Zurück in den Alltag #20

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Ohne Umschweife mache ich mich auf den Weg zu Aries Wohnung, klopfe an und warte. Ich möchte mich erneut entschuldigen. Jetzt, wo bereits etwas Gras über die Sache gewachsen ist, kann ich vielleicht vernünftig mit ihm sprechen.

Aber niemand öffnet.

Durch die Fenster schaue ich ins Innere. Alles ist dunkel und sieht verlassen aus.
Er ist nicht zuhause.
Enttäuscht drehe ich um und fliege Nachhause, hinterlasse Ray eine Nachricht, dass ich Aries suche und wenn sie weiß, wo er ist, soll sie es mir mitteilen.

Sorgfältig falte ich den Zettel wieder zusammen. Aries ist, laut Ray, krank, aber sie hat mir angeboten, meine Fragen zu beantworten, falls ich welche habe.
Zähneknirschend schreibe ich ihr eine simple Frage zurück, welche ich mir sehr gut auch selbst beantworten könnte. Aber sie soll nicht misstrauisch werden.

„Hallo meine lieben Mitbewohner! Ich bin wieder da!" Ein Kopf linst durch meine Türe und wird sogleich schwungvoll aufgestoßen.
„Ich habe meine Wäsche in das Bad gelegt, wenn du auch noch Sachen zum Waschen hast, kannst du sie mir dazu legen."
„Okay, ja ich habe noch ein paar Kleider. Danke Sharon." Sie nickt und verschwindet aus meinem Sichtfeld.
Unsere Beziehung hat sich, um es positiv auszudrücken, ziemlich verbessert. Ich erinnere mich noch ziemlich gut daran, als wir es endlich geschafft haben, uns auf einen Haushaltsplan und Regeln festzulegen. Danach ging es nur noch bergauf.

„Ich gebe den Schlüssel erst wieder heraus, wenn wir das hier geklärt haben!"
„Was erlaubst du dir, meine Schlüssel zu klauen?" Keift Sharon ihn an.
„Wir haben lange genug um uns herum gelebt, wir können uns nicht die restlichen drei Jahre nur ignorieren." Erklärt Lex und verschränkt die Arme.
„Was willst du besprechen?" Jay sitzt ruhig am Tisch, ich stehe auf.
„Ich und Lex haben uns etwas ausgedacht." Beginne ich.

„Ich und Lex haben uns was ausgedacht." Äfft Sharon mich nach. Lex wirft ihr einen warnenden Blick zu. Sie hebt abwehrend die Hände. „Bin ja schon still."
„Also," fahre ich fort. „Ich habe einen Plan gemacht, mit den wichtigsten Haushaltsaufgaben, die erledigt werden müssen."
Lex holt ein Blatt hervor. „Wir haben Einkaufen, Kochen, Wäsche machen und Haus putzen. Wir dachten, jede Woche übernimmt jemand eine Aufgabe, nächste Woche wechselt alles und in den Ferien machen wir alle zusammen einen großen Hausputz. Das wäre nur jedes halbe Jahr."
Jay nickt. „Einverstanden."

Lex schiebt ihm den Plan hin. „Diejenigen, welche den Job machen, besonders beim Einkaufen und Wäsche machen, müssen die anderen Fragen, ob sie etwas Bestimmtes wollen, bevor sie sich der Arbeit widmen. Damit nichts vergessen geht." Erklärt Lex weiter.
„Und bitte auch unterschreiben, damit du einverstanden mit dem bist, was wir hier besprochen haben." Füge ich rasch hinzu und Jay schreibt seinen Namen dazu, bevor er das Blatt weiter an Sharon gibt. Sie verdreht die Augen, lässt sich jedoch dazu herab und unterschreibt ebenfalls.

„Super, das ging ja ganz ohne Probleme." Lex strahlt und unterschreibt.
Sharon steht auf. „Wenn du nicht doch Probleme haben willst, gibt mir meine Schlüssel zurück." Sie streckt die Hand aus und Lex lässt genannte Schlüssel in ihre Hand fallen.
Auch Jay steht auf. „Gut das wir das geklärt haben."
Ich unterschreibe ebenfalls auf dem Blatt und hänge es an die Kühlschranktür, glücklich, dass wir endlich etwas Struktur in unseren Alltag bringen konnten.

Genervt schlage ich mein Buch zu, nur um gleich wieder erschrocken darin zu blättern. Ich habe mir die Seitenzahl nicht gemerkt!
Von draußen ertönt Gekicher.
Ich quäle mich unter der Decke hervor und trete in das Wohnzimmer.
Auf dem Sofa sitzt Sharon, zusammen mit fünf anderen Mädchen. Ich erkenne Felicia und Mei unter ihnen und lächle freundlich, gehe jedoch an ihnen vorbei zur Türe.

„Wo gehst du hin?" Fragt Sharon.
„Nur etwas raus, ins Zentrum, vielleicht etwas kaufen." Antworte ich.
„Komm rechtzeitig zum Abendessen, es gibt was ganz leckeres!" Ruft Lex von der Küche her. „Ja, werde ich schon, bis nachher."

Ich mache mich auf den Weg zu Aries. Hoffentlich geht es ihm wieder besser, immerhin beginnt die Schule morgen wieder.
Ich lande gerade vor seinem Haus, als sich die Tür öffnet.

„Alva?"

Ich blicke genau so erstaunt zu der rotblonden Frau, wie sie zu mir.
„Ray. Hallo." Ich verbeuge mich schnell und lächle.
„Was machst du hier?"
Wie soll ich das erklären? „Ich wollte sehen ob Ar- Gray wieder gesund ist, da morgen ja Unterricht ist." Rattere ich meinen hastig zusammengesetzten Satz zusammen.
Ray mustert mich misstrauisch. „Aries geht es noch nicht so gut, diese Woche wird eine Vertretung kommen."

„Eine Vertretung?"

„Ich muss jetzt gehen, habe noch viel vor, bis Mittwoch." Sie ist bereits in der Luft, bevor ich etwas sagen kann.
Verdattert bleibe ich vor dem Haus stehen.
Und klopfe. Nichts passiert.
Langsam gehe ich um sein Haus herum, schaue in alle Fenster, aber alle Räume sind ausnahmslos leer.

Er ist nicht da.

Aber warum war Ray im Haus und hat gesagt, dass er krank ist. Woher soll sie dies wissen, wenn er gar nicht hier ist?
Ein Entschluss festigt sich in meinem Kopf und ich fliege in die Richtung, in welche Ray verschwunden ist.
Dummerweise ist am Sonntag immer viel los und ich kann Ray nirgends finden.
Noch eine Weile kreise ich hoch über den Inseln, aber ohne Erfolg.
Enttäuscht kehre ich nach Hause zurück und helfe Lex beim Essen zubereiten.

Der Aushilfslehrer ist nett, aber ziemlich langweilig. Bei Gray gab es immer etwas, was mich wachhielt, mich zwang, ihm zuzuhören und mitzuarbeiten.
Aber heute ist der Himmel und die weißen Wolken viel spannender. Ich entdecke kleine Vögel und Drachen in den Wolken und kritzle Muster auf mein Blatt. Und trotzdem fühlt es sich wie eine Ewigkeit.

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