Kapitel 20 - Clace und Clalec

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Clary

Sie hatten es beinahe geschafft. Simon und Izzy hatten meine Mauern beinahe zum einreißen gebracht. Aber ich kämpfte dagegen an.

Wenn sie jetzt aufgeben, haben wir gewonnen., hörte ich die mir vertraute Stimme meiner Mutter sagen. Ich wusste, dass sie nicht wirklich hier war. Ich wusste auch, dass ich mir ihre Stimme bloß einbildete. Sie war nicht real. Genauso wenig wie ihre Liebe zu mir. Sie war wie Valentine. Aber ich musste diesen Gedanken verdrängen. Ich hatte keine Gefühle. Ich durfte keine Gefühle haben. Dafür hatte sie schließlich gesorgt.

Mein siegessicherer Moment verschwand, als ich durch die Glasscheibe der Zelle sah, dass Jace und Alec auf mich zukamen. Mir war klar, was mich erwartet, wenn die beiden den Raum betreten. Aber ich hätte mit allem gerechnet, nur nicht damit.

Sie setzen sich nicht weit entfernt von mir hin und schauten mich an. Sie sahen müde aus. Dunkle, fast schwarze, Augenringe zeichneten sich unter ihren Augenrändern. Sie sahen beinahe bemitleidenswert aus, aber deren Zustand war für mich vorteilhaft. Erreichen würden sie nicht viel, anscheinend waren sie kurz vorm Zusammenbruch.

„Ich denke du weißt mittlerweile, wie die Prozedur abläuft. Also lass' uns das schnell hinter uns bringen, um die alte Clary zurückzuholen.", sagte Jace und ging sich mit der Hand durchs Gesicht. Man konnte ihm sofort ansehen, dass er vollkommen gereizt und angespannt war.

Ich schaute ihn bloß erwartungsvoll an. Ich wusste doch sowieso, was jetzt folgt. Ich würde das durchstehen. Die anderen waren auch schon gescheitert. Mir war es egal, wer vor mir stand. Ich fühlte nichts und so sollte es auch sein. Sobald sich die Möglichkeit bat, würde ich von hier verschwinden. Dann würden wir gemeinsam den Plan meiner Mutter durchführen. Sie und ich gemeinsam.

*

Bilder schossen durch meinen Kopf, als Jace begann, sein Experiment mit mir durchzuführen. Er erzählte vom ersten Treffen, wie ich das erste mal einen Dämon gesehen habe und, wie er mich ins Institut gebracht hatte. Diese Erinnerungen waren harmlos, denn das Einzige, was ich dort fühlte war Angst. Und Angst war kein Gefühl, dass ich Jace gegenüber hatte. Ich konnte es also unterdrücken, den Gefühlen in mir vollkommen freien Lauf zu lassen.

„Denk an die Gefühle, als du dich für das Institut entschieden hast, anstatt mit Simon mitzugehen.", sagte er leise mit seiner beruhigenden Stimme. Diese Stimme hatte er immer, wenn wir in solchen Situationen waren.

Und als er mir den Moment vor dem Institut nannte, erinnerte ich mich an seine Stimme. Wie er mich bat, mit ihm zu kommen. Er wusste, ich hatte Angst. Und er wusste, dass er mir diese Angst nehmen könnte. Ich vertraute ihm, weil diese beruhigende Stimme und seine Art mir ein sicheres Gefühl gaben.

Aber ich durfte deshalb nicht zulassen, dass der Plan meiner Mutter scheitert. Sie würde mir meine Gefühle wiedergeben, wenn alles erledigt ist. Dabei war ich mir sicher, denn danach würde es sowieso keine Rolle mehr spielen, was ich für meine „Freunde" empfand.
Sie würden diesen Kampf nicht überleben.

Ich konnte das mulmige Gefühl an die Erinnerung erneut unterdrücken und wartete bereits darauf, dass er mit der nächsten Geschichte oder mit dem nächsten Moment ankommt. Doch er hatte anscheinend eine andere Idee bekommen. Anhand seines Gesichtsausdruckes konnte ich bereits erkennen, dass er diese Idee auch umsetzen wird.

Er schaute mich an, als hätte er mich soeben durchschaut und als wüsste er genau, was ich gerade denke. Bei seinem nachdenklichen und doch so sicheren Blick, verlor ich plötzlich die Hoffnung, das Ganze durchzustehen. Ich fühlte mich schwach unter seinem Blick. Zumindest solange, bis ich merkte, dass er genau das damit erreichen wollte. Ich setzte mich wieder aufrecht hin und schaute ihn so Emotionslos an, wie ich es schaffte.

Er schaute kurz zu Boden und dann wieder leicht lächelnd hoch in meine Augen. Er begann wieder zu reden, aber nicht mehr so wie vorher. Es war kein Moment zwischen uns, an den ich mich erinnern sollte. Eher war es, was er fühlte.

„Clary...", sagte er leise und bereits bei der Art, wie er meinen Namen sagte, musste ich es alles unterdrücken. Die Gefühle drohten hochzukommen. „...ich weiß noch wie du hier warst und absolut ahnungslos warst, wer du überhaupt bist. Du wusstest nichts über diese Welt und ich machte es mir zur Aufgabe, dir alles zu zeigen. Du hattest diese tollpatschige Art, die uns so oft Probleme bereitet hat. Aber du warst interessant. Schlau. Du hast nie aufgegeben." Er atmete nach diesen Worten tief ein und aus, bevor er fortfuhr.

„Ich weiß noch, als du in den Tunneln warst und ich nicht wusste, ob es dir gut geht. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Und dann standest du vor mir und hast mich einfach geküsst. Ich selber wäre nie auf die Idee gekommen das zu tun, aber dieses Gefühl, was du mir gegeben hast, sagte mir, dass es das Richtige ist. Ich wusste, das du was besonderes bist."

Und ich erinnerte mich. Wie ich erleichtert war, ihn wiederzusehen. Voller Euphorie meine Mutter zu finden, weil wir den Kelch hatten. Also habe ich die Chance einfach ergriffen. Denn ich hatte Gefühle für ihn, über die ich mir vorher nicht klar war. Aber in dem Moment, als ich vor ihm stand, habe ich es realisiert.

Immer mehr solcher Gefühle prasselten auf mich ein. Immer mehr Erinnerung und deren Bedeutung für mich. Ich hatte so viele Bilder vor Augen. Jedes einzelne von ihnen spielte sich genau so ab, wie es passierte, mit all meinen Gefühlen. Alles was ich empfand, kam während dieser Momente in mir hoch.

Daran, dass sie mich wahrscheinlich gebrochen hatten, dachte ich gar nicht mehr. Meine Gedanken waren voll mit Momenten, die damals mein Leben ausmachten.

Jace, wie er mir so viele Dinge beigebracht hatte. Wie er immer zu mir gehalten hat, selbst wenn alle anderen gegen meine Ideen waren, weil sie absurd und undurchdacht waren. wie er zu meiner ersten großen Liebe wurde. Was wir alles durchmachen mussten, um endlich glücklich zu sein. Und wie wir uns dann letzendlich wieder getrennt hatten.

Izzy, die von Anfang an eine gute Freundin und wie eine Schwester für mich war. Sie hatte mich gerne im Institut und war begeistert, mich aufzunehmen. Wie auch sie zu mir gehalten hat, wenn ihr Bruder es nicht tat.

Und Alec, der mich von Anfang an nicht hier haben wollte. Er hatte mich bloß für einen Mundie oder Valentines böse Tochter gehalten. Und auch wenn ich jedes Mal versuchte das Gegenteil zu beweisen, war er mir gegenüber misstrauisch. Wie sich zwischen uns immer Streit anbahnte, weil wir nicht der gleichen Meinung waren, weil wir komplett verschiedene Ansichten über die Regeln hatten. Wie zwischen ihm und Magnus genauso wie bei Jace und mir alles endete. Und wie wir beide letztendlich zueinander gefunden hatten.

Und es war wieder da. Ich wusste es wieder.

Ich wusste, dass ich sie alle liebe.

*

Schicksal? -Clalec ✔️Where stories live. Discover now