_3_

10 2 1
                                    

War natürlich blöd, ja, ich weiß. Hätte ich nicht machen sollen, schon klar, aber wie zur Hölle hätte ich den wissen können, dass DAS passiert?
‚Nimm keine Süßigkeiten von Fremden an!' ,das sagen sie, wenn du klein bist. Später kommt dann: ‚Nimm generell Nichts von Fremden an, erst recht keine Drogen oder so Zeugs halt'.
Hatte ich nicht vor, wirklich nicht! Ich wollte keine Halluzinationen mit allem drum und dran und einen dummen Tod gleich dazu. Nein, danke.
Aber sie sagte es wären Schmerzmittel und das Kopfweh war an dem Abend unerträglich gewesen.
Da geh ich schlaues Wesen halt auch noch in der Nacht raus um frische Luft zu schnappen, in der Hoffnung, dass es dadurch ein wenig besser wird.

Ich hatte das Mädchen erst garnicht gesehen, aber es hatte vermutlich ziemlich lange neben mir auf der Parkbank gesessen. Vielleicht war sie auch schon vor mir dort, keine Ahnung. Ich bin jedenfalls dort gesessen und habe mir die Hände an die Schläfen gepresst. Ohne jegliches Zeitgefühl, einfach betend, dass die Schmerzen bald vorüber sein würden. Ich glaube das Mädchen neben mir hat inzwischen geweint. Ich gebe zu, dass ich mich nicht daran erinnern kann jemanden schluchzen gehört zu haben, aber ich hatte ja ziemliches Kopfweh und habe eher weniger auf meine Umgebung geachtet.
Ich muss wohl aufgestöhnt, oder irgendwas gemurmelt haben, denn sie drehte sich zu mir um, und ich sah aus dem Augenwinkel ihre geröteten Augen. Ich hätte natürlich gerne hilfsbereit ein Taschentuch herausgeholt und sie gefragt, was man ihr getan hat, aber ich reagierte nicht. Ich starrte weiterhin auf den Asphalt zu meinen Füßen. Daraufhin ging sie direkt vor mir in die Hocken und hob meinen Kopf, sodass ich sie ansah.

„Kopfweh?", fragte sie, und schon das hätte mich misstrauisch werden lassen sollen. Ich kniff die Augen zusammen, was sie dann als ‚ja' verstand. Sie nickte und schob ihre Hand in die rechte Hosentasche. Ihre Augen wurden kurz groß, als sie eine Palette Tabletten herauszog. Sie starrte sie kurz an. Dann nahm sie meine Hand und legte sie hinein.
„Das sollte helfen" Und dann ging sie.

Diese Tabletten hätten alles Mögliche sein können, schließlich hatte ich sie ohne die Verpackung bekommen, aber ich drückte eine aus dem Plastikteil und schluckte sie.
Kurz geschah Nichts. Dann wurde es besser, es fühlte sich so an, als würden zwei Hände aus Luft in mein Gehirn geschoben werden, uns die Schmerzen anheben. Langsam lösten sie sich auf.
Erleichtert atmete ich aus, lehnte mich zurück und flüsterte ein „Danke." in die Dunkelheit.
Dann setzten die Nebenwirkungen ein, über die mich natürlich keine Beschreibung hatte vorwarnen können, da ich ja keine hatte. Und wie gesagt, ich hatte keine Ahnung was das für ein Zeug war.
Hätte ich nach Hause gehen sollen? Wahrscheinlich.
Bin ich in der Nacht auf der Parkbank sitzen geblieben?
ja..
Zuerst waren es nur einpaar Punkte, wie das Licht von weit entfernten Straßenlaternen. Diese begannen sich dann aber zu drehen, wurden zu gelben Spiralen und nahmen immer mehr von meinem Sichtfeld ein.
Ich versuchte tief zu atmen und aufzustehen. Noch so eine tolle Idee.
Ich stolperte und sah kurz nichts als rot.
Dann beruhigte sich alles etwas.
Hier und da noch ein Lichtpunkt und ich kam mir ziemlich unsicher auf den Beinen vor, aber es ging.
Langsam macht ich mich auf den Weg zu meiner Wohnung.

Irgendwie muss ich wohl eine Straße früher eingebogen sein, denn ich landete in einer Sackgasse. Unter normalen Umständen hätte ich mich natürlich umgedreht und wäre gegangen aber ein Geräusch lies mich Inne halten. Es war ein merkwürdiges Summen, das ich nicht identifizieren konnte.
Und dann war da noch diese blaue Fee.
Ich dachte natürlich, dass ich jetzt endgültig übergeschnappt bin, aber ich hatte das komisch ungute Gefühl, dass das nichts mit der Tablette zu tun hatte.
Ich schlich näher an das Wesen heran, welches mit dem Rücken zu mir über den Mülleimern am Ende der Gasse schwebte.
Wenn das eine Fee war, dachte ich, dann eine ziemlich große. Sie war vielleicht einen Kopf kleiner als ich.
Das Geräusch schien von ihren riesigen Flügeln zu kommen. Unmöglich zu sagen, wie viele es waren, denn sie flatterten unermüdlich mit einer Geschwindigkeit, auf die ein Kolibri eifersüchtig hätte sein können. Ihre Haut hatte den tiefsten und klarsten Blauton. Und soweit ich das durch die rasenden Flügel erkennen konnte, die über sie hinaus ragten, trug sie ihre violetten Haare in einem unordentlichen Dutt.
Super, oder?
Eine große, blau-violette.. hässliche Fee!
Mit einem Mal drehte sie sich zu mir um, und ich zuckte zusammen. Sie hatte Augen, wie die von Insekten, mit Abertausenden von Facetten. Sie schimmerten schwarz. Ihre Hände hielt sie vor der Brust verschränkt, weshalb ich sie vorher nicht gesehen hatte. Doch auch diese waren trotz ihrer eleganten Form kein schöner Anblick. Ich glaubte es sei Blut, was sich später leider bestätigen würde. Das intensive dunkelrot stach schrecklich auf ihrer blauen Haut heraus.
Ihre Nase und Mund waren so schon ein seltsames Gebilde, doch dann lächelte sie auf mich herab und alles schien sich zu einer Grimasse zu verziehen. Das Lächeln war irgendwie mitleidig und dann ein hämisches Grinsen. Sie schien sich gerade abwenden zu wollen, doch dann zuckte sie und starrte mich an.
„Ka-kannst du mich.. sehen?"
Ich war zu fertig um eine ordentliche Antwort rauszubringen aber schließlich schaffte ich es zu nicken.
Sie hielt sich kurz die rechte Hand vor den seltsamen Mund, als wollte sie ‚Oh Gott, Nein!' sagen aber dann war da wieder dieses Grinsen.
„Bist du-bist du echt?" Ja, blöde Frage, ich weiß. Aber was hättet ihr denn getan?
Das Geschöpf lachte. Schlimm, also im Ernst. Das wollt ihr nicht hören, nein.
„Natürlich bin ich echt! So wie du, wenn nicht echter. Du bist ja vergänglich. Ach, ihr Vergänglichen seit schon lustig. Nur wenige können mich sehen, weißt du? Mir sind erst zwei begegnet, du bist die Dritte"
„Was? Wann begegnet- warte wie..", stotterte ich. Sie grinste weiterhin belustigt.
„Wann? Ihr seit ja so einfältig! Weißt du denn garnicht wer ich bin?"
Hätte ich sie kennen sollen? Hätte ich wissen sollen wer blaue, hässliche Feen sind?
Ich schüttelte den Kopf.
„Ach Kindchen! Ich, ich bin die Unendlichkeit!"

Falls sie Feuerwerk für diesen tollen Auftritt geplant hatte, ging das jedenfalls nicht los. Sie schien sich trotzdem eine überraschte Reaktion zu erwarten. Da war sie bei mir und meinem verständnislosen Gesichtsausdruck leider falsch.
„Schon klar, du kannst gerade nicht so ganz damit umgehen, wen du hier vor dir hast. War ja zu erwarten, von einer kleinen Vergänglichen"
„Einer kleinen was? Tut mir leid, aber ich versteh gerade kein Wort von dem, was du da redest.." Ich glaube das kränkte sie etwas.
„Jetzt hör mir mal gut zu, du Vergängliche, Sterbliche, Endliche, wie immer du es bezeichnen möchtest. So werdet ihr genannt, weil ihr einen Tod habt, ein Ende, ein Ablaufdatum. Alles hat ein Ablaufdatum. Ihr versucht es vorzubeugen, heraus zu zögern, aber das geht nicht. Ihr werdet nicht für immer sein, nie unendlich sein. Eure Medizin entwickelt sich weiter, sogar eure Götter stellt ihr als ewig dar, weil ihr es gerne wärt. Aber ihr könnt nicht unendlich sein, und wenn ich nachhelfen muss, um euch daran zu hindern"
„Nachhelfen?" Das klang nicht gut.
„Ja, nachhelfen. Einmal war das bereits der Fall, ihr wart auf einem zu guten Weg. Ich wählte eine äußerst wirksame Methode. Ich habe Acht getötet"
Dabei betrachtete sie das Blut auf ihren Händen und ich dachte, ich müsste mich übergeben. Eine Mörderfee.
„Ich tötete Acht und ihr lebtet ohne Acht weiter, in dem Glauben es ginge. Aber das tut es nicht. Ihr achtet nicht mehr auf eure Umgebung, eure Umwelt, eure Mitmenschen, euren Planeten, die Hungernden, die Sterbenden, nicht einmal auf euch selbst. Und seht euch doch an, ihr kümmert dahin, in euren eigenen Teufelskreisen.
Ihr strebt die Ewigkeit an, aber ihr müsst erkennen, dass nichts ewig hält. Ihr müsst schätzen was ihr habt, denn es ist nicht ewig. Wenn ihr aufhört die Unendlichkeit zu wollen, und genießt, was ihr habt, dann werdet ihr hoffentlich erkennen, das ich nicht das Ziel bin. Ihr seit das Ziel"
Und dann flog sie weg, mit einem letzten „Lebe wohl, Vergängliche"

Offenbar war sie zu dem Schluss gekommen, dass das jetzt genug Lebensweisheiten für eine Nacht waren. Das war zu mindest meine Meinung.
Kopfschmerzen, Tabletten, blaue Mörderfeen, noch mehr Kopfschmerzen.. echt bisschen viel. Ich glaube ich such jetzt erstmal die richtige Straße mit meiner Wohnung und meinem Bett und mache mir dann morgen Gedanken über einen Besuch beim Psychologen.

Short Storys³Where stories live. Discover now