Epilog

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Der kalte Herbstwind pfiff unbarmherzig über den Friedhof und zupfte an den Hüten und Umhängen der kleinen Gemeinschaft, die sich dort vor einem offenen Grab versammelt hatte. Jeder in Godric's Hollow, der magisches Blut in den Adern hatte, war gekommen, um dieser Tragödie beizuwohnen – um die beiden Dumbledore-Jungen zu sehen, die nach dem Tod ihrer Eltern nun auch noch ihre jüngere Schwester verloren hatten.

„Was hatte sie denn nun eigentlich?", wisperte Muriel, die ihre Freundin Bathilda stützte. Seit einigen Tagen war das Kind nun schon überfällig. „Es heißt, Ariana hatte eine schwache Gesundheit", hauchte sie Muriel zu. „Mein Großneffe – der von den Fotos, weißt du? – Er war völlig verstört, nachdem, was er gesehen hatte. Wollte auf der Stelle einen Portschlüssel haben ... ich verstehe nicht, warum er nicht noch bis zur Beerdigung bleiben konnte."

Gellert hatte sie mitten in der Nacht geweckt, als er seine Hände auf ihren Bauch legte.

„Was tust du?", hatte sie gefragt.

„Mich verabschieden ... sei unbesorgt ... dein Kind wird nun gewiss ein mächtiger Zauberer wer'n. Dafür braucht's nur eine besond're Seele ..."

Bathilda schauderte beim Gedanken an Gellerts kreidebleiches Gesicht. Was war nur mit ihm geschehen – und mit dem kleinen Aurelius in ihrem Bauch? Er schien sich verändert zu haben! Sie sah hinüber zu Albus, der neben dem Grab stand, gehüllt in einen schwarzen Festumhang, einen Hut tief ins Gesicht gezogen, sodass es unmöglich war, seine Mimik auch nur zu erahnen.

Er hatte die Hände vor dem Köper gefaltet und gab sich alle Mühe, der Predigt zu lauschen, doch die Worte drangen nur dumpf an sein Ohr, wie aus weiter Ferne. Schmerz war alles, was er fühlte, atmete und dachte. Ganz so, als hätte er eine todbringende Wunde erlitten, an der er jeden Moment verbluten würde – ganz sicher – denn wie konnte dieser Zustand noch länger anhalten?

Nur wenige Stunden nach Arianas Tod waren seine Legilimens-Fähigkeiten mit erschreckender Kraft erwacht. Besonders traurige Gedanken seiner Mitmenschen waren nun nahezu unmöglich zu überhören, als würden sie in anschreien. Er schielte unter seiner Hutkrempe hervor, betrachtete die ernsten Gesichter vor sich und spürte Abscheu darüber, dass all ihre Gedanken viel mehr von Neugierde geprägt waren – Neugierde über seine mysteriöse Schwester – als von Trauer oder Anteilnahme. Aber das Schlimmste war, dass unter dem vielen Stimmengewirr in seinem Kopf eine hinzukam, die ihn wahnsinnig machte. Es war Gellerts schwingender Singsang, der immer dann mit klugen Ratschlägen in sein Bewusstsein drang, wenn er dachte, endlich einen kleinen Moment Ruhe gefunden zu haben. Und er konnte diese Stimme nicht ausschließen, wie die Gedanken der anderen Menschen um ihn herum, denn sie war ein Teil von ihm.

Gellerts Geist war wie ein Splitter in seinen Gedanken, und immer, wenn er gerade ein wenig aufatmen wollte, stach dieser unbarmherzig zu. Es war zu viel – er konnte nicht mehr – es sollte aufhören!

Aberforth stand neben ihm in einem schlichten schwarzen Hemd und einem alten Hogwarts-Umhang. Das lange zottelige Haar verdeckte sein Gesicht, doch es war nicht nötig, den genauen Ausdruck zu sehen, denn sein ganzer Körper bebte vor Wut. Albus wagte einen kurzen Blick zu Himmel und wünschte sich nichts mehr, als dass dieser Moment endlich vorüber ging. Er hielt es nicht mehr neben Aberforth aus – Aberforth, der ihn nun glühender hasste als je zuvor, obgleich es nur ein paar Sekunden gewesen waren, die er aus seinem Gedächtnis gelöscht hatte. Die Gedanken seines Bruders waren fast so schlimm wie Gellerts Sticheleien.

„Ich schwör's: Wenn ich jetzt nach Askaban muss wegen diesem Bastard – ich wart' dort auf ihn – und wenn er kommt, mach' ich ihn fertig!"

Ein anonymer Tipp war in der Woche nach Gellerts Verschwinden beim Zaubereiministerium eingegangen; ein Hinweis auf „unzüchtige Magie mit Ziegen" in Godric's Hollow. Aberforth war mit sofortiger Wirkung von Hogwarts suspendiert worden und hatte nun ein ernstes Strafverfahren am Hals, geführt von keinem Geringeren als Torquil Travers.

Summer of '99 - Die Herren des TodesWhere stories live. Discover now