„Willst du mich verarschen?", hauchte Ezra mit geweiteten Augen und keuchte überfordert auf, umringt von Nichts und warf die Hände zu einer übertriebenen Gestik empor. „Das hier ist der Arsch der Welt! Ich wach auf ohne zu wissen wie ich überhaupt erst hierhergekommen bin, und du willst mir allen Ernstes weismachen, es gäbe keinen Grund zur Sorge? Bist du komplett bescheuert?", schrie er jetzt verloren in seiner übermannenden Rage und ballte seine Hände zu dicken Fäusten, wodurch seinem Gegenüber bange wurde. Vielleicht hatte es das menschliche Temperament ja doch gehörig unterschätzt?

Ezra rappelte sich zittrig auf, raufte sich mit schmerzendem Kopf durch die verklebten Haarsträhnen und stieß einen spitzen Schrei aus – er reagierte über. „Was ist das für eine Scheiße?!". Total. Aber was würdet ihr an seiner Stelle machen, wenn ihr auf einer einsamen Insel aufwacht und keinen Schimmer habt, was ihr verbrochen habt um das zu verdienen?

Das Meerkind, dessen Absicht keineswegs darin lag dem Menschen den Verstand zu rauben, schluckte und setzte zögerlich zu einer Erklärung an: „I-ich teile Euer Unbehagen über die derzeitigen Umstände, das tue ich wirklich, j-jedoch bitte ich Euch einzuhalten und Eure Kräfte zu schonen"

Ezra, dem die eigenartige Ausdrucksweise noch nicht weiter auffiel, fuhr herum und fauchte seinen Retter scharf an, der emotionale Koller war seiner Verzweiflung anzulasten: „Unbehagen? Ich flipp gleich aus – mir ist nicht unbehaglich zumute! Ich bin verdammt nochmal scheiße angepisst! Mir ist kalt, ich hab keine verfickte Ahnung wo ich hier gestrandet bin und – ey, sag mir jetzt endlich was du für ein komischer Vogel bist!"

Der komische Vogel ist der Grund, warum du noch nicht ersoffen bist und von den Fischen zerfressen wirst. Außerdem ist er so ganz nebenbei von königlicher Herkunft, aber hey – was weiß ich schon? Bleiben wir halt beim komischen Vogel.

Der Junge mit den ozeanblauen Augen, der seine wahre Identität durch die Schatten und den zerspaltenen Geisteszustand des Menschen glücklicherweise leichter als gedacht verbergen konnte, holte tief Luft und versuchte ruhig zu klingen, um die Spannung so weit wie möglich zu entschärfen: „A-aber Ihr lebt. Das ist es doch, w-was im Moment die größte Bedeutung tragen sollte?"

Langsam hob er die Hand und bot sie dem Menschen an, als Zeichen seiner Hilfsbereitschaft und Versicherung, dass er sich keinem Feind gegenüber fand. Der Schwarzhaarige allerdings wich uneinsichtig zurück und durch seine nicht enden wollende Skepsis erstarb das Lächeln des Jungen. „Ihr braucht keine Angst zu haben. Nicht vor mir", versicherte es Ezra mit leiser Stimme, Traurigkeit schwang darin mit und zum ersten Mal in seiner Existenz erlebte das Königskind, wie bleischwer sich eine Zurückweisung anfühlte. Es tat weh. Fürchterlich. Es wollte dem Landwesen doch nichts Böses, weshalb also erweckte dieses den Eindruck, als schmiede es bereits ersten Rachepläne für sein Erscheinen? Nichts lag ihm ferner, als dem Zweibeiner Schaden zuzufügen. Es wollte helfen, wirklich helfen weil es doch so bitterst wusste, wie es sich anfühlte auf sich allein gestellt zu sein.

Ezra glaubte seinem Gegenüber nicht.

Er vertraute fremden Menschen mit Kapitänsmützen sein Leben an, und wo hatte es ihn letzten endes hingeführt? Auf eine verlassene Insel zusammen mit seinem bröckelnden Verstand, der ihm schon Trugbilder in seine Realität projizierte. Statt einem freundlichen Wort fragte er misstrauisch: „Hast du mich hierhergebracht? Wo bin ich? Und speis mich nicht wieder mit halben Wahrheiten ab"

Das Meergeschöpf verspürte tiefe Befriedigung, dass der Mensch noch lebte und aufgewacht war – es hätte so viel schlimmer ausgehen können, dessen war es sich klar. Aber glücklicherweise tat es das ja nicht. Mit einem klammen Räuspern rutschte es ein kleines Stückchen näher an die unermüdliche Brandung, damit der Blick auf den Unterleib verborgen blieb und sich der Ozean nicht verleitet fühlte, dem Menschen das Leben zu nehmen um die Sicherheit seines Liebsten zu gewährleisten. Wäre der Schwarzhaarige in einer stabileren Verfassung, besäße er einen klaren Geisteszustand, dann hätte sich der Junge mit den kristallblauen Haaren womöglich gezeigt und die Umstände erklärt. Im hier und jetzt erschien ihm dies wahrlich keine kluge Idee. Wer weiß, wie der Gerettete noch reagieren würde. Er war verwirrt genug und sollte keine zusätzliche Angst bekommen, diese würde eine überstürzte Offenbarung seiner wahren Identität zweifelsohne bedeuten. Von der Angst war es kein weiter Weg in einen Akt der Verzweiflung.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now