Kapitel 3.6 - Der Blick der Erkenntnis

En başından başla
                                    

Boom... ratz... Geschirr zerschellte. Isabella schrak aus dem Schlaf auf. Es war stockdunkel... was war das gewesen? Hatte sie etwa geträumt? „Ahhhh" ein Stöhnen erklang. Isabella sprang aus dem Bett. Diese Geräusche kamen aus dem Zimmer neben an. Sie tapste im Dunkeln zur Verbindungstür und sie legte ihr Ohr daran. „Nein, verschwindet" wütete es. Sie schnappte sich die Porzellan Schüssel von ihrem Nachttisch und hielt sie als Waffe vor sich hoch. Isabella riss die Tür auf. Sie konnte eine Person am Boden kauern sehen, denn das Mondlicht drang durch das Fenster hinein. Sie konnte die Person deutlich erkennen, es war de Warenne und er war allein im Zimmer. Sie liess die Schüssel sinken. Neben dem Nachtschränklein am Boden, lagen der Wasserkrug und eine zerbrochene Schüssel. Isabella kniete sich neben de Warenne, der sich aufsetzte und sich seine Hand hielt. Er wisperte leise vor sich hin. Sein Blick war trübe, als befände er sich an einem anderen Ort. Er hatte sie bis jetzt noch nicht bemerkt. Sie wollte etwas sagen und sah auf seine rechte Hand. Er blutete. Er hatte sich wohl an der zerbrochenen Schüssel geschnitten. Isabella ging hinüber in ihr Zimmer und riss ein Stück von ihrem Leinenhemd ab. Sie nahm ihren Wasserkrug und trug ihn ins Zimmer von de Warenne. Er sass immer noch zusammen gekauert neben dem Bett und schien nicht ganz bei sich zu sein. Als sie seine Hand nahm, blickte er sie an. Doch sie konnte nicht sagen, ob er sie erkannte. War dies nun die Nachwirkung des Alkohols? Sie verarztete ihn und sagte
„Kommt, geht nun wieder ins Bett Mylord. Wir haben noch eine harte Reise vor uns". Er stand auf, doch sein Blick wich nicht von ihr. Sie schlug die Laken auf, damit er sich hinlegen konnte. Als sie ihm helfen wollte, packte er sie und zog sie heftig an sich. Sie konnte sich nicht wirklich bewegen und tätschelte seinen Arm. Er legte seinen Kopf auf ihren und drückte sie an seine Brust. Er war heiss, als wäre er gerannt, sein männlicher Geruch stieg ihr in die Nase. Sie hörte ihn ganz leise flüstern
„Bitte bleib bei mir Rose... verlass mich nicht". Verwirrt durch seine Worte sagte sie zögernd
„Ich bleibe...". Sie legte ihn hin, doch er wollte ihre Hand nicht loslassen. Sie musste ihm versprechen, dass sie sich sofort zu ihm hinlegen würde. Isabella räumte rasch die Glasscherben am Boden zusammen und ging dann auf das Bett zu. Er lag mit dem Rücken nach Aussen auf der Seite. Sie kroch von der rechten Seite ins Bett. Sobald sie sich hingelegt hatte, nahm er wieder ihren Arm und zog sie ganz nah zu sich heran. Er bedeckte sie mit dem Laken und legte ihren Kopf in seine Halsbeuge. Ihr Herzschlag, der erst so heftig donnerte, dass sie ihn sogar am Hals spürte, beruhigte sich allmählich und triumphierte nun. Sie ignorierte ihre innere Stimme, die gewissenhaft applaudierte und versuchte wieder in den Schlaf zu fallen. Doch sie schlief äusserst schlecht. Immer wieder zuckte er zusammen und murmelte unzusammenhängende Sätze, dann strich sie sanft über sein Gesicht oder seine Arme, dies schien ihn zu beruhigen. Je heller es draussen wurde, desto friedlicher wurde er, bis auch Isabella in den Schlaf fiel.

Sie fühlte einige Stunden später eine raue Hand über ihr Gesicht fahren und sie öffnete ganz langsam ihre Lider. Sie musste einige Male blinzeln, bis ihre Augen sich an das Sonnenlicht gewöhnt hatten, dann blickte sie in die mysteriösen dunklen Augen und erkannte den feinen grauen Schimmer. Seine Hand hielt inne
„Was tut ihr in meinem Bett? Habe ich euch" sein Blick fiel auf seine verletzte Hand „verletzt oder beschämt?" Isabella wollte sich sofort erheben, da nun der Schlaf von ihr wich. Doch er drückte sie sanft wieder in die Kissen. Sie blickte mit ihren grünen Augen de Warenne an und sagte
„Nein Mylord, mich habt ihr nicht verletzt oder... beschämt... ihr habt euch verletzt, als ihr gestern Nacht die Schüssel zerbrochen habt. Es war auf einmal ein grosser Krach in eurem Zimmer, was mich aufgeschreckt hat. Ich hörte den Lärm und dann habe ich euch hier am Boden vorgefunden... da wart ihr nicht ganz..." sie brach ab. Wie konnte sie ihm dies nur sagen? Ihm sagen, dass er vielleicht verrückt war?! Das er ganz von Sinnen war? Nein das konnte sie nicht aussprechen.
„Was war ich, Miss Grey?" drängte Alexander de Warenne.
„Mylord ihr müsst Schlafgewandelt sein... ich habe davon schon gehört. Es ist eine Art... Erkrankung, die einem im Schlaf überkommen kann, wenn man... Ich kann mir vorstellen, dass dies bei euch zutrifft, schliesslich seid ihr oft unterwegs" sagte Isabella hastig. Ihr war ein Bericht eingefallen, den sie einmal in einem Rundschreiben gelesen hatte. Ein Arzt hatte diese Theorie aufgestellt, dass es belastete Menschen gäbe, bei denen dieses Phänomen auftrete, oftmals waren es Soldaten oder Söldner aus dem Krieg, weil sie dies nicht mehr losliess. Natürlich war dieser Artikel von hohen Schriftkundigen und alteingesessenen Ärzten abgelehnt worden und es wurde heftig darüber diskutiert, doch die Experimente und die Aufzeichnungen des Arztes schienen Isabella recht glaubwürdig. De Warenne sah sie aufmerksam an und drehte sich dann auf den Rücken. Er antwortete nicht. So lagen sie eine zeitlang schweigend nebeneinander, bis er sich wieder zu ihr hindrehte. Seine Augen blickten sie leidenschaftlich an und bevor sie etwas entgegnen konnte, war er über ihr und küsste sie stürmisch. Isabella zog es in den Sog hinein und sie liess sich fallen und überliess ihm die Führung. Doch so überraschend es auch gekommen war, löste sich de Warenne wieder von ihren Lippen
„Eure Gegenwart sorgt dafür, dass ich meine Selbstbeherrschung beinahe komplett verliere... wenn ihr mich weiterhin so sehr herausfordert und mir dann" er seufzte und strich ihr sanft über ihre Wange „ein solch verlockendes Angebot unterbreitet, kann ich für nichts mehr garantieren Miss Grey". Er sah sie an und sie erkannte wie ernst es ihm war „Ziehen sie sich an, wir treffen uns unten zum Frühstück, danach reiten wir weiter". Isabella stieg aus dem Bett und ging in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. Er behandelte sie nun wie eine Dame. Zuvorkommend und höflich. Es war ihr klar, dass Carson und Molly mit Respekt angesprochen wurden, da sie auch schon ihr Leben lang für die Familie de Warenne in Diensten standen, aber sie? Das verwirrte sie zusehends. Es war ihr lieber gewesen, als er sie wie eine gewöhnliche Dienstbotin angesprochen hatte. Ihr Herz pochte. Denn eine Wahrheit lag nun klar und deutlich vor ihr. Wie würde sie ihm widerstehen können? Er hatte ihr gerade gestanden, dass er sich nicht beherrschen könne. Sie musste sich eingestehen, dass eine gefährliche Leidenschaft zwischen ihnen existierte und dass sie selbst mit dieser zu kämpfen hatte. Noch bedrohlicher schien jedoch eine andere Tatsache; sie wollte, dass das pochende Etwas zwischen ihren Beinen endlich befriedigt wurde. Egal, wie sehr sie diesen arroganten Engländer zuvor versucht hatte schlecht zu reden, nach dieser Nacht hatte sich alles verändert. Sie musste ihn zweifellos anders wahrnehmen, auch wenn sie es nicht wollte. Sicher war er immer noch arrogant, überheblich und furchteinflössend, aber er hatte eine schwere Last, die er mit sich trug und anscheinend verfolgte sie ihn meist in der Nacht. Er war zu einem sensiblen Wesen für sie geworden. Dies half ihr nicht... sie hatte versucht ihn sich auszureden und ihre verräterische Reaktion auf ihn herunter zu spielen, aber nun da sie wusste, dass er tief in sich ein verletzlicher, sensibler Mann war, da begann auch ihr Verstand sich nicht mehr zu wehren gegen die Gefühle, die er mit ihrem Körper anstellte. Es gab jetzt eine Art Verständnis... eine Art Vertrauen... Hatte sie dies nur wegen dieser einen Nacht? Doch sie hatte auch das Gefühl, dass er sie ebenfalls anders ansah. Wie wusste sie allerdings nicht, er hatte immerzu denselben starren Blick... doch nun lag etwas Sanftes darin. Selbst ihren Vorsatz sich nicht auf der Reise mit ihm wohl zu fühlen, war gescheitert. Nach weiteren Stunden auf dem Rücken des Arabers, gab sie es auf und lehnte sich an seine harte starke Brust. Er hatte kein Wort erwidert, aber sie hatte gespürt, wie seine Atmung sich geändert und seine Muskeln sich angespannt hatten. Nach weiteren Stunden war sie sogar an seiner Schulter eingeschlafen und er hatte sie nicht geweckt. Immer wieder schlief sie ein und erwachte einige Zeit später. Als sie das nächste Mal aufgewacht war, war der Horizont schon zart Rosa gefärbt und Isabella rieb sich erstaunt die Augen
„Wie lange war ich dem Schlaf verfallen?" fragte sie überrascht. Er sah kurz zu ihr hinab
„Die gesamte Nacht". Isabella richtete sich auf. „Sorgt euch nicht. Wir sind nur noch ein, zwei Stunden von Surrey entfernt. Wenn sie mögen können wir noch eine kurze Rast einlegen?" Isabella schüttelte den Kopf. Sie hatte wirre Dinge geträumt... mit ihm... und jetzt so nah bei ihm, fühlte sie sich nun peinlich berührt. Sie fürchtete gar, dass sie möglicherweise seinen Namen ein paarmal genannt hatte! Da sie seinen Blick auf ihrem Profil spürte, sagte sie
„Ihr habt keine Rast gemacht um euch schlafen zu legen Mylord?". Er straffte Aracs Zügel und führte sie auf einen schmaleren Pfad einen Hügel hinauf.
„Arac und ich sind uns lange Ritte ohne Schlaf gewöhnt". Mehr sagte er nicht dazu. Sie nickte und richtete ihren Blick nach vorn. Natürlich waren sie das.
Zwei Stunden später ritten sie über den letzten Hügel, der sie vom Herrenhaus der de Warennes trennte. Walther der Stalljunge war nicht da und so kümmerte sich de Warenne selbst um sein Pferd. Isabella ging voraus ins Haus. In der Eingangshalle war es so wie immer.
„Carson" Isabella ging auf ihn zu „Wie geht es ihnen? Dürfen sie überhaupt schon gehen?" Carson lächelte ihr zu
„Natürlich Miss Grey. Mir geht es hervorragend, nur das Treppensteigen bereit mir noch etwas Mühe". Isabella lächelte ihm zu. Er nahm die letzten Stufen der Treppe etwas geknickt in Angriff, aber im Allgemeinen sah er wieder besser aus. Seine wenigen Haare, die seinen Kopf noch schmückten, hatte er, um seine Verletzung zu tarnen, um sie herum drapiert. Sonst wirkte er wie immer, ausser dass er noch dünner geworden war. Als er endlich die letzte Stufe erreicht hatte, fragte er „Ist der Herr auch mitgekommen?" Sie liefen gemeinsam Richtung Küche, als Isabella antwortete
„Ja, wir sind zusammen hergekommen. Er war zornig als er erfuhr, dass ich und die Ladyschaft zusammen nach Cornwall gereist waren. Das habe ich zufällig mitbekommen". Carson nickte wissend
„Ja, wenn sich die Lady etwas in den Kopf gesetzt hat, dann will sie dies um jeden Preis, lasst euch das gesagt sein". In der Küche goss er sich und Isabella einen Cidre ein. Als sie beide fertig waren, sagte Carson „Und am besten gehen sie sich nun umziehen, meine Liebe. Diese Kleider". Er sah auf ihren zerfetzten Hemdärmel „können wir gleich liquidieren". Übermüdet schleppte sich Isabella in ihr Zimmer vollkommen in ihre Gedanken versunken. Zum einen war sie froh wieder in Surrey zu sein bei Carson und Molly und Emil, aber zum anderen fühlte es sich anders als zuvor an. Fast als würde sie mit dem Hausherrn ein Geheimnis teilen, dass niemand sonst erfahren dürfte.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin