Ihr müsst reden

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Ich konnte wirklich froh sein das Andy seine Party freitags gefeiert hatte, so dass ich die Chance gehabt hatte ihm zu mindestens für das Wochenende aus dem Weg zu gehen.

Meine Mutter hatte mich kaum zu Gesicht bekommen, ich die einzigen male, die ich aus meinem Zimmer kam, waren wenn ich Hunger hatte oder aufs Klo musste. Die Restliche Zeit über hatte ich mich in meinem Zimmer eingeschlossen. Ich wollte allein sein. Den Nerv dazu andere Menschen zu sehen hatte ich ganz bestimmt nicht. Ich hatte mit Luca telefoniert, der mehr als bestürzt reagierte als er von meinem ersten Mal erfuhr.

Ich war vermutlich nicht der einzige Mensch, der sich nicht an sein erstes Mal erinnern konnte und dennoch war dieses Gefühl schrecklich. Ich konnte mich an eine entscheidende Erfahrung meines Lebens nicht erinnern. Nur leider konnte auch er mir nicht raten, wie ich mich nun vor Andy verhalten sollte.

Und das Ding war, ich hatte Ava noch nichts erzählt, ich brachte es einfach nicht übers Herz ihr davon zu erzählen was für ein Arsch ihr Bruder war. Gut das wusste sie vermutlich, also wäre das wohl nichts neues.

Aber was für ein Arsch er mir gegenüber war...

Okay auch nichts neues.

Aber irgendwas musste ich ihr doch sagen. Sie war seine Schwester, es war doch eh fraglich auf wessen Seite sie stehen würde. Ob sie sich überhaupt auf eine Seite stellen würde? Andy und sie verband ein ganz anderes Band als sie und mich. Ich glaube ich würde es ihr nicht übelnehmen, wenn sie sich auf seine Seite stellte.

Seufzend bedankte ich mich bei meiner Mutter, die mich zur Ausnahme Mal in die Schule gefahren hatte. Ich versuchte ihr ein Lächeln zu schenken, aber es sah wohl eher aus wie eine Grimasse. Mit meinem Rucksack auf dem Rücken machte ich mich auf den zur Schule. Wo genau ich jetzt hinwollte, wusste ich nicht. Nur eine Sache stand fest. Unter gar keinen Umständen wollte ich Andy unter die Augen treten. Nicht, nachdem was am Freitag passiert war oder besser Samstagmorgen.

Allein bei dem Gedanken ihn zu sehen, wurde mir schlecht und sein Gesichtsausdruck tauchte vor meinem Inneren Auge auf. Seufzend machte ich mich auf den Weg zu meinem Klassenraum. Spätestens dort würde ich auf ihn treffen. Wieso hatte ich nicht blau machen können?

Ich merkte mal wieder wie gerne mich das Schicksal doch hatte, als ich Andy und seine Freunde in der Nähe meines Schließfaches stehen sah. Schicksal ich hasse dich! Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Ich musste an mein Schließfach ich brauchte mein Deutschbuch. Als ich die Augen wieder öffnete, versuchte ich mir einzureden, dass ich bereit war. Auch, wenn ich das mit Sicherheit nicht war. Schnellen Schrittes machte ich mich auf den Weg zum Schließfach. Mit Zitternden Fingern begann ich das Rädchen an Fach zu drehen. Durch das Zittern verdrehte ich mehrere Male, so das ich keine Chance hatte schnell vom Schließfach wegzukommen.

»Also du hast es echt geschafft mit ihm zu schlafen?« Hörte ich eine Stimme lachen. Ich versuchte die Stimmen zu ignorieren und mir einzureden, dass es nicht um mich ging. Schließlich dreht sich nicht die ganze Welt um mich... Zum Glück nicht. Ich glaube ich würde dann einen Kollaps kriegen. Aber eigentlich war es ziemlich klar, dass es um mich ging.

»Ja habe ich.« Hörte ich Andys Stimme. Dann spürte ich den Blick einiger Leute auf mir und ich schluckte. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein. Starrten die mich jetzt alle an?

»Beweis es. Beweis es das du kein Problem damit hast ihm nahe zu kommen.« lachte einer dessen Namen ich nicht einmal nennen konnte. Zaghaft warf ich einen Blick über meine Schulter und beeilte mich das Schloss aufzubekommen. Nachdem zweiten Mal klappte es. Ich öffnete eilig mein Schließfach und zog das Buch heraus. Dann schlug ich es zu und wollte eigentlich verschwinden.

Mit einer ruckartigen Bewegung wurde ich an den Spind gedrückt.  »Fass mich nicht an!« zischte ich Andy entgegen und wehrte mich gegen ihn. Ich versuchte ihn wegzudrücken, aber er ließ sich von mir nicht wegdrücken.

Einen Augenblick lang huschte ein verletzter Ausdruck über sein Gesicht. Dieser ließ mich innehalten. Ich hörte auf mich gegen ihn zu wehren. Genau das nutzte er aus und drückte seine Lippen energisch und fest gegen meine.

Es war wie keiner der Küsse, die wir bis jetzt hatten. Dieser Kuss war geladen von verletzten Gefühlen und noch so viel mehr. Er zog mich an seiner Taille enger an sich heran. Ich wehrte mich und wäre hinter mir nicht dieser Gott verdammte Spind gewesen, hätte ich es längst geschafft mich von ihm zu befreien.

Die Rufe von Andys Freunden waren das was mich endlich dazu brachten mich von ihm loszureißen. Meine Hände lagen auf seiner Brust und ich starrte ihm in die Augen. Meine Hand rutschte aus und landete mit einem dumpfen Klatschen auf seiner linken Wange. Ein Schmerz durchzuckte mein Handgelenk und ich wollte mir die Hand halten und einen schmerzerfüllten Ton von mir geben.

»Man spielt nicht mit den Gefühlen von anderen Leuten. Vor allem wenn du nicht weißt, was sie für dich empfinden.« meine Stimme zitterte mehr als ich beabsichtigt hatte. Dennoch schaffte ich mich an ihm vorbeizuschieben. Ich wollte mich verkriechen. Ich machte einen kurzen Abstecher auf die Toiletten, um mein Handgelenk unter kaltes Wasser zu halten. Der kalte Wasserstrahl auf meiner Hand tat unheimlich gut.

Ich wollte nur noch nach Hause. Aber das war doch vermutlich das was Andy wollte. Das ich wieder verschwand, mich hier nie wieder blicken ließ. Und tief in meinem inneren war es genau das was ich wollte. Aber ich würde jetzt ganz bestimmt nicht klein beigeben. Den Teufel würde ich tun mir von ihm irgendetwas sagen oder vorschreiben zu lassen. Ich fasste einen Entschluss. Ich würde einfach so tun als wäre nichts gewesen. Als wäre alles in allerbester Ordnung.

Aus diesem Grund machte ich mich auf den Weg zum Unterricht. Ich hatte mir ein nasses Papiertuch um mein Handgelenk gelegt, in der Hoffnung das dann der Schmerz besser wurde. Ich kam ein wenig zu spät in den Unterricht, das sorgte zwar dafür das ich eine Strafarbeit machen musste, aber das war okay. Andy und Noah waren nicht im Unterricht. Wobei mir ja Andy egal war. Nur leider nur leider nicht so egal wie er es mir gerne wäre. Irgendwann im Laufe des Unterrichts kam auch Noah in den Unterricht. Er ließ sich neben mir auf dem Platz nieder und kassierte ebenfalls eine Strafarbeit. Er beugte sich zu mir hinüber und flüsterte mir leise ins Ohr.

»Ihr müsst unbedingt reden. Ich glaube das ist alles nur ein großes Missverständnis.«

And In The End It's LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt