Kapitel 3.4 - Ein verruchtes Angebot

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Alec sass noch immer da und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Diese Störung hatte die ganze Stimmung platzen lassen. Warum auch immer. Ihm hätte es nichts ausgemacht, doch er hatte den Blick auf Roses Augen gesehen. Sie war erstarrt, als hätte sie erst dann begriffen, was sie eigentlich tat. Als würde er sie dazu zwingen diesen Höllenritt mitzumachen! Das hatte ihn entsetzt, er musste keine Frau zwingen sich ihm hinzugeben, niemals! Es war ihm scheinbar einfach unmöglich sich bei diesem Weib zu beherrschen. All die Ruhe, die er auf dem Ausritt mit Arac gesammelt hatte, war nun gewichen. Wieder stand er im Chaos seiner Gedanken. Es zog ihn zu ihr hin, er konnte nichts steuern. Aber weshalb in drei Teufelsnamen war sie gewillt zu Anfang und dann aus heiterem Himmel starrte sie ihn entsetzt an? Er hatte ihre Erregung deutlich gespürt und sie hatte auch gestöhnt. Dies war ein eindeutiges Zeichen, dass sie ihn auch körperlich begehrte, er konnte sie nicht anwidern. Er stand auf, denn die innere Unruhe forderte ihn auf etwas zu tun. Es wäre wohl das Klügste sich in der Dunkelheit der Nacht abzukühlen. Als Alec in die Eingangshalle trat standen Philipp, James, Rickard und die unbekannte Schöne zusammen und schienen sich zu unterhalten. Bevor überhaupt einer seiner Freunde ihn gesehen hatte, schritt die Schöne bereits engelsgleich auf ihn zu. Sie kam ihm so nahe, wie es der Anstand noch gebot. Ihre langen braunen Wimpern flatterten verführerisch und sie sagte mit einer feinen und spitzen Zunge
„Hat sie euch zufrieden gestellt My Lord? Glaubt mir, wenn ihr eine, wie mich zu eurer Frau machen würdet, wärt ihr nicht mehr auf Dienstboten angewiesen. Dies ist ein Versprechen, denkt darüber nach. Mein Name übrigens ist Ophelia, Ophelia Brandon, die Tochter des Viscount of Suffolk". Sie ging an ihm vorbei zur grossen Treppe in die Etage, wo sich die Gästegemächer befanden.
„Pfffffffff" pfiff James de Ferres als sie verschwunden war „Ich kann dir nur eines sagen, diese Dame ist der Untergang in körperlicher Gestalt persönlich. Sie hatte nur ein Ziel, sie wollte um alles in der Welt wissen mit welcher Dienstmagd du zusammen warst und ich sage dir, sie wird nicht aufgeben, bis sie es weiss"
„Und nicht zu vergessen" scherzte Philipp „Sie will dich um jeden Preis, das ist klar". Der Einzige der stumm geblieben war, war Rickard. Er sah Alec wissend an und meinte ernst
„Du musst dich vorsehen, Ophelia Brandon kann unberechenbar sein. Ich kenne David Brandons Familie und du würdest gut daran tun, wenn du dich in Acht nimmst". Alexander wusste, dass sein Bruder ihn nun durchschaut hatte. Er schien jetzt den wahren Grund zu kennen, warum er vor ein paar Wochen so wütend geworden war und ihn frühzeitig nach Cornwall geschickt hatte. Er wollte etwas sagen
„Rickard" begann Alexander, doch Rickard schüttelte seinen Kopf, hob eine seiner Augenbrauen und zuckte leicht mit den Mundwinkeln. Er verabschiedete sich und wünschte ihnen allen eine gute Nacht.
„Wer war die Glückliche?" witzelten Philipp und James, doch Alexander ging nicht darauf ein und folgte ihnen in den Spielsalon. Inzwischen war niemand mehr hier.
„Ich kann mich wirklich nicht erinnern, wann ich dich zuletzt in den Armen einer Frau gesehen habe Alec" meinte James in einem weiteren Versuch ihn aus der Reserve zu locken.
„Dies ist auch eher etwas, dass man hinter verschlossenen Türen tut" sagte Alec bitter.
„Es würde dir nur helfen," sagte Philipp, als er gerade drei Brandys eingoss „wenn du das nächste Mal deinen eigenen Rat befolgen würdest!"
„Ein wahres Wort Beaufort, dies kann nur ein Mann erwidern, der aus Erfahrung spricht!" und sie stiessen an. Viel später als beabsichtigt stieg Alec ins Bett und schlief ein. Nur der viele Alkohol brachte ihn dazu die Nacht einigermassen durchzuschlafen. Der Morgen kam viel zu früh, aber eines wusste er, er wollte unbedingt noch heute die Reise nach Surrey antreten. Seine Stiefmutter hatte jedoch wieder einmal andere Pläne. Sie wollte noch eine Woche bei Tante Catherine bleiben und alles gute Zureden hatte nichts bewirkt. Rickard hatte ihm dann versichert, dass er bleiben und mit den beiden Damen nach Hause fahren würde. Dies bedeutete, er nahm Rose mit, denn er brauchte jemanden zu Hause. Bis jetzt hatte er sie in den Gängen nicht gesehen und als ein Diener vorbeieilte, fragte er nach ihr.
„Verzeihung Mylord, leider nicht. Miss Grey wurde aber heute auch nicht in die Hausarbeit eingeteilt. Ich denke sie ist noch in ihrer Kammer. Gleich den Gang neben der Küche. Sie entschuldigen mich bitte, Mylady braucht ihren Met". Alexander ging den Gang entlang. Er konnte es nicht weiter hinaus zögern. Er wollte so schnell wie möglich losreiten, damit er in zwei Tagen in Surrey sein konnte. Er klopfte an eine kleine schäbige Tür. In diesem Gang hatte es bestimmt zehn solcher Türen! Keine Antwort, er nahm an, dass dies also nicht ihr Zimmer war und ging weiter. An der fünften Tür hatte er Erfolg
„Ja bitte, herein". Als er die Tür öffnete, sah er dieses Weibsbild, welches ihn so aus der Fassung brachte. Jetzt war es nicht anders. Sie stand neben ihrem Feldbett und räumte ihre Sachen zusammen. Ihr Haar war offen. Nie hatte er es so gesehen... Es floss ihr über den Rücken und die leichten Locken sprangen bei jeder Bewegung, wie wild hin und her. Sie trug das rosa Leinenkleid mit weisser Spitze, welches er damals in seinem Zimmer betrachtet hatte. Er hatte sich nicht getäuscht. Die Besitzerin erstrahlte darin, wie ein ungeschliffener Diamant. Er bemerkte erst, als sie anfing zu sprechen, dass er sie anstarrte.

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Isabella wollte alle ihre Sachen gepackt haben, falls die Mitteilung kam, dass die Ladyschaft nach Hause reisen wollte. Als es klopfte sagte Isabella etwas gedankenverloren herein. Sie war immer noch auf ihr Einpacken konzentriert, erst als sich ein grosser Schatten neben ihr aufrichtete, waren ihre Sinne geschärft und sie hob den Blick. Da stand er, schon wieder! Er würde sie noch ins Grab bringen! Wieso verdammt nochmals musste er immer in ihrer Nähe sein? Sie sah ihn an und er starrte zurück. Isabella hatte keine Lust sein Spielball zu sein und hatte sich entschieden diesem Wilden Paroli zu bieten. Sie liesse sich nicht so schnell wieder auf eines seiner Spiele ein. Nein, wenn dann setzte sie die Bedingungen und Regeln fest. Abgesehen davon, sollte er doch zu dieser feinen Dame gehen und sie ehelichen! Pah... dann wäre sie ihn hoffentlich los.
„Mylord ich bitte sie... um Himmelswillen, verschonen sie mich bitte heute mit einem ihrer Angriffe" sagte Isabella ermattet.
„Angriffe?!!" er knackte mit seinem Kiefer „Angriffe... ich kann nicht gerade behaupten, dass du dich gewehrt hättest, meine Liebe. Nicht im Geringsten" und er schloss die Tür. Isabella schluckte, zum einen, weil er wirklich sehr einschüchternd sein konnte, aber zum anderen doch mehr, weil ihr ganzer Körper vor Aufregung bebte. „Dazu kommt, dass ich dich schon zum zweiten Mal aus einer unangenehmen Situation befreit habe. Und ich noch den Grund erfahren möchte, warum Lord Talbot so von dir angetan war?! Warst du ihm mehr zugetan als mir?! Denkst du, er wäre ein besserer Liebhaber?!" Isabella ging dieser Gedankengang etwas zu schnell voran. Sie und George Talbot?!! Wie in allen Namen kam er dann auf das?!
„Hah... George Talbot ein Liebhaber... meiner ganz sicher nicht! Mir ist zudem durchaus bewusst, dass dies das zweite Mal war. Ich bin ihnen auch diesmal dankbar... George Talbot ist bestimmt kein Liebhaber, jedoch ist er mir... schon mal zu nah gekommen und daher kennen wir uns. Mylord". Isabella versuchte ihren Zorn zu zügeln, denn dies war nun sehr wichtig „Mylord... ich weiss ich habe nicht das Recht sie darum zu bitten, doch... ich befürchte Lord Talbot wird nicht ruhen bis er mich hat. Ich weiss es ist nicht ihre Aufgabe Mylord... ich werde mich auch... erkenntlich zeigen". Isabella versuchte ihm mit einem koketten Blick zu verstehen zugeben, was sie ihm dafür anbot. Das Einzige was sie besass, sich selbst. Alexander de Warenne schien verblüfft, doch dann verdunkelten sich seine Augen und er sagte bissig
„Wie empfinde ich den diese Wendung!? Du bietest mir dich als Bezahlung dafür an, dass ich dich beschütze?! Lasst euch eins gesagt sein Miss Grey, Alexander de Warenne braucht keine Almosen von Frauen. Sie kommen freiwillig in mein Bett! Zieh dich nun an und komm nach draussen, sobald du fertig bist. Wir beide werden heute nach Hause reiten" den letzten Satz sprach er mit einer solchen Genüsslichkeit aus, dass Isabella rot anlief. Als er hinter der Tür verschwand, liess sich Isabella aufs Bett fallen. Wieso musste sie ihn nur so provozieren, dass hatte sie nun davon! Von wegen ihre Regeln und Bedingungen. Sie würde nun mit ihm alleine nach Hause reiten. Sie wusste nicht, wie sie dies überstehen sollte, zumal sie sich ihm nun angeboten hatte. Wenn er sie beschützen würde, dann würde sie sich hingeben müssen. Verflixt und zugenäht, gestern Abend hatte sich das noch ganz vernünftig angehört! Sie hätte sich vorstellen können mit ihm das Bett zu teilen, doch jetzt... was war mit dieser feinen Lady? War sie etwa eifersüchtig?! Wie konnte dies sein? In ihrem Kopf spielten sich verschiedene Szenen ab. Sie war eifersüchtig, dass fühlte sie. Sie würde niemals mit einer Lady höheren Klasse mithalten können und er... er brauchte eine Dame an seiner Seite, die ihn unterstützte. Er war ein Mann von höherem Rang, er musste heiraten. Zum ersten Mal spürte sie tiefes Bedauern darüber, dass sie nicht mehr die war, die sie einmal gewesen war. Was könnte sie jetzt in dieser Position schon ausrichten? Sie war nichts wert. Eine eiskalte Hand schien ihr Herz zu umklammern. Nie würde sie ihre Mutter glücklich machen können... nie... Ihr Leben wurde auf grausame Weise umgeschrieben und sie musste sich den Umständen anpassen. Erst in Europa würde sie die Chance erhalten sich zu rehabilitieren. Dieser Gedanke beruhigte sie. Sie würde Vergeltung dafür fordern. Jawohl, sie würde sich darauf konzentrieren und ihr Ziel verfolgen. Dafür würde sie jedes Mittel anwenden, bis sie soweit kommen würde.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt