Kapitel 6

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Isabella gab sich alle Mühe sich von ihm fernzuhalten. Sie wollte vermeiden, dass er seine Meinung ändern könnte und sie am Ende doch noch vor die Tür setzte. Doch bei den Dinnées trafen sie unweigerlich aufeinander. Isabella versuchte sich so unbeteiligt, wie möglich zu verhalten. Allerdings fühlte sie seinen Blick beharrlich im Rücken. Es war schwer für sie und damit hatte sie nicht gerechnet. Zuerst hatte sie sich in der Wut auf ihn gesuhlt, ihn verantwortlich für den kommenden Krieg gegen Schottland gemacht. Aber sie musste sich bald eingestehen, dass dies absoluter Humbug war. Schliesslich hatte nicht de Warenne den Krieg angezettelt, sondern sein König und er musste seinen Befehlen gehorchen. Es hatte gar nichts mit ihr zu tun, denn Alexander de Warenne konnte ja nichts von ihrer Vergangenheit wissen. Mehr und mehr belastete sie die Tatsache ihn für etwas geschlagen zu haben, dass er nicht einmal verstehen konnte. Immerhin hatte er sie aufgenommen und von Anfang an galant behandelt, auch wenn sie gar keine Lady war, so war er allzeit voller Respekt gewesen. Auch musste sie zugeben, dass er nicht der Plünderer und Mörder war, den sie sich zusammengereimt hatte, um ihm die Schuld geben zu können. Sie hatte ihn nun in mehreren Situationen erlebt, in denen er bewiesen hatte, wie gross sein Herz und wie verletzt er selbst in seinem Inneren war... Isabella hatte sich auch dabei ertappt, wie sie von seinen Berührungen träumte und an den sanften Kuss in seinem Zimmer an jenem Abend, als sie ihm von seiner Schwester berichtet hatte, dachte. Darin hatte eine solche Wärme und Zuneigung gelegen, als wäre es für sie beide selbstverständlich sich so intim zu verhalten. Trotz der Angst er könnte sie entlassen, wollte sie in seiner Nähe sein. Seine Kraft fühlen und seine Blicke spüren. Die Vorstellung, er würde im Krieg fallen oder der Gedanke an ihre Abreise, wenn sie genug Geld zusammen hatte, betrübte sie. Vermutlich würde es Jahre dauern bis sie rehabilitiert war und sich ihr Erbe zurückerobert hatte, bis dann war de Warenne verheiratetet. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, wieso in drei Teufelsnamen sie deswegen so niedergeschlagen war...

Der Februar glitt hinüber und die zwischendurch anfallenden Schneegestöber hörten auf. Mit dem März kamen die ersten warmen Sonnenstrahlen über das Land und liessen die Pflanzen kräftig erblühen. Lady Elaine hatte Isabella des Öfteren auf Spaziergängen begleitet und Isabella hatte ihr an einem besonders schönen Nachmittag ihren kleinen Garten gezeigt. Lady Elaine war davon begeistert und bat darum selbst im Frühjahr gewisse Setzlinge anzupflanzen. An diesem Nachmittag wollte Isabella im Wald Pilze sammeln und Lady Elaine hatte sich hinausgeschlichen um sie zu begleiten.
„Ach es ist so wunderschön hier draussen! Ich mag es nicht Zuhause eingesperrt zu sein und dieses doofe Strickzeug zu bearbeiten" lachte Elaine de Warenne.
„Ja eine Lady hat es nicht leicht mit all ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen" sagte Isabella wissend.
„Allerdings will ich dich und deine Arbeit nicht in den Schatten stellen... aber immerhin hast du die Möglichkeit viele Dinge zu tun, die du wünscht. Ich muss nur meist der Etikette folgen" meinte Lady Elaine und schnaubte. Isabella musste lächeln. Lady Elaine, die etwas vor ihr hergegangen war, drehte sich um „Weisst du Rose, ich werde dir immer sehr dankbar sein, dass du meinen Bruder zu mir geschickt hast und er mit mir gesprochen hat"
„Ihr wusstet es?" fragte Isabella überrascht.
„Ja, aber er hat mir nichts davon gesagt, doch es war offensichtlich. Er würde nie jemanden verraten und ich musste mir eingestehen, dass ich töricht war zu glauben, er würde mich an einen Idioten verheiraten!" lachte Elaine und lief wieder geradeaus „Er hat mir versichert, ich werde diejenige sein, die sich ihren Gatten aussuchen könne, denn nur die Liebe sei von Bedeutung... ziemlich träumerisch, nicht wahr?" Isabella hob den Kopf
„Hmm... ich weiss nicht Mylady. Glaubt ihr etwa nicht an die Liebe?" Lady Elaine blieb stehen
„Ich weiss nicht... ich denke man sollte seinen Zukünftigen mögen, aber Liebe... ich bin mir nicht sicher, ob es das gibt". Isabella schüttelte den Kopf
„Ziemlich zynisch für solch eine junge Dame. Ich kann nur eines sagen, es gibt sie und wenn man sie gefunden hat, so lasse sie nicht los". Lady Elaine de Warenne pflückte einen Pilz und hielt ihn Isabella hin
„Mag sein. Ich habe sie nur noch nicht gesehen". Als Isabella nickte, warf Lady Elaine den Pilz in den Korb. „Mein Bruder Alec fährt bald an den Hof zum König... wichtige Versammlung" sagte Elaine de Warenne beiläufig.
„Werdet ihr mitreisen?" fragte Isabella. „Das ist bestimmt aufregend, der Hof, der König. Viele Vergnügungen und euer Bruder ist immer in eurer Nähe, um euch zu beschützen" schmunzelte Isabella.
„Ha... ja und mich unter Kontrolle zu behalten. Er hat zwar gesagt er vertraut mir, aber wie du schon gesagt hast, Brüder sind auf der Hut" meinte Lady Elaine „Nein, dort gibt es nichts Aufregendes, nur langweilige Gespräche. Ich bleibe lieber hier und helfe meiner Mutter bei den Vorbereitungen auf diese Ballwoche". Nach einer Stunde hatten sie einen Korb voll mit Pilzen und gingen zurück zum Haus. Lady Elaine schlich sich wieder hinein und Isabella brachte den Korb zu Emil in die Küche. Eine weitere Facette, die sie an de Warenne nun aufgedeckt hatte. Er glaubte an die Liebe. Sehr ungewöhnlich eigentlich, wenn sie bedachte, wie viele Herrschaften nur heirateten, wenn es für sie einen gesellschaftlichen Aufstieg bedeutete. Isabella nahm den Kohleeimer und machte sich auf den Weg die Kamine auszuputzen.
Einige Stunden und Kamine später, lief Isabella gerade an der Galerie vorbei, als ihr Thomas Jackson über den Weg lief.
„Welch Freude sie zu sehen Miss Grey! Darf ich sie ein Stück begleiten?"
„Mister Jackson" erwiderte Isabella, aber er unterbrach sie
„Thomas für sie, meine Blume" und er verbeugte sich vor ihr.
„Mister Jackson" und er verzog spielerisch seine Augenbrauen „Na gut, dann Thomas... sie bringen mich in arge Bedrängnis durch ihre Witzelei. Wenn das die Herrschaften hören, gibt es nichts mehr zu lachen" sagte Isabella leicht verärgert. Aber Thomas achtete nicht darauf und antwortete
„Liebe Miss Rose, glauben sie Alec stört das? Er kennt mich..."
„Nun" sagte Isabella mit gesenkter Stimme „Ich sprach auch nicht von Lord Blackheat". Thomas lächelte
„Da haben sie allerdings Recht Rose. Ich vergesse ab und an, dass wir hier nicht in Cumberland sind". Isabella blickte ihn an
„Wie meinen sie das?" Gemeinsam liefen sie Richtung Küche.
„Cumberland ist eine andere Welt. Alec legt nicht viel Wert auf Förmlichkeiten. Wir sind eher eine grosse Familie. Ich meine" sagte Thomas stolz „wir besitzen alle Stolz und wir wissen uns auch zu benehmen, aber wir leben schliesslich auf einer Burg!" Isabella hielt inne und sah ihn verwundert an. „Sie scheinen überrascht?" Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Kein Herrenhaus? Dieser Engländer war ein Buch mit sieben Siegeln... Isabella schmunzelte
„Jetzt scheinen sie überrascht! Wie könnte ich auch wissen, dass der Erbe von dem hier" Isabella machte eine ausladende Bewegung „in einer Ritterburg wohnt und nicht auf sein gesellschaftliches Recht pocht". Vor der Tür, die ins Treppenhaus der Dienstboten führte, hielt Isabella an. Thomas übergab ihr den Eimer wieder, den er ihr vorhin abgenommen hatte
„Ich denke sie wären überrascht, wie anders er sein kann" bei diesen Worten machte er eine Verbeugung und verliess sie.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt