Der flammende Phönix

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Der Flug auf dem neuen Besen war eine echte Wohltat. Raus aus dem Haus und raus aus dem Dorf, das war nun die Rettung! Seine Flugbahn führte Albus über den kleinen Friedhof von Godric's Hollow, und kurz hielt er darüber inne. Sollte er dem Grab seiner Mutter einen Besuch abstatten? Nein, lieber nicht, er war zu aufgewühlt, zu wütend! Kendra verdiente etwas Besseres, als einen Sohn, der sich an ihrem Grab über seinen Bruder im Besonderen und die Welt im Allgemeinen ausließ.

Die kühle Frühsommerluft fuhr durch sein rotbraunes welliges Haar und zupfte fast unternehmungslustig an seinen weiten weißen Hemdsärmeln, als er den Besen wieder Richtung Dorfrand wendete und weiterflog. Ihn fröstelte, denn er hatte in seiner Wut nicht an seinen Umhang gedacht und lediglich den Zauberstab in die Weste gesteckt.

Doch er dachte nicht daran, noch einmal umzudrehen. Im Gegenteil, dass ihm nun kalt war, machte ihn gleich noch etwas wütender! Also spornte er den Besen an und schoss über die Friedhofsmauer hinweg in Richtung der Felder, bis die Lichter von Godric's Hollow nur noch als kleine Punkte in der Ferne zu erkennen waren.

Albus landete auf einer Wiese hinter den Feldern in der Nähe eines alten Baumes. Die Nacht war angebrochen, und bald würde ihn die nächtliche Schwärze vollständig einhüllen. Gut so! Er hatte wenig Interesse an Zuschauern.

Vorsichtig lehnte er den Besen an den Stamm des Baumes und fuhr noch einmal mit der Hand über die schönen Ornamente.

Aberforth, du bist wirklich ein Banause!

Albus krempelte die Ärmel hoch und entfernte sich einige Schritte von dem Baum. Er zückte seinen Zauberstab und ließ seinen unruhigen Blick über die Felder schweifen. Wo anfangen? Zu Hogwarts-Zeiten hatte er seine Wut gerne beim Zauberer-Duell ausgelassen, meist gegen deutliche ältere Schüler, denn von seinen Altersgenossen war ihm keiner gewachsen. Und auch die Älteren hatte er schlussendlich besiegt, nicht zuletzt wegen seines spektakulären Eröffnungszaubers: Zu Beginn eines Duells liebte es Albus, seinen Patronus, einen mächtigen Schutzzauber in Gestalt eines prachtvollen Phönix', heraufzubeschwören, der dann mit seinem melodisch-trillernden Gesang über ihm kreiste, während das Duell ausgetragen wurde. Und bald wusste jeder: Wenn der Phönix flog, war Albus unbesiegbar.

Er hob den Zauberstab und suchte nach einem wunderbaren Gedanken – seine Mutter Kendra und ihre bedingungslose, warmherzige Liebe: „Expecto Patronum!"

Weiße Schwaden stiegen aus der Spitze auf, aber statt Vogelschwingen waren es nur formlose Schlieren. Wirre Kringel. Und sie verpufften.

„Nein!"

Dieser Zauber war ihm doch immer so leichtgefallen!

Er sammelte sich und wählte eine speziellere Erinnerung: Kendra, die ihn vor dem Zubettgehen verabschiedete, indem sie einen Kuss auf ihre Fingerspitzen drückte und mit diesen seine Stirn berührte ...

Expecto Patronum!" Diesmal kam nur ein leiser Hauch aus dem Zauberstab, und weiße Partikel schwirrten wie kleine Leuchtkäfer hervor. Albus merkte, dass ihm wieder Tränen in den Augen brannten. Es war keine glückliche Erinnerung – sie war ganz und gar überschattet von Bitterkeit. Er konnte sie nicht retten ...

„Aaaaaaaaargh!", schrie Albus wütend.

Er holte in einem weiten Bogen aus und rammte seinen Zauberstab in die Erde, sodass ein feuriger Krater im harten Boden aufplatzte.

Albus atmete aus, verstärkte den Zauber, brach einen großen Gesteinsbrocken aus dem Spalt, riss ihn heraus und brachte ihn zum Schweben.

BOMBARDA!"

Summer of '99 - Die Herren des TodesWhere stories live. Discover now