Kapitel 9.1 - Alecs Zwiespalt

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„Alec! Alec!" rief eine Stimme, die aus dem Gang kam, der in den Garten führte. Elaine betrat schweratmend die Eingangshalle und verstummte sofort. Sie hielt einen Brief in der Hand, er war geöffnet
„Elaine?" Sie betrachtete die seltsame Szene und schritt auf ihn zu „bitte warte doch in deinen Gemächern auf mich, ja?" Sie nickte und huschte an ihnen vorbei die Treppe hinauf.
„Meine Herren, Miss Brandon ich muss sie nun bitten mein Gelände zu verlassen. Das Schreiben des Königs behalte ich" er streckte seine Hand aus. Talbot machte keine Anstalten ihm den Brief auszuhändigen.
„De Warenne sie ist mein!" doch Alec schnitt ihm das Wort ab, er hatte keine Geduld mehr
„Und doch besagt der Brief des Königs, dass sie in Gewahrsam bis zur Anhörung muss. Da sich die Spionin auf meinem Grund und Boden aufgehalten hat, gebührt mir das Recht sie in Ketten zu legen!" Talbot schien zu überlegen. Alec musste seine Taktik ändern, er wollte keinen Schatten, der ihn bis nach Carlisle verfolgte „Wie wäre es damit" meinte Alec versöhnlicher „wendet euch erneut an den König, wenn er sie euch übereignet, werde ich mich beugen. Doch sie hielt sich auf meinem Hoheitsgebiet auf und somit verfüge ich über ihre Gefangenschaft". Er wusste nicht, wie einfältig Talbot war und hoffte er würde diesen Vorschlag annehmen. Denn Alec bezweifelte stark, dass der König ihn erneut betreffend dieser Angelegenheit empfing und er wusste auch, da er den König gut kannte, dass dieser Alecs Meinung war, was eine Gefangennahme auf Grund und Boden anging. Falls er widererwarten Talbot den Vorzug geben sollte, würden Verhandlungen diesbezüglich erst nach dem Krieg stattfinden. Bis dahin hatte er genügend Zeit sich etwas einfallen zu lassen. Er sah Talbot an und beobachtete, wie er in seinem kleinen Kopf die Vor- und Nachteile abwog. Hinter ihm hörte er Schritte, welche die Treppe hinunterkamen und Rickard kam neben ihm zum Stehen. Wie Thomas, benötigte auch Rickard keine Instruktion.
„Gut. Aber ich will bei ihrer Gefangennahme dabei sein!" Dieser sture Bock ging es Alec durch den Kopf.
„Ich werde sie suchen" sagte Alec und Talbot meinte
„Wir sehen draussen nach". Alec erwiderte nichts darauf. Sie würden es so oder so tun und er hatte seine Männer nicht hier, um diesen Bastard mitsamt seinen Männern vom Grundstück zu werfen.
„Miss Brandon!" sagte Alec während Talbot und seine Männer durch die Tür nach draussen verschwanden. Sie drehte sich voller Erwartung um und lächelte ihm zu
„Ich habe euch gewarnt Alexander... ich wusste nur nicht, wie dunkel ihr Geheimnis war, doch nun bin ich hier um euch beiseite zu stehen und sie dafür zu bestrafen". Sie verneigte sich und klimperte mit ihren langen schwarzen Wimpern. Sie war doch so einfältig und dumm!
„Ihr denkt wirklich, ihr habt mir damit einen Gefallen getan Ophelia?" Ihr Lächeln wurde blasser, doch Alec konnte sich nicht zurückhalten „abgesehen davon, dass ihr euch törichter Weise mit einem solchen Halunken, wie Talbot eingelassen habt, brockt ihr mir auch noch eine weitere Last auf!" Alec musste sich zwingen sie nicht anzuschreien „Ich muss eine Gefangene nehmen und euch sicher nach Hause senden, obwohl ich weiss Gott besseres zu tun hätte! Seid versichert, dass ich kein Detail eures gefährlichen Abenteuers auslassen und eure Eltern unterrichten werde!" Ihr Gesicht war entsetzt, gewiss hatte sie geglaubt er würde sich bei ihr bedanken! „Rickard". Sein Bruder trat nach vorne „Bereite bitte die Reise mit dieser Dame vor. Ich will, dass ihr heute noch aufbrecht und du sie nach Suffolk zurückbringst". Alec drehte sich zu Rickard um „Komm nachher noch ins Arbeitszimmer"
„Ahhgrr! Das ist doch nicht zu glauben Alexander!" protestierte Ophelia und stampfte tatsächlich mit ihrem Fuss auf. Rickard verliess sie und folgte seinen Anweisungen. Alexander drehte sich zu Ophelia um und sah sie direkt an
„Für euch, Lord Alexander de Warenne oder Lord Surrey oder auch Lord Cumberland, aber niemals mehr werdet ihr mich in solch privater Anrede ansprechen Miss Brandon, verstehen wir uns?" Es war keine Bitte, die er nun aussprach und Alexander konnte das Entsetzen in ihren Augen sehen. Carson kam zurück und er war nicht allein, Molly folgte ihm. Alec blickte Carson an und dieser nickte verneinend mit dem Kopf. Er hatte sie also nicht gefunden. „Carson bitte bring diese Dame in den Grünen Salon und dort soll sie bleiben". Carson nickte und ging Ophelia voraus zum Salon. Sie rührte sich nicht und starrte immer noch voller Entsetzen zu Alec. Er hob eine Augenbraue, darauf hob sie ihren Reisemantel und reckte ihre Nase in die Luft, bevor sie Carson folgte. Als sie verschwunden waren, wandte er sich sofort an Molly „Molly... was ist" doch Molly hob schon ihre Hand, darin war ein Brief. Alec konnte kaum ein Wort davon verstehen, da Molly schniefte und schluchzte
„Sie ist weg". Alexander nahm ihn entgegen und überflog die Zeilen. Sie war gegangen, ohne Begründung.
„Ist das die einzige Nachricht Molly?". Sie nickte und wischte sich die Wangen. „Verbrenn ihn bitte, sofort! Es würde nur negativ für sie ausgelegt werden, wenn Talbot etwas davon mitbekommen würde... und auch für uns hätte es einen bitteren Beigeschmack" den letzten Satz sagte er mehr zu sich selbst. Molly verschwand sofort wieder in Richtung Dienstbotentrakt. Sie würde zweifellos den Brief verbrennen. Er fuhr sich fahrig mit der Hand durchs Haar. Thomas blickte ihn an und Alec sagte leise „Bitte such sie. Ich werde erst meine Schwester aufsuchen" damit stieg er die Treppe hinauf. Er hatte nicht erwartet, dass seine Schwester dort wartete „Wieso bist du nicht in deinem Gemach? Sind denn heute alle verrückt?!" Elaine sah ihn an
„Alec sie ist gegangen". Sie hielt ihm den Brief hin „Es tut mir leid, ich habe ihn gelesen... aber er war nicht versiegelt und als ich ihn gelesen hatte, bin ich sofort ins Haus gerannt, um ihn dir zu zeigen, damit... damit du sie aufhalten kannst" sie senkte ihren Blick „ich weiss, dass ihr nun ja... Zeit zusammen verbracht habt und ich weiss auch, dass sie dir etwas bedeuten muss... ich finde sie zauberhaft!" und sie blickte ihn mit ihren schönen glitzernden Augen an „Alec sie ist etwas Besonderes!" lächelte Elaine. Alec seufzte. „Nein lass mich ausreden... ich weiss, nun steht es nicht besonders gut um sie, doch ich weiss, wenn jemand ihr helfen kann, dann bist es du. Also finde sie, bevor dieser ekelhafte Mann sie in die Finger kriegt". Alec sah sie tadelnd an, nahm aber den Brief entgegen und entfaltete ihn.

Lieber Alexander

Du wirst es nicht verstehen, doch ich musste gehen. Ich danke dir für deine Barmherzigkeit und deine Zärtlichkeit und ich muss dich nun um einen letzten Gefallen bitten, bitte suche nicht nach mir. Es ist zwecklos. Eines Tages werde ich kommen und dir alles erklären... Sag auch deiner Schwester Elaine einen lieben Gruss und dass ich die Zeit mit ihr genossen habe, sie wird eine wundervolle Frau werden, sei stolz auf sie.

Im Grunde stand da nichts weiter als in dem Brief von Molly und dies versetzte ihm einen Stich in die Herzgegend. Hatte ihr dies alles nichts bedeutet? Was konnte so schlimm an ihm sein, dass sie nicht mit nach Carlisle kommen wollte? Und was verdammt noch mal würde sie ihm eines Tages erklären?! Er zerknitterte den Brief. Elaine blickte ihn erstaunt an
„Alec, wieso zerstörst du den Brief?" Sie zog ihm den Brief aus der Hand, glättete ihn „Hast du ihn gelesen?" fragte Elaine zögerlich. Alexander nickte. Er fühlte sich verraten und hintergangen. Was verheimlichte sie vor ihm? War sie am Ende doch eine Art Spionin? Er würde es wohl nie erfahren. „Alec... sie hat bestimmt ihre Gründe, wieso sie nicht nach Carlisle mit dir kann". Er nickte erneut, doch dann hielt er inne und blickte sie fragend an, woher wusste Elaine von seinem Vorhaben Rose mitzunehmen? Er streckte seine Hand nach dem Pergament aus und Elaine reichte es ihm „Du hast es also nicht ganz gelesen" sagte sie vorwurfsvoll. Er entfaltete den Brief erneut und erblickte am unteren Rand einen weiteren Satz, den er vorher übersehen hatte

Wenn die Umstände anders wären, wäre ich glücklich gewesen mit dir nach Carlisle zu reisen, doch ich muss ein Gefecht beenden, welches ich nicht begonnen habe.

In Liebe Rose

Er faltete gedankenverloren den Brief. Sie musste diese Zeilen schon vor Tagen geschrieben und erst heute Morgen die letzte angefügt haben, denn die Tinte war noch dunkel. Dies bedeutete, dass sie ihn hatte verlassen wollen, bevor Talbot gekommen war. Er steckte den Brief in seine Innentasche
„Das ändert nichts" sagte er und sah seine Schwester an „Bitte bleib nun in deinen Gemächern, solange diese Söldner hier ihr Unwesen treiben und mach bloss keinen Ärger Elaine". Er ging wieder die Treppe nach unten und Thomas kam ihm entgegen
„Ich habe sie nicht gefunden Alec"
„Das wirst du auch nicht" er reichte ihm den Brief „Sie ist schon lange weg". Thomas überflog ihn und reichte ihm den Brief zurück
„Es ist besser, wenn du ihn auch zerstörst". Doch Alec steckte ihn behutsam wieder in die Innentasche.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt