Nicht weniger fehlte ihm der nach außen eher ruhig wirkende Clayton. Tja, Clayton. Früher, in seinen dunkelsten Tagen, hätte er Schwächlingen wie Ezra das Pausengeld ohne mit der Wimper zu zuckend abgezogen und seinen Schulranzen in die Toilette geworfen. Clayton eilte ein verboten schlechter Ruf voraus, der Ezra vor dem ersten Tag an der High School Grund zur Sorge gab. Aber so oft er sich alle möglichen Szenarien auch durch den Kopf gehen ließ – es kam alles so unvorhersehbar anders. Denn Clayton, der wie Harvey und Ezra neu in die Klasse kam, machte einen...ungewohnt bedrückten Eindruck. Vielleicht lag es daran, dass er seinen damaligen Freunden den Rücken kehrte, als diese den Hobbyrapper nach einem Underground-Rap-Battle als Möchtegern Eminem verspotteten und damit etwas in der einsamen Seele zerbrachen. Ein anderer Grund könnte der sein, dass Clayton in einer sehr selbstkritischen Phase seines Lebens feststeckte. Seine Eltern unterstützten seine Liebe zur Musik nicht – wieso sollten es auch schon andere tun? Ezra traf das erste Mal auf Clayton, als er mit Harvey den Chemieunterricht suchte und stattdessen in einem Musiksaal stand. Die zwei Freunde lauschten gebannt dem sanften Klavierspiel und der eher kontrasthaltigen rauen Stimme, die ein kleines bisschen mehr von dem Clayton entblößte, der unter der rauen Schale steckte. Tja, und so trafen Welten aufeinander. Harvey spornte Clayton an, seinen Traum weiterhin zu verfolgen und im Gegenzug komponierte der leidenschaftliche Musiker die schönsten Stücke für Harvey's Tanzkunst. Seine sarkastische Natur lebte er mit Ezra aus, scheute sich nicht davor Kritik an dessen Schriftstücken zu äußern und...

...und die drei passten einfach mit allen Ecken und Kanten zusammen.

Er wollte wieder nach Hause.

„Was? Über Nacht das Sprechen verlernt?", juxte Ezra mit scharfer Stimme und bemerkte nicht, wie sich das Wesen unwillkürlich schlechter fühlte. Wie Speere bohrte sich diese Gehässigkeit in sein Herz, drehten das Organ schmerzhaft und zerschlitzten es.

„Was auch immer dein Problem ist, Schlumpf: lass uns aufbrechen. Ich will endlich nach Hause und zu meiner Familie"

„Ich auch", wisperte der Blauhaarige kaum hörbar und mit einem Mal war es ihm, als wüsste er nicht mehr wo oben und wo unten war. Seine komplette Welt riss aus den Angeln und die unheilvollen Illusionen, die seine Paranoia im Hinblick auf die Ächtungen der seinen weckte, versetzten ihn in kalte Panik. Horror. Ezra glaubte sich verhört zu haben, doch dann vernahm er die Stimme ein weiteres Mal. Allerdings so...so unglaublich zerbrochen, so trostlos, als habe sich ein Überlebender kurz vor dem Ziel auf die Knie sinken und mit Kugeln zerfetzen lassen.

„Ich möchte auch nach Hause"

Jedoch gibt es keinen Ort auf diesem Planeten, der diesen Titel tragen möchte...niemand möchte mich.

„Dann mach dich halt auf die Socken – also, nachdem du mich von hier weggebracht hast", nörgelte der Mensch ahnungslos von der schwerwiegenden Last dieser sieben Wörter, erhob sich ächzend aus dem körnigen Sand und streckte seine versteiften Gliedmaßen. Die Sonne tat gut in seinem Gesicht und in Gedanken formte sich durch dieses einschneidende Erlebnis die eine oder andere Krimi-Idee, die es wert war weiterzuverfolgen. Ezra schnalzte mit der Zunge und fuhr sich durch die Haare, wobei sein weißes Hemd verrutschte und spielerisch im Wind wehte. Gereizt riss er an dem Stoff und schob ihn kurzerhand eher zynisch in den Bund seiner Jeans, ehe er sich umdrehte und seinen Blick auf den Ozean richtete.

Und erst da kam ihm ein Gedanke, der sich nachts zuvor nicht mehr durch die bleierne Müdigkeit kämpfen konnte.

„Wie sollen wir denn bitte schön hier wegkommen?"

Sichtlich vor den Kopf gestoßen verschränkte er die Arme vor der Brust und rümpfte die Nase, bevor er spöttisch die Augen rollte und den Kopf in den Nacken beugte. Es war keine Frage, dass er allmählich wirklich mit seiner Zurechnungsfähigkeit zu kämpfen hatte. Ein harter Brocken, wenn man seinen Sturschädel knacken wollte. Zwischen all den Fakten und Verdrängungen von märchenhaften Erzählungen war eben kein Platz für den Glauben an Übernatürliches. Oder etwa doch?

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now