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Stegi

Nach diesem Tag wurde Tims und meine Beziehung zueinander deutlich besser. Zum ersten Mal nahmen wir die Körperwechsel nicht mehr als Nachteil und potentielles Fiasko in Kauf, sondern freuten uns beinahe schon, alle zwei Tage wieder bei unseren neuen Freunden und Bekanntschaften zu sein und dem anderen bei seinen täglichen kleinen Problemchen zu helfen. Unsere Kommunikation klappte auch immer häufiger und das, obwohl unsere Handys immer noch nicht richtig funktionierten. Ich versuchte es mindestens alle zwei Tage einmal und bekam stets die selben Fehlermeldungen: "Die angerufene Nummer ist nicht vergeben", wenn ich versuchte, Tims Handy anzurufen, und "Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar", sobald ich mein eigenes anrief. Tim hatte dafür auch keine Erklärung, als ich ihn fragte. Angeblich war es bei ihm ähnlich. Seltsam, aber unsere Körperwechsel waren mindestens genauso seltsam und unerklärlich, also nahm ich es als Teil des Zaubers hin. Es sollte halt nicht sein, obwohl ich mich echt gerne mal mit meinem Kumpel unterhalten hätte, jetzt wo er sich besonnen hatte und ich nicht länger verklemmt und schüchtern war.

Im Laufe der nächsten Wochen gab es einen kleinen Knick abwärts in meinen Noten. Einerseits, weil Tim einen Teil meiner Arbeiten für mich schrieb, andererseits weil ich mich wirklich anstrengte, nicht mehr als zweimal pro Woche so krampfhaft zu lernen wie früher. Es klappte tatsächlich besser als angenommen und meine Leistungen blieben trotzdem noch gut genug für ein Medizinstudium! Denn Tim war gar nicht so dumm, wie ich zuerst geglaubt hatte, er war bisher nur zu faul und desinteressiert gewesen, um sich wirklich mit dem Schulstoff auseinander zu setzen. Aber langsam wurden aus seinen Sechsen Vieren, dann Dreien und schließlich sogar eine glatte Zwei, die seinen eigenen Notenspiegel zusammen mit meinen Leistungen enorm anhob. Jetzt hatte auch er vernünftige Chancen darauf, das Abi zu bestehen!

Auf Tims Wunsch hin besuchte ich mit meinem Dad das Basketballspiel und bereute es in keinster Weise. Ich begann zu verstehen, wieso er diesen Sport so toll fand. Es war so ganz anders als die Spiele, die man im Fernsehen sah, hier war man hautnah dabei gewesen und hatte migefiebert, mitgejubelt und mitgefeiert, als die Karlsruher Mannschaft die Gäste platt walzte. Man hatte das Gefühl, dazuzugehören zu dieser Masse an fröhlichen Menschen, obwohl man niemanden von ihnen direkt kannte! Im Schulsport war es manchmal bloß reine Rivalität und ständiges Foulen und das verdarb einem das gesamte Spiel, dessen Regeln ich bisher nicht einmal wirklich gekannt hatte. Jetzt machte alles so viel mehr Sinn! Vielleicht würde ich ja jetzt auch besser darin werden, nachdem der letzte Freitag für mich so ein Reinfall gewesen war.

Tim schien sich auch immer besser mit Tobi zu verstehen und brachte ihm wann immer möglich Tricks für den Sportunterricht bei. Er hatte mich längst überholt mit seinen Leistungen und war immerzu so begeistert und glücklich, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen hatte.

Zwei Wochen später hatten sie auch in gemeinsamer Arbeit die Suzuki wieder auf Hochtouren gebracht und Tim war angeblich sogar eine Runde mit ihr gedreht, ganz zum Stolz von meinem Vater. Ich traute mich nicht, weil ich noch nie mit so einem Ding gefahren war, nicht einmal einem Moped, aber solange mein Kumpel Spaß daran hatte, war das okay für mich. Eines Tages vielleicht mal.

Zusammen schafften wir es außerdem noch, Tims Freunde Clemmi und Paul dazu zu bringen, nicht mehr länger die Schule zu schwänzen oder jüngere Schüler zu ärgern, wie sie es ihrem Vorbild zuvor nachgeeifert hatten. Eigentlich waren die beiden auch ganz okay, nur Clemmi hatte eine furchtbar große Klappe, die man ihm scheinbar nicht nehmen konnte, und ich lernte, mit ihnen zu reden, ohne wieder in meine Schockstarre zu verfallen wie damals noch am ersten Tag als Tim. Zwei Fliegen mit einer Klappe also!

Beinahe zwei Monate vergingen so harmonisch, das Abitur rückte für uns beide näher und wir hatten uns so sehr an die Körperwechsel gewöhnt, dass wir uns keine großartigen Gedanken mehr darum machten, was möglicherweise an diesen Tagen schief gehen konnte. Das wichtigste schrieben wir uns ja hin und her und alles klappte so nahtlos und frei von größeren Fettnäpfchen! Es schien perfekt - und dann passierte etwas, das alles, wirklich alles veränderte und Chaos zurück in unsere Leben brachte, schlimmer als wir es uns je hätten ausmalen können...!

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Weiß schon jemand von euch, ob er/sie die Leipziger Buchmesse besuchen wird? Ich hab jedenfalls vor, am Samstag dort mit ein paar Freundinnen die Hallen unsicher zu machen! Wie immer gilt, wer mich erkennt darf mich gerne anquatschen :)

The Story We Share (#Stexpert)Where stories live. Discover now