Epilog #44

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„Einschreibungen bitte hier. Name, Nummer und Studiengang eintragen. Hier ist auch noch Platz. Kommen sie doch hier rüber. "

Meine Tasche fest an mich gepresst, stehe ich in der Reihe. Hinter mir drängen Leute nach vorne, vor mir geht es im Schneckentempo voran. Endlich bin ich am Tisch angelangt. „Ich habe mich bereits angemeldet und muss nur noch die Bestätigung abholen." Erkläre ich dem Mann, welcher geschäftig etwas auf seinem Block kritzelt. „Name und Studiengang." „Alva Devyn, Wächterlehramt. Meine Kurse sollten ebenfalls schon eingetragen sein." Er blättert einige Seiten weiter, dann lächelt er. „Alva, hier sind Sie, willkommen."
Er sucht auf einem Stapel mit Mäppchen und überreicht mir eines. „Hier sind alle Informationen zu ihrem Studiengang, Bücher und Stoff bekommen Sie morgen. Sie haben sich zudem eines der Zimmer gemietet?" Ich nicke. „Ja, für das ganze Jahr." Er gibt mir einen Schlüsselbund mit drei gleichen Schlüsseln. „Zimmer 47, ich wünsche ein gutes und lehrreiches Jahr." Dankend übernehme ich die Schlüssel und zwänge mich zwischen den vielen anderen Studenten durch.
Zimmer 47 ist im vierten Stock, also mache ich mich auf den Weg zur breiten Treppe, auf welchem sich ebenfalls Studenten tummeln. Einige beobachten die Neulinge amüsiert, andere helfen ihnen.

Viele Studiengänge gehen zwei bis drei Jahre, Wächterlehramt ist einer der wenigen, welche nur eineinhalb Jahre dauert. Für mich war das praktisch die einzige Möglichkeit, nach meiner Ausbildung doch im Berufsfeld der Wächter zu bleiben.
Während alle meine Freunde sich einen Job in verschiedensten Wächterbereichen gesucht haben, bin ich mit meiner Entscheidung sehr zufrieden. Chysa hat mir jedoch versprochen, mich zu meinem 22. Geburtstag mit zu ihrem und Meis Arbeitsplatz im Süden mitzunehmen und mir alles zu zeigen. Obwohl es noch ein halbes Jahr geht, freue ich mich jetzt bereits darauf. Sharon, Jay und Lex haben sich einer Firma im Westen angeschlossen und arbeiten weiterhin als Team zusammen. Kyro und Orion haben eine Weltreise angetreten, um zusammen neue Sachen und Kulturen zu entdecken. Und ich bin sicher, die zwei genießen die Zeit alleine zusammen auch. Doch die meisten meiner Mitschüler sind in ihren Teams geblieben und kooperieren mit größeren Wächterfirmen in den Städten.

Ein leises Summen in meiner Hosentasche lässt mich anhalten. Ich stehe in eine der Ecken neben den breiten Eingangstreppen und balanciere vorsichtig meine Tasche auf dem linken Arm. Endlich erreiche ich den Fingersensor und nehme meinen Anrufer entgegen.

„Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Tag! Ich bin so stolz auf dich!" Schallt mir eine aufgeregte Stimme entgegen. Ich presse das kleine Gerätchen näher an mein Ohr. „Die ersten Kurse beginnen erst morgen, heute ziehe ich erst ins Wohnheim ein." Kläre ich meine Schwester auf. „Ach ja, entschuldige. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass es heute schon soweit ist." „Das dachtest du auch schon vor einer Woche." Erwidere ich lächelnd.

Seit genau sieben Tagen ruft mich Xenia jeden Morgen an, um mir zu gratulieren. In letzter Zeit ist Sie ziemlich vergesslich geworden. Ein krachen ertönt aus meinem Ohr und erschrocken halte ich es etwas von mir weg. „Ich habe dir doch gesagt, ich erledige das, sprich du lieber mit deiner Schwester." Eine dunklere, leicht verärgerte Stimme ist im Hintergrund zu hören, Xenia kichert. „Was hast du jetzt wieder angestellt?" Frage ich. „Ich wollte das Geschirr einräumen." Erläutert sie mir daraufhin. „Du solltest dich wirklich schonen. Elijah kann die schweren arbeiten übernehmen. Immerhin willst du ja wohl nicht, dass deinem Kind etwas passiert." Ermahne ich sie. Xenia lenkt daraufhin sofort ein.
Seitdem sie mir vor einem halben Jahr verkündet hat, schwanger zu sein, passierte viel bei ihnen. Noch im selben Monat heiratete sie Elijah, versprach, sich nicht mehr mit anderen Männern zu treffen, während er seine Arbeitsstelle aufgab, um bei ihr zu sein. In den Ferien habe ich ihnen geholfen, in das östliche Feuerdorf zurückzuziehen, um sicher genug Zeit zu haben, bevor das Baby auf die Welt kommt. Nur ist Xenia sehr unternehmungslustig und Elijah hat alle Hände voll zu tun, sie von zu viel Arbeit abzuhalten.
„Wie dem auch sei, ich muss jetzt gehen, mein Zimmer wartet auf mich. Ich rufe später nochmals an." Verabschiede ich mich von Xenia, welche, meinem Gehörsinn nach, bereits wieder etwas umherschiebt. „Ich werde ich auf jeden Fall besuchen kommen." Verspricht mir Xenia, gleich nachdem von weiter weg erneut mahnend ihr Name gerufen wird.
Ich bleibe kurz vor meinem Zimmer stehen. Die schwarze Nummer auf dem hellen Holz strahlt mich förmlich an. Plötzlich geht neben meiner Tür eine weitere auf.

Ich schaue auf, als ein junger Mann dahinter zum Vorschein kommt. Sofort stechen mir seine dunklen Haare ins Auge. Auf seinem Arm balanciert er einen Stapel Bücher. Als er mich erblickt, lächelt er.
„Hallo." Sein Blick schweift zu meiner Zimmertüre. „Ziehst du heute hier ein?" „Ja, ich beginne morgen mein Studium." Erkläre ich. „Toll, dann kenne ich ja bereits eine meiner Nachbarn. Ich bin gestern eingezogen."
„Welchen Studiengang machst du?" Frage ich, ehrlich interessiert. Er schüttelt sich seine rotbraunen Haare aus dem Gesicht. „Ich belege Nanowissenschaften. Mit Spezialisierung auf die Magieenergie. Und du?" „Wächterlehramt."
Er nickt, mustert mich mit einem undefinierbaren Blick. „Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind?" Ich schaue ihn an. Für jemanden, der im Himmel studiert, sind seine Haare zu dunkel. Feuerdorfdunkel.

„Woher kommst du?" Stelle ich die Gegenfrage. „Aus dem westlichen Feuerdorf." Antwortet er. Dabei stellt er seine Bücher auf den Boden.
Also hatte ich recht, er kommt aus einem Feuerdorf. „Ich war mal im westlichen Feuerdorf." Überlege ich. „Ist aber schon drei Jahre her."
Er grinst erleichtert. „Also liege ich nicht falsch. Normalerweise vergesse ich fast nie ein Gesicht. Schon gar nicht das einer Frau auf Durchreise, welche dunkle Haare und schneeweiße Flügel hat. Ich habe dich damals im Restaurant bedient."
Er streckt mir seine Hand hin. „Ich heiße Chiron. Falls du das vergessen hast" Sein glückliches Lächeln wird noch breiter, als ich seine Hand ergreife. „Alva." Stelle ich mich vor. „Ich weiß." Erwidert er und verlegen lächle ich. Ein Kribbeln macht sich in meinem Körper breit und so sehr ich mich auch bemühe, ich kann mich nicht davon abhalten, unaufhörlich zu lächeln.

Ich erinnere mich an seine Worte, dass er sich vor der Flüglerzeremonie fürchtet. „Du hast recht behalten, mit deiner Annahme." „Du erinnerst dich daran?" Ich nicke. „Jetzt schon." Er zuckt mit den Schultern. „Naja, mein Gefühl trügt mich nie. Aber die da," Er deutet auf seinen Rücken. „Sind eigentlich ziemlich schön."
Gerade will ich etwas erwidern, als ein leises brummen ertönt. Chiron fummelt in seiner Jackentasche und zieht ein schmales Gerät hervor. Erschrocken schaut er es an. „Entschuldige, ich muss gehen. Ich habe versprochen meinen Freunden ebenfalls beim Einzug zu helfen." Er hebt seine Bücher vom Boden auf. „Es war schön, dich wiederzusehen, Alva. Ich denke wir laufen uns ab jetzt öfters über den Weg."

Ich nicke, umfasse meine Tasche fester und winke zum Abschied.

Und obwohl Chiron längst aus meinem Blickfeld verschwunden ist, stehe ich im Gang. Unfähig, in mein neues Zimmer zu gehen, und ein Lächeln im Gesicht, das so schnell niemand mehr wegwischen kann.

White WingsWhere stories live. Discover now