nieren gerissen und war einige Zeit nicht richtig durchblutet. Wir hoffen sie erholt sich. Des weiteren hat sie eine leichte Gehirnerschütterung und eine offene Unterschenkelfraktur. Doch die ist geschient und war nicht weiter kompliziert. Sie befindet sich auf dem weg der Besserung. Noch können Sie nicht zu ihr. Aber ich schätze in etwa einer Stunde ist sie bereit. Dann wird eine Schwester Sie holen." Mit einem freundlichen Lächeln zog sie sich zurück und verließ den Raum. Ich wandte mich um und ging zu meiner Mutter, die noch immer schlief. Sanft strich ich ihr über die Schulter. Sofort schreckte sie hoch. "Die Schwester wird uns in einer Stunde holen, dann können wir zu ihr. Vielleicht möchtest du dich etwas auffrischen?" Fragte ich sie. Ich glaubte es würde Anne eher verunsichert Mama so derangiert zu sehen. Immerhin hatte es auch mich etwas irritiert, da ich sie nicht anders kannte.
Stefan ließ sich nieder und als ich ihn ansah wusste ich nicht ob es Wut war die über sein Gesicht huschte. Vielleicht irrte ich mich auch.
Seine Worte hallten durch meinen Kopf doch ich wusste nicht genau was es zu bedeuten hatte. Wollte er es wirklich totquatschen? Ja ich war verliebt in ihn, aber ich wollte keine Abfuhr halten, egal wie nett er sie meinte. Ich wollte so tun als sei das nie passiert. Allerdings war die Katze aus dem Sack und vermutlich würde es alles ändern. Er würde sich seltsam verhalten und es würde sich seltsam anfühlen. Ich wusste ja das Rici es nur gut gemeint hatte, aber es hätte besser laufen können. Wut zuckte durch mich hindurch und ich seufzte. Dann ließ ich mich auf einem Stuhl etwas abseits nieder. Stefan sah mich an. Diesmal war es Missverständnis in seinem Blick. Er war sauer.
Er wandte den Blick ab, kramte nach seinem Handy und ignorierte mich völlig. Ich konnte es ihm nicht verübeln.
Schweigend saßen wir da, während meine Mutter den Raum verlassen hatte, um sich frisch zu machen.
Immer wieder öffnete ich den Mund, um etwas zu sagen, doch alles was mir in den Sinn kam erschien mir absolut bescheuert.
Die Stille wurde immer lauter und erdrückender. Beinahe erleichtert sackte ich zusammen, als Mama wiederkam und viel besser aussah. Sie wirkte fast wieder normal. Direkt hinter ihr betrat eine Schwester den Warteraum und lächelte freundlich. "Sie können jetzt rein." Erklärte sie und ich stand auf. Auch Stefan stand auf. Bevor wir den Raum verließen allerdings griff er noch nach meiner Hand. Er hielt mich zurück und sah mich an. Er zögerte, bevor er fragte: Willst du das ich gehe?" Diesmal klang er weniger selbstsicher als er das fragte.

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