1| Aller Anfang ist schwer.

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Mit verheultem Blick starrte ich auf die Schokolade in meinen Händen. Es war einfach ungerecht. Seit ich mich erinnern konnte, war ich dick. Nicht nur ein bisschen moppelig, sondern richtig dick. Fett. Und ich hasste es wenn man durch Kleinigkeiten daran erinnert wurden. Doch so mit der Nase darauf gestoßen zu werden, dass war etwas ganz anderes. Dabei hatte ich schon den ersten Schritt gemacht. Dabei war Fett keine Beleidigung. Es war eine Beschreibung. Fett konnte man anfassen, man konnte es sehen. Ich war fett. Doch die Tatsache, dass das allgemein als etwas schlechtes galt...Ich starrte in die große Halle, die gefüllt war mit perfekt trainierten Körpern. Bei den Gewichten standen aufgepumpte Männer die routiniert ihre Übungen machten. Vereinzelt waren einige perfekte, dünne, wunderschöne Frauen dazwischen.
Auf den Geräten auf der anderen Seite, Laufbänder und Räder saßen ebenfalls dünne Menschen und strampelten sich ab.
Warum gingen denn nur Schöne Menschen ins Fitnessstudio?
Nervös zuppelte ich an meinem Top herum. Ich hasste es, das meine Arme nicht bedeckt waren. Und das diese Sportleggings so eng saß das man jede Speckfalte sah. Zudem kam... Arsch frisst Hose. Ich hasste diese Sportklamotten.
Mit kleinen Schritten hoffte ich, dass keiner mich sah, trat weiter zu dem Tresen an dem ich melden sollte Auf dem weg dahin warf ich den Riegel in meinen Händen motiviert in den schwarzen Eimer. Weg damit!
Die durchtrainierte Blondine musterte mich und hob eine Braue. Dann reichte sie mir ein Klemmbrett. Ohne mir wirklich Beachtung zu schenken erklärte sie mir die Stationen, die ich laut meines Fitnesscoaches und meinen abgegebenen Infos zu absolvieren hatte.
Dann scheuchte sie mich, wie eine lästige Fliege, davon.
Sie hatte gesagt ich solle mich eine Weile warm machen. Also steuerte ich eines der Sitzräder in der hinteren Ecke an. Setzte mich drauf und trat ein paar Minuten in die Pedale. Das hielt ich eine halbe Stunde durch, wobei ich mit Schweiß in den Augen kämpfen musste.
Unsicher, mit schwerem Atem, lief ich zu dem Gerät mit der ersten Nummer auf meiner Liste. Umständlich las ich die Anweisungen. Doch bevor ich mich auf das Monstrum niederlassen konnte stand ein breitschultriger, aufgepumpter Typ neben mir. Er verzog keine Miene. Setzte sich und begann laut stöhnend die Gewichte, wie ein Irrer, anzuheben.
Eingeschüchtert ging ich weiter, prägte mir aber ein, wie ich dieses Gerät zu verwenden hatte. Das hier war ein echtes Gruselkabinett. Und ich musste aussehen, wie ein verschrecktes Kaninchen.
Das zweite Gerät sah nicht so schlimm aus, wie das erste Folterinstrument. Ich setzte mich auf das Lederteil und stemmte meine Füße gegen das Trittbrett schräg über mir. Ich stellte die Gewichte ein und stemmte sie vom Körper nach oben weg. Ich war überrascht wie leicht mir das fiel. Nochmal stellte ich die Gewichte hoch. Ich wiederholte das ein paar Mal und schloss die Augen. Nachdem ich vier mal fünfundzwanzig Wiederholungen gemacht hatte, stand ich auf, griff nach dem Handtuch, hängte es mir um und desinfizierte die Bereiche, die ich gerade angefasst hatte. Ok. Das war gar nicht so schlimm gewesen. Dann ging ich zum nächsten Gerät. Insgesamt standen auf meiner Liste acht Geräte. Völlig verschwitzt schlich ich zwischen den Geräten umher und wollte möglichst niemandem im Weg stehen.
Als ich endlich beim letzten Gerät angekommen war und wieder die Anweisungen las, setzte ich mich auf das Leder. Mit meinen Armen im rechten Winkel griff ich nach den Handstücken. Obwohl nur fünf Kilo eingestellt waren, schaffte ich es kaum das Gewicht zu heben. Verwirrt las ich wieder die Anweisungen. Alter Falter! 
"Du musst deine Hände hierhin legen." Erschrocken hob ich den Blick und sah einen großen blonden Mann vor mir. Mein Blick wanderte seinen durchtrainierten Körper auf und ab. Er hatte kein Gramm Fett am Körper. Sein Shirt war so eng, das man jeden Muskel sehen konnte und ich beneidete ihn um seine Disziplin um einen solchen Körper zu bekommen. Doch gleichzeitig fragte ich mich, ob mein Kopf dann auch so klein aussehen würde.
"Wie bitte?" Hakte ich nach und blinzelte ein paar Mal. "Wenn du deine Hände so hin legst, dann schaffst du es leichter. Jetzt zerrst du dir nur ein paar Bänder." Sagte er ehrlich.
Fügsam folgte ich seinen Anweisungen und hob die Gewichte an. Er hatte recht, so war es leichter, doch noch immer tat es nach wenigen Wiederholungen verdächtig weh.
Er nickte aufmunternd. "Du machst das gut." Erklärte er mit einem breiten Grinsen und ich fühlte mich sofort besser.
Dabei wusste ich, das meine Haare mir im Gesicht klebten, meine Wangen rote Flecken hatten und meine Klamotten völlig verschwitzt sein mussten.
Ich war nun einmal unsportlich und schwitzte wie ein Schwein. Deswegen ertrug ich mich in meinem Spiegel selbst kaum.
"Ich bin Arne." Stellte er sich vor und zählte meine Wiederholungen laut mit. "Theresa." Sagte ich leise schnaufend.
Erst als ich kaum mehr Kraft hatte ließ er mich aufhören. "Hier." Sagte er und reichte mir einen dieser Shaker. Mit wackeligen Knien stand ich auf.
"Heute dein erster Tag?" Fragte mich Arne und lächelte sanft. Er war der erste, der nicht mit hochgezogenen Brauen oder mit angewidertem Blick zu mir sah.
"Sieht man das?" Fragte ich ihn und hoffte er sagte Nein. Immerhin hatte ich am liebsten unsichtbar werden wollen. "Irgendwie schon." Gab er zerknautscht zu.
"Aber das liegt nur an den ganzen verklemmten Menschen hier." Sagte er lächelnd und zwinkerte mir zu.
Hinter ihm tauchten zwei Männer auf.
Vermutlich sah man die Röte nicht die mir in die Wangen schoss, weil die Flecken sie verdeckten.
Der große Dunkelhaarige musterte mich und verzog das Gesicht. Angewidert blickte er mich an. Ich senkte den Blick. Wollte gar nicht erst sehen, was für einen Blick der andere auf dem Gesicht hatte. Mein Selbstbewusstsein war schon genug angekratzt weil es hier nur schöne, schlanke, durchtrainierte Menschen gab.
Mit meinen 125,9 Kilogramm hatte ich einfach keine Modelmaße und ich wusste das. Doch es war kein gutes Gefühl das immer wieder aufs Brot geschmiert zu bekommen.
Dazukam noch das ich nicht wirklich etwas erwähnenswertes an mir fand. Meine Augen waren blau, doch keines dieser dunklen oder hellen, sondern nur irgendwas dazwischen. Das straßenköterblonde Haar war auch nicht aufregend. Weder in Farbe noch länge. Auf meiner Nase hatte ich diese schrecklichen Sommersprossen, die mein sowieso schon rundliches Gesicht noch betonten. Zwar hatte ich ein schmales Kinn, doch das ging völlig unter.
Ich war durch und durch langweilig. Doch wenn ich äußerlich auffiel, dann tat ich es im negativen Sinne.
Und ich hasste es von meinen Freunden zu hören, dass ich doch so toll war. Lustig und großherzig. Dabei war alles was ich einfach mal wollte, einem Mann gefallen. Doch mit jedem Blick in den Spiegel wusste ich wie unwahrscheinlich das war.

Pretty FatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt