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"Lukas, ich hab Angst."
"Nimm einfach meine Hand, Maja."
Maja sah Lukas skeptisch an. Sie warst erst fünfzehn und noch nicht sehr oft geflogen, schon gar nicht ohne Erlaubnis ihrer Eltern.
"Versprich mir einfach, dass alles gut geht" ,sagte sie und strich sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr.
Lukas war ebenfalls nervös. Spontane Sachen lagen ihm normalerweise gar nicht. Alles an seinem Leben war geplant, so wie sein Theologiestudium, welches er schon mit vierzehn hatte machen wollen. Lukas bekam einen Kloß im Hals, wenn er an seinen Priesterkittel im Schrank dachte. Ihn hatte er nicht mitnehmen können, die Bibel zum Glück schon.
Sie steckte sicher in seinem Rucksack, sobald Lukas im Flugzeug war, wollte er wieder aus ihr lesen. Es beruhigte ihn.
"Komm, wir gehen einchecken" ,sagte er zu Maja.
"Das kann ich nicht mit aufs Flugzeug nehmen, oder?" Sie zog das zerknitterte Päkchen mit Rosensamen aus ihrer Westentasche.
"Ich befürchte nicht."
Traurig schaute sie das Säckchen an. "Ich vermisse sie jetzt schon."
"Wir werden an sie denken. Und jetzt komm, wir sollten uns beeilen."

"Ihren Pass und das Ticket, bitte."
Lukas zeigte seinen Pass und sein Boarding Ticket der Dame und ging hastig den Gang zum Flugzeug hinunter. Maja folgte ihm, während sie versuchte ihren Pass wieder zu verstauen.
"Jetzt gehts los" ,sagte sie aufgeregt. "Wie es dort wohl sein wird? Ich hab gelesen, dass dort überall Palmen mit Kokosnüssen wachsen."
"Dann brauchst du auch den Rosen nicht nachtrauern."
Maja stoppte und sah ihn gequält an. "Bitte erwähn sie nicht mehr. Es tut zu sehr weh."
"Natürlich nicht." Lukas lächelte sie an. "Ab sofort reden wir nur noch über die Zukunft."

Lukas entspannte sich ein wenig, als das Flugzeug endlich abhob. Die kurze Schwerelosigkeit stimmte ihn enthusiastisch, doch mit dem kurzen Hochgefühl kam auch wieder die Trauer. Sie hatten zu viel zurücklassen müssen.

"Entschuldigen Sie, aber Sie müssen den Tisch jetzt hochklappen." Lukas schaute erschrocken von der Bibel hoch. Eine Stewardess lächelte ihn an und deutete auf seinen Tisch.
"Sind wir schon im Landeanflug?" ,fragte er. Die Stewardess schüttelte den Kopf. "Nein, wir nähern uns einigen Turbulenzen. Klappen Sie also bitte Ihren Tisch hoch und schnallen Sie sich an."
Lukas gehorchte und Maja neben ihm legte ebenfalls den Sitzgurt um.
"Ich kann schon das Meer sehen" ,verkündete sie.
In dem Moment ruckelte das Flugzeug und sackte ein wenig ab.
"Guter Gott, erhöre meine Worte und hilf uns durch dieses Unwetter. Deine Wege sind unergründlich, führen uns aber immer zu dir. Du wirst uns helfen." Lukas legte seine Hand auf die Bibel.
"Amen" ,beendete Maja das Gebet. "Du wirst uns helfen."
Das Flugzeug schien für einen Moment auszusetzen.
Sauerstoffmasken fielen von der Decke.
Maja wurde blass.
"Lukas, ich hab Angst."
"Nimm einfach meine Hand, Maja."

"Mama, wer ist das?" Janna saß auf der Bank des Kachelofens und sah sich das Fotoalbum durch. Ihre Katze Minka lag schnurrend neben ihr und lies sich kraulen.
"Wer denn, mein Schatz?" Jannas Mutter kam aus der Küche und sah sich das Foto an, auf das ihre Tochter deutete.
Eine blondes Mädchen und ein dunkelhaariger Junge standen auf einer Wiese und winkten fröhlich in die Kamera.
"Oh, das sind Maja und Lukas."
"Wer sind sie? Und was machen sie in unserem Fotoalbum?"
"Das ist eine andere Geschichte, Janna. Ich erzähle sie ein anderes Mal."

Short Storys³Where stories live. Discover now