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Stegi

Mein Wunsch wurde erhört. Als ich die Augen wieder aufschlug und mich umsah, war ich Millisekunden später auch schon hellwach. Das-, d-das war mein Zimmer! Mein echtes Zimmer! Und mein Bett, mein Schreibtisch in der Ecke und meine Bücher, ich war zurück in meinem Körper! Ich war wieder Stegi!

Hastig hielt ich die Luft an, krallte meine Finger in die Bettdecke und begann dann, so leise wie möglich meine Freude auszulassen, indem ich mit den Füßen in die Luft strampelte. Aber das verbrauchte nicht ansatzweise die ganze Energie in mir. Also sprang ich auf und hüpfte in Kreisen durch den mir so vertrauten Raum. Am liebsten hätte ich dazu noch gejubelt. Hätte ich gewusst, wie albern ich dabei von außen aussah, dann hätte ich vielleicht doch erleichtert gelacht oder mich anders ausgelassen. So musste es wirken, als wäre ich vollkommen übergeschnappt. Und dummerweise öffnete mein Dad genau in diesem Moment die Zimmertür.
"Magst du denn gar nicht aufstehen, Stegi? Wir hatten- Ähm... Alles okay?"

Ich hielt inne und die angestaute Wiedersehensfreude brach versehentlich aus mir heraus. "Dad! Oh Gott sei Dank!", rief ich glücklich, rannte auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch, obwohl ich das seit so langer Zeit schon nicht mehr getan hatte. Nicht, weil wir uns nicht miteinander verstanden, sondern weil er nicht der Typ Mensch gewesen war, der gerne kuschelte oder körperliche Nähe mochte. Und das war normalerweise total okay für mich, aber jetzt gerade ging es einfach mit mir durch und ich brach das unausgesprochene Tabu ohne weiter nachzudenken. Mein Vater erstarrte und mir wurde endlich bewusst, wie seltsam ich mich in seinen Augen verhalten musste. "Tschuldigung, ich... Ich war nur-", hastig ließ ich los, aber das Lächeln wurde ich trotzdem nicht los. "Ich weiß jetzt wieder, wie viel Glück ich habe, ich zu sein und kein anderer!"

"D-das ist gut...", murmelte er mit leiser, rauer Stimme und tätschelte mir kurz unbeholfen den Kopf, "Erinnerst du dich auch wieder an alles? Gestern hast du mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt!"

Seine Worte trafen mich wie eine Ohrfeige und ich zuckte heftig zusammen. W-was? Gestern war doch alles normal gewesen! Also, zumindest das Gestern als Stegi, für mich lag ja gefühlt ein weiterer Tag als Tim dazwischen, der wirklich das totale Chaos gewesen war. Aber wie wusste mein Dad davon?! War ich während der ganzen Zeit geschlafwandelt und hatte meine Gedanken laut ausgesprochen, dass ich keine Ahnung davon hatte, was um mich herum passierte? Nein, das war es bestimmt nicht, er hätte ja wohl bemerkt, ob ich wach gewesen war oder im Schlaf Unsinn vor mich her redete! Aber was meinte er dann?

"Du erinnerst dich immer noch nicht? Vielleicht sollten wir dann doch besser zu einem Arzt gehen. Mit sowas ist nicht zu scherzen...", fuhr Dad einfach fort, als ich ihn nur weiter erschrocken ansah. Ich schüttelte schnell den Kopf. "Nein, ist schon okay! Ich erinnere mich an alles. Was soll ich denn vergessen haben?"

Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Fast, als ahnte ich die Antwort schon. Mein Vater seufzte und legte behutsam seine Hände auf meine Schultern. "Einfach alles. Du warst gestern wie ausgewechselt! Hast dich frühs geweigert, in die Schule zu gehen, du hast mich nicht mehr erkannt oder meinen Namen gewusst und mehrmals nach einem Max gefragt. Sag bloß das weißt du auch schon nicht mehr?"

Ich begann zu frieren. Aus irgendeinem Grund hatte ich es bisher nicht in Betracht gezogen, aber jetzt war es eindeutig, dass es so stimmen musste! Dieser Tim, in dessen Rolle ich mich geträumt hatte, er war wie ich ein wirklich existierender Junge in meiner Altersstufe! Und-, und während ich seinen Part übernommen hatte, war er offenbar in meinen Körper geschlüpft! Es war Realität, was da passiert war! Gestern war ich Tim und er an meiner Stelle Stegi gewesen!! Da war ich mir mit einem Schlag totsicher! Und wenn er nach seinem Bruder Max gefragt hatte, war er vermutlich genauso verwirrt von dem Tausch wie ich gewesen.

"Stegi? Hey!"

Jemand schnippte ein paar Mal vor meinen Augen und riss mich aus meinen Gedanken heraus. Mein Vater sah immer besorgter aus: "Ist wirklich alles in Ordnung? Du kannst mir immer erzählen, wenn dich etwas bedrückt!"

"Äh, sch-schon gut. Es wird schon nichts schlimmes sein", versuchte ich sowohl ihn, als auch mich selbst im selben Atemzug zu beruhigen. Die Wahrheit war aber, dass ich dringend Zeit für mich allein brauchte um Nachzudenken und herauszufinden, was seit gestern anders war. Denn wenn mein Vater sich an Tim erinnerte, dann waren die Chancen groß, dass wir im Leben des jeweils anderen mit unseren Aktionen wirklich etwas veränderten. Zum Guten, wie auch zum Schlechten! Und nachdem, was ich bisher von Tims Persönlichkeit erspäht hatte, verhieß das absolut nichts gutes!

Wie ich es vermutet hatte, waren Unterschiede in meinem Zimmer zu bemerken. Er hatte meinen Wecker dauerhaft ausgestellt und die Ordnung in meinem Kleiderschrank durcheinander gebracht. Vielleicht hatte er wie ich schon nach etwas gesucht, das eher seinen Vorlieben entsprach. Mit Pullovern war er da allerdings an der falschen Adresse, ich besaß keinen einzigen. Er musste sich für ein Tshirt entschieden haben, wie ich aus dem Klamottenberg vor meinem Bett schloss. Er war sogar zu faul gewesen, um Hose, Oberteil und das bisschen Unterwäsche zu nehmen und in den Korb neben der Waschmaschine zu werfen! Also war das jetzt scheinbar meine Aufgabe...

Seufzend erledigte ich das, zog mich an und machte mich für die Schule fertig. Um ehrlich zu sein, hatte ich Angst. Wer wusste schon, was Tim gestern in meinem Leben noch angerichtet hatte...?

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Hey Leute, ich habe jetzt genug vorgeschrieben, um es hier mit 1-2 Kapiteln pro Woche versuchen zu wollen! Es wird nicht sonderlich lang, vielleicht knapp mehr als 30 Kapitel, aber ich denke, dass es trotzdem angemessen und spannend genug ist :)

*Hust kleine Werbung hust* Ich habe die letzten Tage an etwas gearbeitet, das euch gefallen könnte ;) Die Bilder dazu gibts auf meinem Instagram!
Spoiler: #Stexpert

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