Kapitel 5.5 - O Fortuna, velut luna...

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Später am Abend war der Himmel in volles dunkelblau gehüllt und man konnte kommenden Schneefall riechen. Isabella wollte sich deshalb nach getaner Arbeit in die Stallungen stehlen, um einen kleinen Spaziergang zu machen. In ihren Wintersachen machte sie sich auf den Weg. Der Tag war anstrengend gewesen. Ihre Ladyschaft hielt alle auf trapp mit ihren Vorbereitungen für den Ball. Einige Dinge mussten zeitig bestellt werden und die Ladies liessen sich neue Kleider schneidern. Lady de Warenne hatte mehrere Listen, wer in welchem Zimmer schlafen würde, wer wo am Tisch sitzen würde, wie der Ablauf der ganzen Woche geregelt war, erstellt und diese wurden ständig verändert oder erweitert. Molly hatte heute die letzte Anweisung erhalten was alles serviert werden würde, dies hatte sie endlich beruhigt, denn sie sagte Isabella, dass gewisse Gewürze und Speisezutaten einfach genügend früh bestellt werden mussten, sonst wären sie im Mai nicht da. Emil war jeden Tag damit beschäftigt all die Gerichte nach dem Geschmack der Countess zu verbessern und erwartete sehnlichst seine Zutaten. Isabella hatte soeben die Stallungen erreicht und blickte in den immer dunkler werdenden Himmel. Es roch hier so wunderbar... die frische Luft und die Pferde. Wenn sie die Augen schloss, fühlte sie sich, als wäre sie Zuhause.
„Miss... Miss Grey?". Isabella drehte sich um und erkannte den Bekannten von de Warenne. Er trug einen schwarzen Hut und kam auf sie zu, gerade als es leicht zu schneien begann. Sie wusste nicht, was für ein Bekannter er war und sie befürchtete nun, dass de Warenne ihn geschickt hatte, um ihr die Entlassung zu überbringen. Als er bei ihr stand, sagte er „Richtig... sie sind Miss Grey, nicht wahr?". Sie wappnete sich innerlich und hob eine Augenbraue
„Ja Mylord?"
„Oh nein bitte Miss, ich bin ein einfacher Bäckerssohn. Kein Earl oder sonst ein Mitglied der Peerage. Ich bin oberster Offizier Thomas Jackson in der Armee von Alec... also Alexander de Warenne". Isabella blickte ihn an. Ungewöhnlich einem auf diese Art eine Entlassung zu überbringen. Er war knapp sechs Fuss und hatte braunes etwas längeres Haar. Er sah um einiges jünger aus als de Warenne, in der Tat hatte er ein sehr jungenhaftes Gesicht, als wäre er knapp zwanzig. Doch in seinen Augen konnte sie sehen, dass er älter war und seine Erfahrungen in jeglicher Hinsicht gesammelt hatte. Seine Augen waren haselnussbraun. Sie konnte sich bildhaft vorstellen, dass einige Damen diesen Jungen nur allzu lieb hatten. Den Hut hatte er inzwischen abgenommen und hielt ihn zwischen seinen Händen. Er lächelte Isabella aufmunternd zu. Dieses Lächeln hatte so viel Charme und das bewies ihr, dass sie absolut nicht falsch mit ihrer Einschätzung lag, was ihn und das weibliche Geschlecht betraf.
„Und was kann ich für sie tun Mister Jackson?". Er trat mit seinen Füssen etwas verlegen hin und her
„Also ich hab mir gedacht, vielleicht hätten sie gerne Gesellschaft? Ich bin ein wunderbarer Zuhörer und ich weiss, dass Alec manchmal unwirsch sein kann... und vielleicht kann ich das Missverständnis aus der Welt schaffen?" Er sah ihr in die Augen und lächelte immer mehr „Ich bitte sie Miss Grey, sie müssen lächeln. Eine so wunderschöne Frau, wie sie darf nichts anderes als Lächeln!" Er war gut, das richtige Zögern und Lächeln. Der Junge von nebenan, der so einfältig und hilfsbereit scheint und doch hatte er es faustdick hinter den Ohren. Isabella schmunzelte
„Das ist sehr aufmerksam von ihnen Mister Jackson, aber macht euch keine Sorgen, es ist alles gut". Isabella ging weiter und er sagte hastig
„Darf ich sie auf ihrem Spaziergang begleiten? Eine Dame darf nicht alleine um diese Zeit draussen herumlaufen". Isabella lächelte
„Vielen Dank Mister Jackson, aber ich bin so wenig eine Dame, wie sie ein Lord sind. Ungeachtet dessen, dürfen sie mich trotzdem gerne begleiten". Sie schlenderten durch die Stallungen und dann durch den hinteren Hof.
„Möchten sie mir sagen was heute Morgen vorgefallen ist? Wenn er ihnen etwas zuleide getan hat... dann werde ich es persönlich mit ihm aufnehmen, das Verspreche ich ihnen Miss Grey. Ich kenne seine Schwachstelle" und er hob spielerisch seine Faust.
„Mister Jackson ich brauche keinen Ritter mit weisser Weste... es ist nichts passiert. Der Wind hat die Blätter davon geweht und ich habe sie aufgehoben. Der Lorderbe von Surrey wollte nur wissen, was ich mit den Blättern gemacht habe. Das war alles". Sie versuchte in eine andere Richtung zu blicken, denn bei dem Gedanken an diesen Engländer stieg ihr wieder die Röte ins Gesicht.
„Er ist der Earl of Cumberland Miss, er wird den Titel seines Vaters sehr wahrscheinlich nicht übernehmen". Isabella blickte ihn verdutzt an
„Nicht übernehmen... wieso?" fragte Isabella vollkommen überrascht. Eine solch direkte und informative Frage würde ihr allerdings nicht zu stehen. Aber Thomas Jackson zeigte auf eine Bank und sie setzten sich
„Wissen sie, Alexander de Warenne und sein Vater haben ein zerrüttetes Verhältnis, als damals seine Mutter starb, hat sich sein Vater vollkommen verändert. Vom liebenden Familienvater sozusagen zur eiskalten Bestie. Wie sie vielleicht selbst gesehen haben, ist dies bei beiden nicht spurlos vorbei gegangen... Alec hat am meisten abbekommen, um seinen kleineren Bruder zu beschützen, als er aber in den Wehrdienst des Königs ging, konnte er dies nicht mehr. Rickard ging für mehrere Jahre in ein Kloster zu Mönchen, bis er selbst in einem Alter war, wo er nun ja... andere Dinge bevorzugte. Er lebte dann in den verschiedenen Hundreds seines Vaters und genoss sein Junggesellendasein. Vor einigen Jahren, begann er dann ebenfalls sich als Soldat auszubilden und stiess vor nicht allzu langer Zeit zu seinem Bruder in das Heer". Isabella sah ihn schockiert an
„Das wusste ich nicht... seit ich hier in dieser Stellung begonnen habe, war der Earl of Surrey immer in seinem Zimmer. Er sei Schwachsinnig"
„Ja anscheinend... und Alec musste deswegen aus Carlisle weg, um sich um die Geschäfte seines Vaters zu kümmern. Er gibt sein Bestes, um die Ländereien und die Bauern wiederaufzubauen, doch es ist schwierig. Die Misswirtschaft seines Vaters hat vieles zerstört"
„Das ist sehr bedauerlich... aber es erklärt umso einiges" sagte Isabella und blickte Jackson an. Sie mochte ihn, er war witzig und freundlich. Zudem musste er ihr Vertrauen, sonst hätte er nicht solch private Einsichten in Alexander de Warennes Leben gegeben. Jackson klopfte sich auf den Schenkel und lachte
„Du meine Güte, sagen sie das aber niemals Alec, wenn er erfährt, dass ich plappere wie ein Wäscheweib dann setzt es was! Kommen sie, lassen sie uns hinein gehen, es wird langsam kalt". Zusammen gingen sie ins Haus, als gerade de Warenne auftauchte
„Jackson, verdammt ich habe dich überall gesucht" sein Blick fiel auf Jackson, der Isabella half sich von dem Schnee zu befreien. Sein Blick versteinerte sich unglaublich schnell. Er schien mit dem Kiefer zu knirschen und Isabella verfluchte sich insgeheim nicht aufgepasst zu haben und dass sie nun doch noch ihre Entlassung erhalten würde, tja selbst schuld!
„Ah Alec, wir hatten einen kleinen Spaziergang unternommen und der Schnee hat uns einfach überrascht. Was wolltest du denn von mir?" De Warenne stand immer noch am Geländer der Treppe und mühte sich um Worte
„Lass es uns im Arbeitszimmer besprechen, jetzt". De Warenne drehte sich um und verschwand im oberen Stock.
„Na dann Miss Grey, ich danke ihnen für die Gesellschaft und wünsche eine gute Nacht". Damit drehte er sich um und verschwand wie de Warenne im oberen Stock. Sie atmete erleichtert aus
„Ich danke Fortuna" murrte sie. Er wollte sie also nicht loswerden, aber er schien über ihren Anblick nicht erfreut und sie würde sich hüten ihm noch mal eine Gelegenheit zu bieten sich zu rächen.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Where stories live. Discover now