Story 3

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Es war bewölkt. Kein Sonnenstrahl drang durch die Wolkendecke. Aber es regnete auch nicht. Das perfekte Wetter zum trainieren. Doch ich freute mich nicht so wie sonst. Ich warf meinen Kopf zurück, damit mir meine kurzen türkisgrünen Haare nicht ins Gesicht fielen. Das Turnier kam immer näher und ich machte mir immer weniger Hoffnungen. Ich durfte nur mitmachen, wenn ich mit meinem Asterin antreten konnte. Aber wir hatten uns noch nicht getroffen. Ich warf einen Blick nach hinten und betrachtete meinen schwarzen Pantherschwanz. Mein Asterin würde ein Panther sein. Ein Panther mit Flügeln. Flügel hatten sie alle, auch wenn manche die von Vögeln und manche die von Insekten oder ähnlichem hatten. Ein Asterin war für gewöhnlich ein Tier, welches normalerweise keine Flügel besaß. Sie sind sowas wie Seelenverwandte. Einmal im Leben entstehen sie dann vor deinen Augen und ihr beide seid wie eins.
Aber bis du ihm begegnest fühlt es sich so an, als würde ein Teil deines Selbst fehlen. Man könnte sagen im Gegenzug hast du auch etwas von ihm. Du mit einem Schweif geboren. An ihm kannst du erkennen, welche Gestalt dein Asterin haben wird. Meiner wird ein schwarzer Panther sein. Wenn wir uns finden. Aber bis dahin wird mir ein Teil fehlen. Und ohne ihn werde ich auch nicht am Spiel teilnehmen können.
„Hi Tyria!" Ich hob den Blick und sah Reever auf mich zu kommen. Ich war inzwischen am Trainingsgelände angekommen. „Wie immer?", fragte sie und ich nickte. Fürs Üben borgte ich immer einen der geflügelten Löwen aus. Die Löwen waren gewöhnliche Tierwesen wie die blauen gehörnten Kaninchen oder Pferde oder grüne Katzentiere. Reever kümmerte sich gern um die Löwen, die zum Training eingesetzt wurden. Vermutlich weil ihr Asterin ebenfalls ein geflügelter Löwe war. Sie trug ihre langen Haare, die in verschiedenen Blautönen schimmerten, in mehreren Zöpfen und hatte gelborangene Augen, die zum Fell ihres Asterin passten. Ich sah mich auf dem Feld um, während sie einen Löwen holte. „Na? Konkurrenz abchecken?", Blycan und Valviora landeten neben mir und wirbelten natürlich extra viel Sand auf, der den Boden der Arena deckte. Blycan thronte auf seinem geflügelten Wildschwein mit seinen blutroten Hauern, die perfekt zu seiner Haarfarbe passten. Valviora saß auf einem Löwen. Nur war er nicht ihrer, sondern ebenfalls geliehen. Ihrem Schwanz nach zu schleißen würde ihr Asterin wohl ein Affe oder etwas Ähnliches sein. Sie hatte eine gelbblonde Lockenmähne und hellbraune Augen. Sie hätte ziemlich nett aussehen können, wenn da nicht dieses diebische Grinsen in ihrem Gesicht wäre. „Warum die beiden auch immer so tun, als wären sie auf der gleichen Seite... am Ende ist eh jeder gegen jeden", murmelte Reever, die mittlerweile neben mir stand, einen Löwen am Strick. Blycan und Valviora waren schon wieder davongeflogen und drehten über dem Feld Kreise. „Vielen Dank", sagte ich zu Reever, setzte mich auf den Rücken des Löwen zwischen seine Adlerflügel und wir stiegen in die Luft. Es tat gut zu fliegen. Und doch spürte ich stärker als sonst, das in mir etwas fehlte.
Auch Reever drehte nun einige Runden. Sie gab mir im vorbeifliegen ein Handzeichen und ich winkte zurück. Sofort machte sie eine scharfe Wende und kam mit rasendem Tempo direkt auf mich zu. Ich drehte gerade noch rechtzeitig ab. Normalerweise war ich echt gut aber in letzter Zeit fehlte es mir etwas an Konzentration. Vermutlich hätte Reever mich beim nächsten Versuch zum fallen gebracht, doch sie legte eine Vollbremsung ein. „Schau mal, da kommt Alliara", sie deutete zum Eingang und tatsächlich. Wir gingen zu Landung über und kamen neben ihr auf dem Boden auf. „Hi" Alliara stand neben ihrem schwarzen Ross mit dunklen Schmetterlingsflügeln, die oben spitz zuliefen und lächelte. Sie war sehr freundlich und hatte dunkle Augen. Ihre langen, feuerroten Haare, die an den Spitzen in ein warmes Orange übergingen, waren zu einem unordentlichen Zopf geflochten. „Lyrian kommt auch gleich", teilte sie uns mit und wir fingen an zu trainieren. Viele von uns wollte das Spiel in zwei Tagen um jeden Preis gewinnen. Es ging schließlich um die Rolle des Anführers, der den nächsten großen Flug leiten würde. Wir reisen. Wir bleiben nicht lange am selben Ort. Wir landeten, bauten auf was wir zum Leben brauchten, die, die alt genug waren, trainierten und nach dem nächsten entscheidenden Spiel wurde das Dorf abgebaut und es ging mit einem neuen Anführer weiter. Man durfte nur einmal an einem Spiel Teilnehmen. Diese Regel sorgte dafür, dass immer nur gleichaltrige gegen dich antreten können. Aber sie gibt noch etwas vor: du hast nur eine Chance. Natürlich ist es nicht jedermanns großer Traum, einen großen Flug anzuführen. Du musst an dem Spiel teilnehmen aber du kannst am Boden bleiben. Wer am Boden ist, ist raus. Und das ist auch das Ziel; die anderen aus der Luft zu holen. Klingt jetzt vermutlich brutaler als es eigentlich ist. Man darf nämlich keinerlei Waffen einsetzen. Auch die Krallen oder Zähne deines Asterin sind verboten. Du darfst die anderen anrempeln oder auf sie zufliegen bis sie selbst ausweichen, die Taktik bleibt dir überlassen. Du entscheidest auch wie du übst und wie du am besten landest, falls dich jemand runterholt. Sowas wie einen Lehrer haben wir nicht. Es ist ja nicht unbedingt verpflichtend richtig teilzunehmen.
Nach dem Flug sind sowieso alle wieder Arbeiter, Handwerker und Jäger aber du hast dann einen gewissen Respekt. Ich weiß nicht ob ich das Zeug dazu habe zu gewinnen, aber ich werde bestimmt nicht am Boden bleiben. Hoffentlich werde ich schon diesmal teilnehmen können. Ob ich meinem Asterin noch rechtzeitig finden werde? „Achtung!" Jemand krachte seitlich in mich hinein und ich glitt vom Rücken des Löwen. Ich wäre gefallen, wenn Alliara mich nicht abgefangen hätte. Ich landete hinter ihr auf ihrem Pferd und sah Lyrian wenden. Ich hatte nicht mitbekommen, dass sie inzwischen gekommen war. Ihre kurzen, violettgrauen Haare wehten im Wind und ihre grauen Augen hatten mich noch immer im Visier. Sie grinste auf ihrem geborgten Löwen. Vermutlich war sie stolz, mich geschlagen zu haben. Lyrian war nie die Allerbeste gewesen aber sie war ungeheuer zielstrebig. Sie wollte gewinnen. Das war nicht zu übersehen, denn jeder wusste, dass sie nicht nur in der Arena trainierte, sondern auch alleine hinter dem Zelt ihrer Familie. So hart habe ich noch nie jemanden für ein entscheidendes Spiel üben sehen. Ob dahinter wohl noch mehr steckte als Ehrgeiz? Vielleicht wollten ihre Eltern ja, dass sie gewann. Alliara setzte mich am Boden ab. Sie wusste sehr wohl, dass es nicht nötig gewesen wäre, mich aufzufangen aber so war sie nun mal. Vielleicht hätte sie sogar Blycan aufgefangen. Alliara ging nicht oft zum Angriff über aber wenn sie dich einmal vom Himmel holen wollte, dann hattest du keine großen Chancen. Sie selbst war auf ihrem Ross nur schwer abzuwerfen und dank den gewaltigen Schwingen war sie trotz der Größe sehr schnell. Wenn Lyrian sie schlagen wollte, müsste sie schneller sein. Und ihren Asterin noch vor dem Spiel finden. Sonst würde sie, genau so wie ich, von den Tribünen zusehen müssen. Während ich wieder auf den Löwen stieg, der inzwischen neben mir gelandet war, beobachtete ich, wie Reever mit einer eleganten Drehung einer Attacke von Valviora entging. Diese flog darauf hin gegen Blycan und beide landeten in Sand. Ich ließ sie streitend hinter mir und schoss wieder gegen Himmel, wo ich Semala, einem Mädchen mit langen schwarzen Haaren auf einem Zebra mit angepassten Marienkäferflügeln, auswich. Reever lächelte noch immer. Ich wusste, dass sie nicht vor hatte den Flug zu leiten aber sie wäre bestimmt eine gute Anführerin. Aber sie würde lieber das Löwenrudel anführen. Keiron jagte vorbei aber ich drehte gerade noch ab. Er saß auf einem Pony-großen Fuchs, dessen rotbraunes Fell zur Haarfarbe seines Reiters passte. In seinen braunen Augen spiegelte sich leichte Enttäuschung, als er mich verfehlte und er beschloss offenbar sich ein anderes Ziel zu suchen, denn nun flog er in Jaroras Richtung. Sie war nicht so schnell, da ihr die langen, offenen, jadefarbenen Haare ins Gesicht fielen und sie wurde von ihrer Rieseneidechse gefegt, die mit den Fledermausflügeln wie ein Drache wirkte.
Langsam wurde es noch dunkler und wir landeten einer nach dem anderen um ins Dorf zurück zu gehen. Ich verlor mit meinem Löwen an Höhe und sprang zwei Meter über dem Boden ab. Ich rollte ab und legte dem Tier den Strick an. „Bis Morgen!", verabschiedete ich mich von den Anderen und gab Reever den Strick, damit sie den geflügelten Löwen zurück ins Gehege bringen konnte. Als ich die Arena verlies konnte ich am Ausgang eine Schar von Älteren sehen, deren Spiel vielleicht ein oder zwei Flüge zurück lag. Sie sahen uns manchmal beim Trainieren zu. Die meisten lachten uns dann aus und meinten sie wären doch so viel besser aber manche gaben uns Tipps oder versuchten uns zu helfen.
Zu meiner Überraschung entdeckte ich unter ihnen auch den Gewinner des letzen Spiels. Avory stand etwas abseits mit seiner großen Hyäne die gewaltige Eulenflügel besaß. Er schien auf jemanden zu warten aber niemand blieb bei ihm stehen. Direkt hinter mir kam Lyrian und er warf ihr einen Blick zu... irgendetwas zwischen Ermutigung, Trauer und Hoffnung oder so, aber da auch sie weiterging ohne ihn anzusehen musste ich mich wohl getäuscht haben. Vielleicht hatte er nur gehofft, jemand würde ihn um Rat fragen. Das wäre keine schlechte Idee gewesen aber ich fühlte mich niedergeschlagen. Ich hatte nur noch Morgen. Dann würde das Spiel stattfinden. „Schönen Abend noch!", sagte Alliara im vorbei reiten und winkte mir ermunternd zu. Ich hob nur kurz die Hand.
Und dann bog ich links in den Wald ein. Keine Ahnung wieso. Vermutlich brauchte ich noch etwas Zeit für mich, bevor ich in unser Zelt zurückkehrte. Ich ging einfach weiter ohne ein Ziel zu haben, doch schon bald wurde mir klar, warum ich hier war. Mein Herz fing an zu rasen und auch mein Pantherschwanz bewegte sich unruhig. Irgendwo hier musste es sein... ich verlangsamte meine Schritte, als ich an den See kam. Gleich hier...ganz nah... Und dann geschah es. Auf der spiegelglatten Oberfläche des Sees kräuselten sich jetzt kleine Wellen. Auch ein leichter Windhauch wehte über das Wasser hinweg. Dann stieß ein ganz sanfter, dunkler Lichtblitz auf die Oberfläche und aus dem See schritt ein wunderschönes Wesen. Nein, es schwebte beinahe. Die türkisgrün glänzenden Augen des Panthers ließen die meinen nicht los. Sein Fell war schwarz wie die Nacht aber es zierte ein violetter Schimmer. Seine Flügel waren gewaltige dunkel lilane Schmetterlingsschwingen, die, wie bei Alliaras Ross, oben spitz zusammenliefen. Es war das wunderschönste Tier, das ich je zu Gesicht bekommen hatte. Er kam auf mich zu und ich sank auf die Knie. Nun waren wir auf Augenhöhe. Langsam stupste ich seine Schnauze mit meiner Nase an. Wir hatten uns gefunden. Wir waren beide ganz.
Als er anfing zu schnurren wie ein Kätzchen schlang ich meine Arme um seinen Hals. Mein fehlender Teil war endlich gefunden. Wann standen meine Chancen das Spiel zu gewinnen je besser? „Na komm", flüsterte ich und ging rechts um meinen Asterin herum, um mich auf seinen Rücken zu setzten. „Los" Und wir stiegen zwischen den Bäumen in die Luft und fliegen machte so viel Spaß wie noch nie.
An diesem Abend kam ich erst spät nach Hause aber sogar meine kleine Schwester Liolyn war wach geblieben um mich auf meinem Asterin kommen zu sehen. Sie kreischte glücklich und kurz darauf waren auch meine Eltern am Zelteingang. „Tyria, viel Glück bei deinem Spiel"

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