Stress lässt grüssen #4

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Im nächsten Augenblick lande ich hart auf einem Boden.
Wo zum Himmel ist der jetzt hergekommen?

„Willkommen in deiner Wohnung."

Wohnung?
Tatsächlich befinde ich mich in einer hübsch eingerichteten Wohnung. Ich stehe im Esszimmer, ein Tisch neben mir, vor mir eine kleine Bar.

„Hier wohne ich? Ganz alleine?"

Überrascht schaue ich mich weiter um. Hinter mir sind zwei verschlossene Türen, rechts eine weitere. Hinter der Bar ist eine große, offene Küche. Auf der rechten Seite der Küche eine weitere verschlossene Türe. Neben der Küche eine geöffnete. Dahinter sehe ich ein Badezimmer. Vor mir ist ein offenes Wohnzimmer mit einem Sofa und zwei Sesseln. Auch leere Regale sehe ich. Beim Wohnzimmer ist zudem eine verglaste Türe, welche den Blick auf eine Terrasse freigibt.

„Du wohnst hier natürlich mit deinem Team."
Mein Team!
„Wo sind sie?" Frage ich, plötzlich aufgeregt.
„Sie sind noch bei der Zeremonie. Sie kommen erst später in den Himmel und um sich ihr neues Zuhause anzusehen. Du kannst dir ein Zimmer aussuchen und den entsprechenden Schlüssel dazu." Sie nickt Richtung Tisch, auf welchem vier Schlüssel liegen mit Nummern. Erst jetzt sehe ich auch die Nummern auf den Türen.
„Ich habe deine Sachen vom Dorf auf die Terrasse stellen lassen. Morgen bei Sonnenaufgang erwarte ich euch alle vor eurem Haus."
Ich nicke eifrig. „Natürlich." Ich will mich schon verabschieden, als mir etwas einfällt. „Meine Flügel. Wie... wie kann ich die verschwinden lassen?"
„Normalerweise lernen die Flügler das heute. Ich werde es dir morgen zeigen, bis dahin," Sie berührt meinen Flügel und etwas sticht mich schmerzhaft in meine Schulterblätter.

Ich verziehe mein Gesicht und plötzlich ist die ganze Last auf meinem Rücken weg.
„Wir sehen uns morgen." Sagt sie, dann marschiert sie durch das Wohnzimmer, aus der Terrasse und im nächsten Moment ist sie verschwunden.

Ich schaue erleichtert an meinen Rücken.

Meine Flügel sind weg.

Aber dort wo sie waren, ist mein Shirt aufgerissen und zwei Löcher zieren den Stoff.
Na toll, das war eines meiner Lieblingsshirts.
Ich zupfe den Stoff etwas zurecht und mein Blick fällt erneut auf die Schlüssel.

Jetzt kann ich mir zuerst ein Zimmer aussuchen!

Freudig renne ich, meine Müdigkeit ist weggeblasen, durch die Küche zum ersten Zimmer und öffne es. Es ist quadratisch und weiß gestrichen. Gegenüber der Tür ist ein Fenster. Ein großes und ein kleines Regal befinden sich in der Ecke neben mir, daneben ein Tisch und unter dem Fenster ein Bett. Probehalber setze ich mich auf das Bett. Es ist weich und grösser als das bei mir zuhause. Sonst ist das Zimmer leer.
Ich frage mich, ob die anderen Zimmer auch so aussehen. Schnell stehe ich auf und stürme ins nächste Zimmer.

}•{

Die anderen Zimmer sehen genau gleich aus, nur haben zwei der Zimmer zwei Fenster. Ich entscheide mich schlussendlich für das Zimmer in der Ecke, mit zwei Fenstern.
Hat Ray nicht gesagt, meine gepackten Sachen sind auf der Terrasse? Ich stehe wieder vom Bett auf und gehe durch das Wohnzimmer auf die Terrasse.

Es ist eine Steinplattenterrasse, mit Gartenstühlen und Tisch, sowie einem zusammengefalteten Schirm. Die Terrasse ist eingezäunt und nur wenige Meter vom Zaun entfernt geht es tausende Meter in die Tiefe.
Höhenangst darf man da keine haben. Ein bisschen vielleicht schon. Immerhin gibt es keinen Boden.
Ich sehe meine drei vertrauten Koffer, welche ich gestern erst gepackt habe. Meine Kleider, Schulsachen, Bücher und einige Private Gegenstände sind dort drin.
Ich bringe alle in mein Zimmer und ziehe mir ein anderes, noch ganzes Shirt an. Dann lege ich mich in das bereits bezogene Bett und schließe kurz die Augen.

Meine Müdigkeit ist wieder da.

Mein ganzer Körper schmerzt.

Ich genieße die Stille um mich herum.
Heute ist so viel passiert.

Meine Eltern! Die habe ich ja ganz vergessen. Und Ryan!

Ein sorgenvolles Gefühl mach sich in mir breit. Er musste die Zeremonie ganz ohne mich überstehen.
Ich drehe mich auf den Bauch und ziehe den kleinsten Koffer zu mir. Auf dem Bett liegend, wühle ich darin, bis meine Finger ein schmales Plättchen ergreifen. Vorsichtig ziehe ich es zu mir hin und setze mich im Schneidersitz davor.

Dann lege ich Zeige und Mittelfinger auf das Gerätchen, stelle mir Ryans Gesicht vor und spreche in Gedanken seinen Namen. Meine, mit ihm verknüpften Gefühle fließen von ganz alleine in das Plättchen.
Es surrt, beginnt in regelmäßigen Abständen zu blinken. Ungeduldig warte ich, doch das rote Licht bleibt bestehen.

Ich breche den Kontakt ab, konzentriere mich stattdessen auf meine Eltern. Meine Gedanken schweifen ab, als sich das warme Licht zuerst in ein grünes, dann in ein neutrales weiß umwandelt.
Ein Lichtstrahl schießt hoch und ein mir bekannter Oberkörper manifestiert sich vor mir. Ich kneife meine Augen zusammen und drehe die Helligkeit herunter.
Die karge Wand schimmert durch die Person durch, und ich konzentriere mich ganz auf das strahlende Gesicht.

„Ein Glück, es geht dir gut! Mom und Dad haben sich schon Sorgen gemacht, sie hatten sich die ganze Zeit Gedanken gemacht, dass du nicht durch das Tor kommst, oder vom Himmel fällst oder..."
Ich strecke meine Hand aus, mein Kopf beginnt zu Pochen.
„Xenia, bitte."
Sofort hält sie inne, streicht sich eine ihrer langen Strähne nach hinten. „Entschuldige, ich bin nur so froh, dich zu sehen. Geht es dir gut?"
Ich nicke. „Ja, ich bin nur unglaublich müde und mein ganzer Rücken schmerzt."
Meine Schwester lächelt mitfühlend. „Am Anfang wirst du ziemlichen Muskelkater haben, aber dein Körper gewöhnt sich schnell daran, keine Sorge."

„Das Hoffe ich. Wo sind denn jetzt Mom und Dad?"
„Ich habe sie rausgeschickt. Sie sollen sich etwas ablenken. Der Umzug und die ganze Zeremonie waren wohl etwas zu viel. Tut mir leid, dass ich nicht kommen konnte."
Ich winke ab. „Schon gut, es ist wahrscheinlich besser, dass du das nicht gesehen hast. Alle haben mich angestarrt."

Sie schweigt, mustert mich nachdenklich. „Kannst du denn jetzt deine Ausbildung als Wächterin machen?"
Ich nicke. „Ja, sie weisen mich einem Team zu. Aber ich habe sie noch nicht kennengelernt, sehen tue ich sie erst morgen."
„Glückwunsch! Ich kann dir versichern, Wächterin ist der beste Beruf von allen!" Sie strahlt über das ganze Gesicht.

Plötzlich beginnt ihr Hologramm zu flackern, Stimmen sind von weitem zu hören.
„Xenia, bist du hier?" Der Blick meiner Schwester wechselt zwischen mir und einer, mir nicht sichtbaren Gestalt.
„Ich muss jetzt gehen. Pass gut auf dich auf, wir sprechen uns wieder, okay?"
„Richte Mom und Dad Grüsse aus."

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Q: Was würdet ihr davon halten, während eurer gesamten Ausbildung mit den Studienpartner zusammenzuwohnen?

White WingsWhere stories live. Discover now